Vor 10 Jahren

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Bransbruno
schrieb am 01.05.2014, 08:23 Uhr
Rumänien

Es gibt hier viele Geschichten zu erzählen. Insbesondere schlimm finden wir die sog. Privatisierungen, kurz nach der „Wende“! Da durften die Parteinahen und ehemaligen Leiter (Kaderführer usw.) ihr eigenes Kombinate, als erstes „für ein Apfel und ein Ei“ das Objekt kaufen. Das so genannte Vorkaufsrecht! Recht…? Wieso? Wenige Jahre weiter, das Kombinat ist jetzt total heruntergekommen, weil der „Leiter“ Null Ahnung vom Wirtschaften hat, wird der Laden verkauft. Ein ausländischer Investment übernimmt den Verein, entlässt erst einmal alle und stellt danach zu noch geringeren Löhnen gerade mal ein drittel der Stammbelegschaft wieder ein. Da, zu der Fabrik auch diverse Arbeiterwohnblöcke gehören, sind die nun auch zu Spekulationsobjekt geworden. Alle Mieter die nicht für die Fabrik arbeiten müssen hinaus. Wohin? Das ist ein Beispiel was man sich zu jederzeit in Floresti (Reifenfabrik), nahe Bukarest, ansehen kann. Solche Geisterwohnblöcke mit zugemauerten und mit Stacheldraht verschlossenen Blöcken gibt es überall in Rumänien.
Hat ein Angestellter das Pech gerade in einem Umbruch, also von einem Besitzer zum andern in der Firma zu arbeiten, kann es vorkommen dass er kein Gehalt bekommt. Unser Nachbar, er war Wachmann in der Papierfabrik in Zarnesti. Diese wurde von einem ausländischen Unternehmen übernommen. Der Nachbar hat noch drei Monate Lohn zu bekommen. Da er zu arm ist um sich einen Anwalt zu besorgen (hier gibt es kein „Armenrecht“) wird er nie zu seinem Geld kommen.
Kinder werden Ehelos geboren. Die jungen Mütter, selbst noch Kindern, vergessen die Registratur des Kindes. Fazit, das Kind hat keinen Personalausweis, es kann nicht in den Kindergarten (wenn dann einer da ist), es kann nicht in die Schule und die Mutter erhält auch keine sog. Sozialhilfe (auch wenn sie nicht allzu hoch ist)! Niemand kümmert sich darum, zuletzt der Staat, hat er doch ein Maul weniger zu stopfen. Dem kommt die Dummheit der jungen Mütter gerade recht.
Wohnblöcke, wie der Block UNO am Marktplatz in Zarnesti werden unbewohnbar gemacht. Alle Fenster und Türen entfernt. Wasser und Strom abgestellt. Gemeinschaftstoiletten – und Duschräume demontiert. Wenn dann doch herumirrende Menschen, meist Roma auf der suche nach etwas Wohnraum (vielleicht sogar aus Floresti) den Block besetzen. Provisorisch Türen und Fenster (aus Baufolie) anbringen, dann kommt der Zorn der Eigentümer über sie! Es sind in der Regel, im Hintergrund der Bürgermeister (Primar) und vorneweg ein Strohmann oder Parteigenosse. Mit Polizeigewalt wird dann der Block geräumt und geschlossen.
