2. Mai 2024

Podcast der Generationen: Erinnerungen an Kindheit in Siebenbürgen, Flucht und Neuanfang in Deutschland

In dem Podcast „Erzählenswert – Erinnerungen meiner Oma“ erzählt Isolde Fauser aus Siebenbürgen ihrer Enkelin, Mirjam Hees, von ihrer Kindheit, ihrer Flucht im Jahr 1944 und ihrem Neuanfang in Deutschland.
Isolde Fauser und ihre Enkelin Mirjam Hees, in ...
Isolde Fauser und ihre Enkelin Mirjam Hees, in deren Wohnzimmer die Audioaufnahme stattfindet.
„Hi, ich bin Mimi und mir gegenüber sitzt meine Oma.“ Mit diesen Worten begrüßt eine junge Frau die Zuhörerinnen und Zuhörer, die die Audioaufnahme im Internet anklicken. Nach der kurzen Einführung in das Thema fühlt man sich sofort willkommen, ein bisschen in die Familie aufgenommen, als ob man mit im Wohnzimmer sitzen würde. Die Zuhörenden werden Teil einer langen Tradition und etwas Besonderem, was in unserer Zeit vielleicht gar nicht mehr so oft geschieht: Die ältere Generation gibt der offenen und zuhörenden, jüngeren Generation ihr Wertvollstes, ihre Geschichte, Erlebnisse, Erfahrungen und Wissen weiter. Oma Isolde Fauser (geboren 1934 in Burgau/Borgóprund bei Bistritz) erzählt einerseits sehr persönlich, beantwortet die Fragen ihrer Enkelin, Mirjam Hees, lässt sich auf ihre behutsame Gesprächsführung ein. Andererseits führt sie uns in die damaligen Verhältnisse und historischen Zusammenhänge ein und erweitert dabei unseren Blick auch auf kulturelle, gesellschaftliche und kirchliche Aspekte. Wir werden auf eine Reise durch ihr bewegtes Leben, aber auch durch eine gesamteuropäische Geschichtsepoche mitgenommen.
Das Podcast-Cover zeigt das Passfoto des ...
Das Podcast-Cover zeigt das Passfoto des Flüchtlingsausweises der Großmutter als junges Mädchen mit 14 Jahren.
Wie kam es aber dazu, dass diese Gespräche zwischen Enkelin und Großmutter überhaupt aufgenommen wurden? Hierzu Mirjam Hees: „Schon als Kind faszinierten mich die spannenden Geschichten meiner Oma. Ihre Kindheitserinnerungen klangen in meinen Kinderohren wie Abenteuer aus einer anderen Welt. Da Isolde Fauser zu der letzten Generation der Zeitzeugen gehört, haben wir zusammen begonnen einen Podcast aufzunehmen, um ihre Erinnerungen aufzubewahren.“

Isolde Fauser floh während des Zweiten Weltkrieges aus ihrer Heimat Siebenbürgen. Die erste Folge des Podcasts behandelt ihren Weg als zehnjähriges Mädchen von Nordsiebenbürgen nach Landshut im Jahr 1944. In der zweiten Folge „Neuanfang in Landshuter Trümmern“ schildert sie ihre Ankunft in Landshut im selben Jahr, die Bombenangriffe und das Ende des Krieges. In der dritten Folge „Gegen das Vergessen“ teilt sie ihre Beobachtungen zur Judenverfolgung während der NS-Zeit mit. Zusätzlich enthält diese Folge einen Beitrag der Spoken-Word-Künstlerin Leah Weigand mit dem Titel „Dein Gehirn ist ein Sieb“.

Isolde Fauser und Mirjam Hees: Bei Eröffnung der ...
Isolde Fauser und Mirjam Hees: Bei Eröffnung der Ausstellung vor dem LANDSHUTmuseum, bei der Oma Isolde den Besuchern Rede und Antwort stand.
Die Folgen vier und fünf geben Einblick in die Studienzeit der späteren Sprachlehrerin im München der 1950er Jahre und ihre Auslandserfahrungen in Frankreich und Spanien. In den vor Kurzem veröffentlichten Folgen sechs und sieben erzählt sie über ihre frühe Kindheit in Siebenbürgen, die wunderschöne und ursprüngliche Natur der Karpaten, ihre Angst vor wilden Tieren, über den Opa, der von Beruf Hutmacher war, und die schöne Zeit in Klausenburg. Weitere Folgen sind in Planung.

Der Podcast wird vom Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert. Des Weiteren sind die ersten drei Podcastfolgen in der Ausstellung „Landshut im Nationalsozialismus. Opfer. Täter. Zuschauer.“ zu hören, die im LANDSHUTmuseum noch bis 9. März 2025 zu sehen ist.

Das hier gezeigte Fahrrad hat der Urgroßvater aus ...
Das hier gezeigte Fahrrad hat der Urgroßvater aus Einzelteilen zusammengebaut. Damit fuhr er nach München, um die Aufenthaltserlaubnis für die Familie zu erhalten, nachdem die amerikanische Militärregierung sie nach Siebenbürgen hatte zurückschicken wollen.
Das dort gezeigte Fahrrad, das eine wichtige Rolle im Leben der geflüchteten Familie gespielt hat und worüber im Podcast ausführlich berichtet wird, wurde in der Nachkriegszeit von Mirjam Hees‘ Urgroßvater aus Einzelteilen zusammengebaut. Ebenfalls zu sehen ist ein Feuerzeug, das in der Not aus einer zufällig gefundenen Panzergranate gebastelt wurde.

Titus Müller, SPIEGEL-Bestseller-Autor, beschreibt den Podcast mit folgenden Worten: „Ich bin berührt. Die Kartoffeln für die KZ-Häftlinge oder wie die – übrigens sehr gut erzählende – Großmutter damals als Kind das Verladen von Menschen in Viehwaggons beobachtete, geht mir nahe.“ Durch die Erzählung der eigenen Erfahrung, von Leid und Freude, wird Geschichte lebendig, nahbar und erlebbar, auch für die nachfolgenden Generationen. Die Erinnerung wachzuhalten, dass es Zeiten gab, in denen vieles überhaupt nicht selbstverständlich war, was heute als normal gilt, ist besonders in der aktuellen politischen Lage sehr wichtig. Der Podcast „Erzählenswert“ leistet auch hierzu einen wertvollen Beitrag, er ist hörens- und empfehlenswert. Der Podcast ist kostenlos auf https://podcasters.spotify.com/pod/show/mimipodcast-ew und allen bekannten Podcast-Plattformen zu finden. Bei Fragen und Anmerkungen können Sie Mirjam Hees per E-Mail an erzaehlens wert[ät]gmx.de kontaktieren und auf Instagram dem Account [ät]erzaehlens wert_mimi_podcast folgen.

Zsuzsa Szentpáli Gavallér

Schlagwörter: Podcast, Generationen, Zeitzeugen, Kindheit, Flucht

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