30. Oktober 2001

Prof. Harald Zimmermann: "Ob man (unsere) Geschichte neu schreiben muss?" (II)

In seinem Vortrag veranschaulichte Prof. Dr. Dr. Harald Zimmermann die Leistungen und Auslassungen siebenbürgisch-sächsischer Geschichtsschreibung am Beispiel des Deutschen Ritterordens im Burzenland. Das Ergebnis ernüchtere und deprimiere: Es sei fast egal, ob man ein Buch aus 1795 oder 1943 zur Hand nehme und entlarve die Historikerzunft. Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen ist nach Ansicht des Mediävisten Zimmermann wichtiger Teil der deutschen Geschichte. Im Folgenden der zweite und zugleich letzte Teil des Vortrages an der Münchner Universität.
Pathetische Erklärungen in aller Öffentlichkeit oder auch im Vorwort oder am Titel eines Buches sind sicher etwas anderes, als dann das tatsächliche Verhalten. Vergleicht man die genannten Geschichtsbücher in ihren konkreten Darstellungen der Fakten, dann begegnet kaum ein Unterschied. Ich habe das im Bezug auf die Episode des Deutschen Ritterordens im Burzenland gemacht, der bekanntlich 1211 von König Andreas II berufen, aber wegen verschiedenen Auseinandersetzungen schon 1225 wieder vertrieben worden ist. Bei Michael Kroner findet man nur einen kurzen Absatz. Das historische Ergebnis der Episode lautet: Die Ritter wurden vertrieben, die von ihm gerufen und angesiedelten deutschen Siedler durften bleiben. Fast ähnlich klingt es bei Roderich Gooß 1940. Da ist es nicht ein Satz, sondern nur ein Nebensatz zwischen zwei Kommata eingerückt. Bei Wittstock muss man vier Seiten lesen um am Ende zur Kenntnis zu nehmen, „dass die deutschen Kolonisten von Seiten der Könige Ungarns unangefochten blieben.“ Friedrich Müller schildert 1926 das Zerwürfnis des Ordens mit dem König auf fast zwei Seiten um zu schließen: „Die Ansiedler die sich im Burzenland niedergelassen hatten, blieben aber dort. Sonst sind von der Wirksamkeit des Ritterordens wenig Spuren vorhanden“. So bleibt das wesentliche Faktum gleich, ob 1926, 1943, 1940 oder 1976 geschrieben. Nirgendwo gibt es den Versuch einer ideologischen Wertung, höchstens eine allgemeine Losung kann man heraushören, sie heißt: Bleiben. Deswegen hätte man kein neues Buch schreiben müssen. So hat man schon bei Georg Daniel Teutsch nachlesen können, z.B. 1899 in der 3. abschließenden Auflage seiner Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk, die ich zu Hause habe. Auf Seite 24 liest man hier: "Die deutschen Ansiedler aber, die sie, die Ritter, ins Burzenland gesetzt hatten, erstarkten zu einem glücklichen und freien Gemeinwesen, Jahrhunderte hindurch eine feste Wehr der Grenzen und eine Zierde des Ungarischen Reiches." Mag sein, dass das in unseren Ohren zu vollmundig klingt und dass es mehr auf die Ursachen des Streites ankommt, die hier nicht behandelt worden sind. Ob der „wankelmütige“ König Andreas oder der „listige“ Hochmeister Hermann von Salza die Schuld trifft, dass man sich gestritten hat,
- weil die Ritter vom Königsboden in ihr Ordensland deutsche Siedler transferiert haben,
- weil sie Steinburgen statt Holzburgen gebaut haben. Wie hätten sie anders die Grenzen verteidigen sollen?
- weil sie das Münzrecht für sich in Anspruch genommen haben,
- weil sie als Geschenk angesehen haben, was ihnen nur im Sinne des Lehenrechtes , geliehen worden war.
Und dass sie in Rom Schutz suchten, und unter päpstlicher Protektion, wie später in Ostpreußen, einen eigenen Ordensstaat gründen wollten, unabhängig von Ungarn und vom ungarischen König. Einmütig haben 1943 und 1976 Oskar Wittstock und Thomas Nägler den Papst als den Schuldigen entlarvt. „Die ganze Haltung der Päpste in dieser Sache ist ein sprechender Beweis für die Skrupellosigkeit, mit der ihre Machtpolitik im Mittelalter die Schädigung welches Reiches auch immer ohne Zögern förderte, wenn dadurch ihre eigenen Stellung gestärkt wurde." So Oskar Wittstock. So aber konnte man schon 150 Jahre vorher lesen am Anfang der Geschichtsschreibung über den Orden in Siebenbürgen. Dieses Ergebnis ernüchtert und deprimiert. Wenn es also egal sein sollte, ob man ein Buch aus 1795, das in Göttingen erschienen ist, oder aus 1943, das in München erschienen ist, zur Hand nimmt, das Buch eines Kronstädter Sachsen oder eines Reichsdeutschen. Es entlarvt unsere Historikerzunft und verneint die Frage, ob man Geschichte immer wieder neu schreiben muss. Wozu eigentlich?