Das alles wird aber, sobald sich das Fernsehen oder die Zeitung zeigt, lauthals dementiert und man verspricht den Obdachlosen, vor laufender Kamera, neue Wohnungen in einem jetzt schon überwohnten Block. In meinem Beispiel der Block-2 an der ehemaligen Munitionsfabrik in Zarnesti. Dabei stehen dort noch ein halbes dutzend Häuser leer. Es sind die Quartiere der ehemaligen Wachleute die das Unternehmen vor neugierigen Blicken und vor Diebstahl zu schützen hatten. Jetzt, da dort nichts mehr hergestellt wird, stehen diese Wohnblöcke seit vielen Jahren sinnlos leer. Nicht nur das, sie verrotten vor sich hin. Unsere Bemühen, beim Direktor der sterbenden Fabrik, eines der Blöcke zu Mieten wurden abgewiesen. Man warte auf einen großzügigen europäischen Investor.
Zur Polizei: Wenn man die Beamte gut kennt dann darf man auch schon einmal im Datchia unter Alkohol einen Holzzaun umsäbeln. Der Unfall wird aufgenommen. Der Fahre wird danach entlassen und für den spähten Abend gebeten aufs Polizeirevier zu kommen. Der Inhaber des Holzzaunes wird auch dazu geladen. Anzeige zu machen, es geht ja alles vorschriftsmäßig zu. Erst zur späten stunde wird dann auch eine Alkoholprobe beim Fahrer gemacht. Der Unfallfahrer darf, wenn auch widerwillig, in ein altmodisches Röhrchen pusten. Dabei „warnte“ er aber den Polizist, er hätte „auf den Schreck hin“ zuhause einen Schnaps getrunken. Wie geht’s weiter? Der Unfallfahrer, zufällig Tischler, richtet den Zaun. Das war’s!
Rumänien und seine Technik: Ein Mensch kauft sich in einem Laden eine Deckenlampe. Zuhause versucht er das Ding zu installieren. Großes Staunen, die Lampe ist überhaupt nicht verdrahtet. Alle Kabel zu den sechs Glühlampen fehlen! Wer da nicht ein guter Hobbyhandwerker ist oder wen kennt, darf alles zusammenpacken und die „Lampe“ wieder in das Geschäft zurück bringen.
Wer ein großes Packet Toilettenpapier kauft, sollte genau hinsehen. Es gibt Papier da fehlt die Perforation. Manches Papier hat auch keine Pappinnenrolle, da wird das Papier zuhause direkt auf einen Nagel gespießt.
Der normale Bürger muss mit fast täglichen Stromausfällen leben. Alle Geräte, wie Waschmaschine, Fernseher und Computer leiden darunter. Anstelle die überlasteten Kabel komplett mit stärkeren Drähten auszutauschen, werden ständig kurze Stücke, halt nur die die auch verschmort sind, gewechselt. Das in einem Touristenort wo alle zwei drei Monate ein neues Hotel oder Pension eröffnet wird und somit der Stromverbrauch ständig steigt. Grundgebühren und den Verbrauch des Stromes darf man natürlich bezahlen. Auf beschwerden hin, wird einem geraten, ein Notstromgerät zu kaufen.
Dasselbe ist auch mit dem Wasser. Wenn auch hier die Unterbrechungen nicht gerade so häufig sind. Das stört hier aber niemand weil die meisten einen eigenen Brunnen haben. Das die Wasserrohre durch das ständige be- und entlasten manchmal reißen, was soll man machen?!
Ja, aber wenn die EU erst kommt, dann wird alles besser! Ausspruch eines alten (unter Alkohol stehenden?) zahnlosen Schäfers.
Brombeer
schrieb am 01.05.2014, 10:40 Uhr (am 01.05.2014, 10:42 Uhr geändert).
Werter Bransbruno,

