18. Mai 2024

Wie rumäniendeutsche Schriftsteller und Wissenschaftler von der Securitate bespitzelt wurden

Was in der DDR die Stasi war, war in Rumänien während des kommunistischen Regimes die Securitate. Die Geheimpolizei, die 1990 aufgelöst wurde, war offiziell „zur Sicherheit der rumänischen Volksrepublik“ gegründet worden. In ihrem Namen wurden über Jahrzehnte hinweg die Bürger beobachtet und Feinde des Regimes weggesperrt oder eliminiert. „Bespitzelt und bedrängt, verhaftet und verstrickt“ heißt der Titel eines Buches von Stefan Sienerth, der darin zahlreiche Fälle aufzeichnet, in denen rumäniendeutsche Schriftsteller und Geisteswissenschaftler ins Blickfeld der Securitate gerieten und teils daran zerbrachen.
Gerhard Wonner (links), Vorsitzender des Vereins ...
Gerhard Wonner (links), Vorsitzender des Vereins Heimathaus und Stefan Sienerth beim Vortrag über die Securitate und ­Rumäniendeutsche Schriftsteller. Foto: Pia Mix
Der Autor Prof. h.c. Dr. Dr. h.c. Stefan Sienerth, Jahrgang 1948, war Hochschullehrer und wissenschaftlicher Mitarbeiter in Rumänien und Deutschland. Er befasste sich fast 20 Jahre lang intensiv mit dem Thema Securitate in Zusammenhang mit rumäniendeutscher Literatur und gab in einem Vortrag im Heimathaus Traunreut am 19. April 2024 einen Einblick in seine dabei gewonnenen Erkenntnisse. Der Referent betonte, es sei wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen. Auch sei die Aufarbeitung der Taten, die im Namen der Securitate geschahen, genauso bedeutend wie bei der Stasi. Hätte Deutschland nicht die Stasi-Akten freigegeben, „hätten viele dieser Leute in hohen Ämtern weiterarbeiten können“. Rumänien hat sich als Voraussetzung für den EU-Beitritt 2007 verpflichtet, ebenfalls Einblick in die Securitate-Akten zu gewähren und sie der Forschung zugänglich gemacht. „Das war ein Akt der Versöhnung“, so Stefan Sienerth. Die Unterlagen zeigten, „wie ein totalitäres Regime vorgeht und die Leute fertigmacht“. In Russland dagegen werde eine Aufarbeitung der Stalinzeit durch Putin verhindert und das Netzwerk des KGB sei weiterhin aktiv.

In den umfangreichen Unterlagen der Securitate ist nachzulesen, was die Geheimpolizei in all den Jahren über „unschuldige Menschen, die nur ihrer Arbeit nachgingen“, so Professor Sienerth, zusammengetragen hat. Im Westen könnten sich viele nicht vorstellen, welche subtilen Methoden eingesetzt und welche Konstrukte gesponnen wurden. Als eines von mehreren Beispielen berichtete der Referent vom Schriftsteller Georg Hoprich. Dieser kam wegen eines „staatsfeindlichen“ Gedichtes 1961 ins Gefängnis. Auch nach seiner Entlassung war er weiterhin der Bespitzelung durch die Securitate ausgesetzt. Er schloss sein Studium ab, erhielt jedoch keine Erlaubnis, als Lehrer zu arbeiten. Der ständige Zustand der Unsicherheit und die fehlende Perspektive führten dazu, dass Georg Hoprich 1969 schließlich seinem Leben selber ein Ende setzte. Auch über den Lyriker Oskar Pastior, der als junger Mann in die Sowjetunion deportiert worden war und ebenfalls ins Visier der Securitate geriet, sprach Stefan Sienerth. Pastior habe es aber geschafft und sei „einer der herausragendsten deutschen Lyriker des 20. Jahrhunderts“ geworden. Er war Herta Müllers Mentor für ihren Nobelpreis-Roman „Atemschaukel“ und starb 2006 mit fast 80 Jahren. Sein Leben ist laut Stefan Sienerth „eine eindrucksvolle Geschichte über Stärke und Schwäche eines Einzelnen gegenüber den Mechanismen eines Überwachungsstaates“.

Diesen und weiteren Beispielen lauschten die Zuhörer beim Vortrag interessiert und gebannt. Gerhard Wonner, Vorsitzender des Vereins Heimathaus, moderierte den Abend und brachte eigene Erkenntnisse mit ein.

Pia Mix

(Traunreuter Anzeiger vom 24. April 2024)

Schlagwörter: Securitate, Stefan Sienerth, Traunreut

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