Nuancen ändern sich vor dem Hintergrund der Zeitumstände

Ich kann Ihnen versichern, dass es trotzdem großen Spaß macht, wie es mir Spaß gemacht hat, die rund 50 Bücher und Abhandlungen zu lesen, die in den letzten 200 Jahren streng wissenschaftlich oder auch populär über die Episode des Deutschen Ordens in Siebenbürgen auf deutsch, auf ungarisch oder auf rumänisch erschienen sind. Es macht Spaß zu beobachten, wie in einigen Publikationen der eine vom anderen abschreibt oder wie sich vor dem Hintergrund der Zeitumstände das Geschichtsbild um Nuancen verändert, wie sich der wissenschaftliche Fortschritt im Schneckentempo um Millimeter oder manchmal auch um Zentimeter fortbewegt. Alles höchst aufschlussreich für die jeweiligen Autoren und ihre Zeit. Eine kleine Geschichte der Geschichtsschreibung an einem winzig kleinen Beispiel demonstriert, das aber nicht unwichtig erscheint. Ob man also unsere Geschichte neu schreiben muss? Ob sich die Mühe lohnt, wegen einiger weniger neuer Erkenntnisse, wegen des Austausches von veralteten Worten und Begriffen durch moderne Worte und Begriffe. Wozu?
Vielleicht sollte ich Ihnen doch einen kleinen Einblick in die Geschichte unserer siebenbürgisch-sächsischen Geschichtsschreibung geben. Kritisch im echten Sinne des Wortes beginnt sie erst damals vor 200 Jahren, als man auch die vergessenen Episode des Deutschen Ordens im Burzenland wieder entdeckte. Und das hatte aktuelle Gründe. Seit Beginn des 16. Jahrhunderts gab es nur annalistische Aufzeichnungen über die selbst erlebte Zeit und einige wenige chronikalische Texte, die mehr oder weniger unreflektiert in die weitere Vergangenheit zurückführen. Wahrscheinlich ist Ihnen wegen des makabren biblischen Titels der „Würgengel“ des Hermannstädter Magistratsbeamten Mathias Miles von 1670 bekannt, der auf knapp drei Seiten am Anfang eine höchst unbefriedigende Einleitung zur Geschichte der Siebenbürger und der Siebenbürger Sachsen seit Noah liefert, und dann mit 1501 die eigentliche Darstellung der Geschichte Siebenbürgens, im 16. Jahrhundert, in der Zeit der Türkennot beginnen lässt, als Gott sein Volk durch den Würgengel plagen ließ. Aber ich will sie jetzt nicht mit einer langen Liste von Autoren langweilen und lasse es bei diesem Beispiel bewenden. Die Mehrzahl der Werke aus jener Frühzeit ist ohnehin ungedruckt.

Berühmtester Historiker Deutschlands befasst sich mit siebenbürgisch-sächsischer Geschichte