Sie haben sich mit Ihrem Bericht viel Mühe gemacht. Aus meiner Erfahrung haben Sie in so manch dargestelltem Missstand "den Nagel auf den Kopf getroffen."

Was aber ist Ihre Intention? Wie heißt Ihre zusammengefasste Botschaft? Was soll Ihr Bericht auslösen?


Einen angenehmen 1. Mai wünscht Ihnen Brombeer
getkiss
schrieb am 01.05.2014, 11:04 Uhr
Wie heißt Ihre zusammengefasste Botschaft?

Stimmt, der Titel des Threads ist irrtümlich.
Sollte vielleicht
"Nach 10 Jahren" heißen?
Oder gar:
"The Land of Lucky?"
OREX
schrieb am 01.05.2014, 12:56 Uhr (am 01.05.2014, 13:08 Uhr geändert).
Da hätten wir eine Antwort auf die Frage "Warum sind wir hier?"

Aber das Eröffnungsposting ist ein Hilferuf. Warum denn im Forum "Lachen uch Nodinken", es gibt nichts zum Lachen, eher zum Heulen. Ich erinnere mich noch an Verse aus meiner Schulzeit:

Munţii noştrii aur poartă,
Noi cerşim din poartă-n poartă!

Armes Land! Das war einst sein Los und es scheint sich nichts gändert zu haben. Arme Leute! Die Fleißigen hat man rausgeekelt und jetzt wissen sie nicht mehr weiter.

Meine Besserwisserei ist hier nicht gefragt, sondern konkrete Hilfe, aber es soll Hife zur Selbsthilfe sein und keine Almosen. Auf die Dauer ist das auch nicht die Lösung. Wenn sich wirklich etwas zum Besseren ändern soll, muss sich als erstes die Haltung (atitudinea) der Leute ändern, die Haltung zu Arbeit und Besitz, die Haltung zum Leben allgemein. Sie müssen lernen für ihr Leben Verantwortung zu üernehmen. Dieses ist ein langer Weg, aber der einzig gangbare.
gerri
schrieb am 01.05.2014, 13:02 Uhr (am 01.05.2014, 13:11 Uhr geändert).
@ Hallo Bransbruno,auf so einen Bericht habe ich schon seit langem von Ihnen gewartet,denn wer aus Kölle nach Bran/Törzburg umsiedelt,muss sich auf Manches gefasst machen.
Wenn man die Gegenden Bran/Törzburg und Zarnesti/Zernen in Urlaubsstimmung betrachtet,kann sich ganz schnell in die schöne Natur und freundlichen Menschen verlieben.
Da meint man,das wär der richtige Ort um die Rentenjahre zu verbringen.Bis daher gleicher Meinung,aber die Lebensumstände haben sich nach dem Umsturtz gewaltig geändert,das sichere Einkommen von staatlichen Unternehmen ist nach und nach weggeblieben.Das gleiche mit bezahlbaren Betriebswohnungen,die Sicherheit der Arbeitnehmer war dahin.
Da braucht man sich nicht wundern und Romane schreiben,wer soll die Entschwundene Sicherheit übernehmen,der Private,Patronu?
Sie können mir glauben,bin kurz vorher aus Kronstadt/Brasov ausgewandert,kenne all die schönen Plätzchen von Kinderbeinen auf alle,weiss auch wie sie ziemlich verbaut sind.Gut das sich Erinnerungen nicht nach den neueren Tatsachen änderen.Wenn sie schon seit Jahren dort leben, sollten sie auch die deutschen Namen der Orte im schönen Burzenland kennen.Viele der Siebenbürger Sachsen aus der Gegend waren auch Rheinländer,nun sind sie wieder weg.Ihnen noch viel Spaß.
OREX
schrieb am 01.05.2014, 18:01 Uhr
Entschuldigung Herr Bransbruno!

Als ich mein erstes Posting schrieb übersah ich den zweiten Begriff im Namen des Forums, nämlich "Nodinken" (Nachdenken) und das von Ihnen Berichtete ist tatsächlich zum Nachdenken geeignet.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Glück bei der Realisierung dessen, was sie sich vorgenommen haben!
Brombeer
schrieb am 07.05.2014, 17:53 Uhr
@ Bransbruno

werter Bransbruno,

mich würde freuen, wenn Sie Ihrem interessanten Eröffnungsbeitrag weitere Beiträge folgen ließen.

Wie sehen Sie die weiteren Perspektiven in Rumänien? Was müsste geschehen, um die Missstände in Griff zu bekommen?

Gruß Brombeer
glamour
schrieb am 01.04.2015, 22:46 Uhr
Ich muss sagen dass ich Ihnen da zustimme
gerri
schrieb am 01.04.2015, 23:27 Uhr
@ Das sind die Herrschaften,die meinen wir hätten was falsch gemacht an den Roma,Ihnen keine Chance gegeben sich zu integrieren.Nun wünsche ich Einem von Jenen viel Erfolg,oder ist Er gar nichtmehr vorort.

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