Als die Siebenbürger Sachsen am Ende des 18. Jahrhunderts den damals berühmtesten Historiker Deutschlands engagierten, den Göttinger Universitätsprofessor August Ludwig Schlözer, einen der Väter der kritischen Geschichtsforschung, an der damals modernsten und berühmtesten Universität Deutschlands, eben in Göttingen, dass er sich auch mit der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte befasse, hatte das seine besonderen Gründe. 1781 hatte Kaiser Josef II. das sogenannte Konzivilitätsdekret erlassen, das jedem seinen Untertanen erlaubte, sich in jedem beliebigen Ort der Habsburger Monarchie niederzulassen und ihm sofort mit der Niederlassung alle Bürgerrechte zustünden. Das widersprach stracks der siebenbürgisch-sächsischen Verfassung, wonach in den sächsischen Orden nur Deutsche bzw. Sachsen Bürgerrecht hatten. So war es im Adreanischen Freibrief 1224 festgelegt worden, der immer wieder bestätigt worden war, von jedem König seit 1224. So war es wohl auch schon bei der Ansiedlung unter König Geisa II. um 1150 vereinbart worden, und das geschah ganz analog zum hochmittelalterlichen Personalitätsprinzip im Rechtsleben, wonach das angeborenen Recht, das ius innatum, dem einzelnen Menschen an den Knochen haften bleibt, ius ossibus inhaeret, und überall hinbegleitet, überall im Rechtsfall angewendet werden musste, nicht wie später das Territorialitätsprinzip, das Recht des Landes. Eine deutsche Siedlung jenseits der deutschen Grenzen konnte also gar nicht bestehen, ohne Konzession des deutschen Rechtes, ohne dass die Obrigkeit, also der König das Ius Teutonicum konzedierte. So sind die Siebenbürger Sachsen von Broos bis Draas, unter eigenem deutschen Recht zur Nation geworden. Der Habsburger Aufklärungskaiser Josef II. aber hat 1784 die deutsche Universitätsnation, also den Zusammenschluss aller Deutschen in Siebenbürgen. Die Sachsen taten sich damit sehr schwer, mit dem Verlust ihrer seit der Ansiedlung bestehenden Rechtssituation.

Sachsengraf Albert Huet verteidigt bürgerliche Rechte

Die Verteidigung ihrer Rechte war bei den Siebenbürger Sachsen, wie übrigens sonstwo auch, der Antrieb zur Geschichtsschreibung gewesen. Die Geschichtsschreibung war zunächst eine Dienerin der Jurisprudenz. Viel wichtiger als die Episode des Deutschen Ordens in Siebenbürgen, über die Schlözer ein Kapitel mit 24 Seiten schrieb, war den Siebenbürger Sachsen damals, was er über den Andreanischen Freibrief zu sagen wusste auf 200 Seiten. Ähnlich wie am Ende des 18. Jahrhunderts war übrigens schon die Situation am Ende des 16. Jahrhunderts gewesen, als der Sachsengraf Albrecht Huet 1591 am 10. Juni in Weißenburg/Alba Iulia vor versammeltem Landtag und vor dem siebenbürgischen Fürsten Sigmund Báthori in berühmter Rede die Rechte der Siebenbürger Sachsen verteidigte, die eben nicht bloß Untertanen sondern freie mit Privilegien ausgestattete Bürger von Anfang an seien. Das richtete sich gegen die damalige ungarische Rechts- und Staatsauffassung, dass es im Stefansreich eben nur entweder voll berechtigte Adelige geben könnte, oder Untertanen. Da die Sachsen keinen Adeligen hatten und nicht adelig waren mussten sie, so wurde argumentiert, wohl Sklaven sein. Der juristisch und humanistisch geschulte Sachsengraf führte dagegen den römisch rechtlichen Begriff des civis, des freien Bürgers, ins Treffen und verknüpfte ihn, abgesehen von der Bibel, mit dem alten Adreanischen Freibrief und seinen Rechtsgarantien. In der deutschen Übersetzung des „Würgengels“ klingt das dann etwa verkürzt so: „Sie sagen, ihr seid nur Fremde und Gäste, nicht Einheimische und Bürger. Ihr seid nur Schuster, Schneider und Kürschner, nicht Krieger und Ritter. Darauf sage ich Albert Huet also: Es ist wahr, unsere Väter sind Gäste gewesen, laut des Königs Andre Privileg, das uns zum größen Ruhm und zur Ehre gereicht, weil wir von König Geisa eingeladen und auf dem dann mit dem Schwerte erworbenen Gut behalten worden sind. Darum sind wir längst nicht mehr Fremde, sondern wir sind Bürger und Einheimische des Landes."

Georg Daniel und Friedrich Teutsch liefern bislang unübertroffenes Gesamtbild

Schlözer hatte nur einzelne ausgewählte Kapitel der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte behandelt. Ein Gesamtbild der siebenbürgisch sächsischen Geschichte fehlte dann nach wie vor. Das konnte nicht in Göttingen geleistet werden. Ein solches Werk schreiben zu lassen, war das Problem des 1842 begründeten „Vereins für Siebenbürgische Landeskunde“. Georg Daniel Teutsch, damals Gymnasialprofessor in Schäßburg, später unser Bischof, unterzog sich dieser Aufgabe aufgrund eines Preisausschreibens und schon bei einer der nächsten Versammlungen des Landeskundevereins 1851 las er in Reps aus seinem Werke vor: „wie einst in Athen der Altvater der Geschichtsschreibung Herodot“. Man kann das auch heute noch nachempfinden, wenn man die „Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk“, von Georg Daniel Teutsch begonnen und von seinem Sohn Friedrich Teutsch fortgesetzt, liest. Eine gewaltige Leistung. Georg Daniel kam bis 1699. Friedrich Teutsch schilderte dann die Habsburgische Zeit bis 1918. Kein anderer unserer Historiker hat Ähnliches wie die beiden Teutsch zusammengebracht.
Ob man unsere Geschichte neu schreiben muss? Ein Nachdruck des Teutsch stammt von 1984 und ich wünschte, dass wenigstens die einbändige Kurzfassung, nachgedruckt 1964, von meinen Kindern und Enkelkindern gelesen werden sollte, wie ich es seinerzeit als Gymnasiast getan hatte. Gut, man macht den beiden Teutsch den Vorwurf, dass sie die Wirtschafts- und Sozialgeschichte fast gänzlich unbeachtet gelassen haben. Dazu fehlte freilich zu ihrer Zeit, also vor 150 Jahren, weniger das nötige Sensorium, als die Edition einschlägiger Quellen. Und sie fehlt weithin auch noch heute bzw. die Auswertung der gedruckten Quellen z.B. des Urkundenbuches von Franz Zimmermann und Gustav Gündisch. Das sind sieben Bände und reichen vom Anfang der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte, im Zeitalter Geisas II. bis 1486 mit insgesamt 4 687 gedruckten Urkunden. Welche deutsche Landschaft hat ein ähnliches Urkundenbuch vorzuweisen?

Sind Volk und Nation bloß eingebildete Gemeinschaften des 19. Jahrhunderts?

Man hat den beiden Teutsch weiters vorgeworfen, dass sie sich nur auf die Sachsen beschränkt und die Ungarn und Rumänen in Siebenbürgen weithin unbeachtet gelassen haben, also Volksgeschichte und nicht Landesgeschichte geschrieben haben. Dass das anders werden müsse, ist eine alte Forderung schon aus der Zwischenkriegszeit, z.B. von dem unvergeßlichen Karl Kurt Klein erhoben, und es war dann der Programmpunkt unseres 1962 neu gegründeten Landeskundevereins, wie aus der programmatischen Rede von Andreas Möckel zu ersehen ist, 1967 in unserem siebenbürgischen Archiv gedruckt. Lautstark und mit neuer Berechtigung wird das jetzt von Harald Roth angemahnt, dass man "ethnische Gruppeninteressen" hintansetzen und die "ethnozentrische" Geschichtsschreibung überwinden müsse, zumal Volk und Nation ohnehin bloß eingebildete Gemeinschaften des 19. Jahrhundert sind. Ich wage hier zu widersprechen. Harald Roth fordert eine echte Landesgeschichte und spricht gleichwohl von einer Utopie. Ich fürchte er hat Recht, so sehr ich eine solche Landesgeschichte begrüßen würde.
Die Teutschische "Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das Sächsische Volk", wandte sich bewusst eben an dieses sächsische Volk. Geschrieben in einer nicht leichten Zeit nach der ungeliebten Union Siebenbürgens mit Ungarn nach 1848, nach der endgültigen Auflösung der sächsischen Nationsuniversität 1876 sollte der Blick in die Vergangenheit stärken und zur Bewältigung der Gegenwart und hoffentlich auch der Zukunft helfen. Er sollte aufzeigen, dass trotz schwieriger Zeiten die Geschichte doch immer weiter gegangen sei und auch weiter gehen werde.
Vor dieser Aufgabe steht meines Erachtens die siebenbürgische Geschichtsschreibung auch noch heute und eigentlich jede Geschichtsschreibung, auch die ungarische, die rumänische und erst recht die deutsche hierzulande. Sicher ist es sinnvoll, Beiträge zu liefern für eine Geschichte Siebenbürgens, die nun ein Teil Rumäniens ist, wie sie ein Teil Ungarns gewesen ist, damit in der ungarischen und rumänischen Geschichtsschreibung nicht auf die Siebenbürger Sachsen vergessen werde. Aber das ist wohl nur die eine Seite der Medaille.

Geschichte der Siebenbürger Sachsen ist wichtiger Teil der deutschen Geschichte

Die Situation heute hat sich seit 1990 grundlegend geändert. Die Geschichte ist weitergegangen, wie sie immer weiter geht und hat dazu geführt, dass es in Siebenbürgen kaum mehr Siebenbürger Sachsen gibt. Sie sind dorthin zurückgekehrt, woher sie vor 850 Jahren ins Land gekommen waren, nämlich nach Deutschland an Mosel und Rhein. Man kann das betrauern, man kann es als logisches Ziel der Geschichte der Siebenbürger Sachsen begrüßen. Die Tatsache bleibt und ist irreversibel, und auch die beste Landesgeschichte Siebenbürgens wird daran nichts ändern.
Das bestimmt aber meines Erachtens nun die neue Beschäftigung mit unserer Geschichte. Mindestens ebenso wichtig wie eine Landesgeschichte Siebenbürgens wird es sein, hierzulande in Deutschland nicht vergessen zu lassen, dass ein kleiner Teil des deutschen Volkes 850 Jahre lang weit weg von den deutschen Grenzen gelebt und Geschichte gemacht hat, die ein Teil der deutschen Geschichte ist, und wie wir meinen sogar ein wichtiger Teil.
Geschichte hat immer memorialen Charakter. Erinnerung soll bleiben, soll festgehalten werden, weil sie zur Selbstvergewisserung dient. Wie das geschehen kann? Natürlich indem man Geschichte schreibt. Nicht unbedingt neu, aber alt nach der Forderung Leopold von Rankes, des Altmeisters der deutschen Geschichtsschreibung, „wie es eigentlich gewesen ist“. Als 1840 zur Gründung des siebenbürgisch-sächsischen Landeskundevereins nach Mediasch eingeladen wurde, da hieß es in der Einladung, es solle nur jeder kommen und sein Notizbuch an vaterländischem Wissen mitbringen, was er sich so angelesen und notiert habe in einem Sedezbändchen. Das ist ein ganz kleines Notizbuch. Also nicht gleich ein neuer Teutsch in vier Bänden ist notwendig, mit allen möglichen Zusätzen und Erweiterungen, wie sie zurecht angemahnt worden sind. Es ist etwas anderes, ob man für ein kleines Völkchen in Siebenbürgen schreibt, oder für Siebenbürger Sachsen und ihre Nachkommen, die in einer neuen Heimat etwas in ihrer alten Heimat wissen wollen. Einfach das Wissen darüber, wie es wirklich war, wie es eigentlich gewesen ist, ohne Schönfärberei, aber doch mit dem gehörigen Selbstbewusstsein, nicht in den wenigen Trümmern, die verfallende Kirchenburgen uns ansehen lassen, wenn sie nicht zu Weltkulturerben erhoben wurden, sondern in allen nötigen Details, die jeder kennen sollte, ob deutschstämmig oder deutsch, dem Lande oder dem Volk oder beiden verbunden. Es geht nicht um eine neue Sicht der Tatsachen, sondern um die Tatsachen selbst!
Ob man unsere Geschichte neu schreiben muss? Geschichte schreibt jedermann, und so kann ich nur damit schließen, dass ich Sie auffordere für sich, für die Kinder, für die Enkelkinder zusammenzutragen, wie es eigentlich, wie es wirklich gewesen ist, damit es dann vielleicht in eine Geschichte der Siebenbürger Sachsen und Siebenbürgens eingehen mag.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 17 vom 31. Oktober 2001, Seite 1, 4 und 5)

Link zum ersten Teil des Vortrages:
Siebenbürgische Zeitung-Online, 29. Oktober 2001


Tonmitschnitt: Landesgeschichte und Volksgeschichte
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