5. Juni 2002

Pioniere, kreative Köpfe, Gelehrte

In gebührend feierlichem Rahmen fand am Pfingstsonntag die diesjährige Preisverleihung in der St. Paulskirche zu Dinkelsbühl statt. Geehrt wurden Hans Reiner Polder mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis, Dr. Edit Szegedi und Armin Mühsam mit dem Ernst-Habermann-Preis, und Prof. Dr. Walter König mit der höchsten Auszeichnung, dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis. Die musikalische Umrahmung gestaltete das Barockensemble Transylvania, Klausenburg, in der Besetzung: István Nagy (Traverso), Zoltán Majó (Blockflöte), Erich Türk (Cembalo/Spinett) und Ilse L. Herbert (Violoncello/Gambe).
Zum Auftakt der Feierstunde spielte Transylvania ein Stück des zeitgenössischen Komponisten Hans Peter Türk mit dem bezeichnenden Titel Na wolle mer gohn (aus der Partita in stile antico). Die anklingende Aufbruchstimmung vermittelte das Ensemble durch seine schwungvolle Interpretation. Daran anknüpfend begrüßte Dr. Wilhelm Bruckner, Vorsitzender des Kulturpreisgerichts, die Veranstaltungsteilnehmer in einer kurzen Ansprache.
„Mit der Jugend in die Zukunft“ – unter diesem Motto stand der Heimattag 2002. So zeichnete denn auch die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) mitverantwortlich für Programm und Organisation. Unter dem gegenwärtigen Bundesjugendleiter der SJD, Rainer Lehni, übernahm die Jugend aber nicht nur Verantwortung. Vielmehr bereicherte ihr Beitrag den diesjährigen Heimattag, ja, setzte Impulse (Ausstellung „… next Generation“, Gospelmesse). Gewiss könnte die SJD heute nicht so vital auftreten, hätten nicht andere vormals die Voraussetzungen geschaffen. Einer dieser Pioniere wurde am Pfingstsonntag 2002 „als wesentlicher Initiator und Motor des Aufbaus der landsmannschaftlichen Jugendarbeit“ geehrt: Hans Reiner Polder. Der in Schäßburg geborene Elektrotechniker und Unternehmer wirkte in den Jahren zwischen 1978 und 1985. Als Bundesjugendreferent stellte er die Jugendarbeit auf eine breite Basis und bereitete die Gründung der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) vor. Für diese Leistungen und Verdienste wurde Hans Reiner Polder mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis 2002 ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Ines Grempels, Stellvertretende Bundesjugendleiterin der SJD.
Hans Reiner Polder. Foto: Günther Melzer
Hans Reiner Polder. Foto: Günther Melzer


Darin hob sie Polders „beispielhafte und zukunftsorientierte Pionierarbeit“ hervor. Ihm sei es zu verdanken, „dass es den Jugendverband Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland heute in seiner Form und Struktur gibt“. Polder habe sich mit Erfolg für eine aktive Rolle der Jugend in der Organisation und Gestaltung der alljährlichen Heimattage in Dinkelsbühl eingesetzt. Für sein langjähriges Engagement verliehen die beiden preisstiftenden Jugendverbände, die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland und Studium Transylvanicum, Hans Reiner Polder den Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis. Polder erinnerte in seinen Dankesworten an ehemalige Weggefährten. An hervorragender Stelle nannte er den heutigen Ehrenvorsitzenden Dr. Wolfgang Bonfert. Abschließend wünschte Polder „der jetzt aktiven, schlagkräftigen und tatkräftigen Jugendorganisation viel Glück auf ihrem Weg“.
Alle zwei Jahre (erstmals 1989) wird der von der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung ins Leben gerufene Ernst-Habermann-Preis verliehen. Dieser dotierte Preis ist seiner Bestimmung nach jungen Wissenschaftlern und Künstlern vorbehalten für überdurchschnittliche, Siebenbürgen bzw. die Siebenbürger Sachsen thematisierende Arbeiten. Die diesjährigen Preisträger sind die Historikerin Dr. Edit Szegedi sowie der Künstler Armin Mühsam. Edit Szegedi wird ausgezeichnet für ihre Dissertation „Geschichtsbewusstsein und Gruppenidentität. Die Historiographie der Siebenbürger Sachsen zwischen Barock und Aufklärung“, die von der Klausenburger Geschichtsfakultät mit der Bestnote „summa cum laude“ bewertet wurde. Mithin ist Edit Szegedi die erste Preisträgerin, die in Rumänien lebt und wirkt. Eine Premiere.
Edit Szegedi. Foto: Günther Melzer
Edit Szegedi. Foto: Günther Melzer


In Abwesenheit von Dr. Konrad Gündisch, Stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, der ursprünglich als Laudator angekündigt war, verlas Hans-Joachim Acker, Vorstandsmitglied der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung, dessen Redetext. Darin nahm Gündisch Bezug auf Szegedis Identität und Selbstverständnis. 1966 in Kovászna (im Szeklerland) geboren als Tochter einer ungarischen Mutter und eines sächsischen Vaters, wuchs Szegedi dreisprachig (Rumänisch, Ungarisch, Deutsch) auf. Der Besuch der Kronstädter Honterus-Schule prägte die angehende Wissenschaftlerin. Zwischen 1985 und 1989 studierte sie in Klausenburg Geschichte und Philosophie. An der hiesigen Fakultät für Geschichte promovierte Szegedi dann auch 2000, nach mehrjähriger Tätigkeit als Universitätsassistentin in Hermannstadt. Seit 1995 bietet Edit Szegedi an der Fakultät für Europäische Studien der Babeș-Bolyai-Universität in Klausenburg Vorlesungen und Seminare zur europäischen und zur deutschen Geschichte an - in rumänischer und deutscher Sprache. Schwerpunkte ihrer Arbeit, die sich in zahlreichen Veröffentlichungen dokumentiert, sind die Kirchengeschichte sowie die interethnischen Beziehungen in Ostmitteleuropa, im Besonderen Siebenbürgen. Die nun mit dem Ernst-Habermann-Preis gewürdigte Dissertation stelle, so Konrad Gündisch, ein Novum dar in der rumänischen und in der siebenbürgisch-sächsischen Historiographie, insofern diese sich der Frühen Neuzeit in Siebenbürgen zuwendet, einer von der Forschung gänzlich vernachlässigten Epoche. Dabei sei es Szegedi dank profunder Sprachkenntnisse gelungen, die gedruckten und ungedruckten Überlieferungen der siebenbürgischen Geschichtsschreibung zu erschließen und historiographisch einzuordnen. Unter Verzicht auf Monokausalität in Analyse und Darstellung habe sich Szegedi - entgegen einer ethnisch bestimmten Interpretation – von „Vorurteilslosigkeit und strenger Wissenschaftlichkeit“ leiten lassen. Im Urteil von Dr. Gündisch „trägt die historiographiegeschichtliche Arbeit von Edit Szegedi zur besseren Kenntnis und Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen bei“. In ihrer Danksagung wertete die Preisträgerin die Würdigung „als besondere Auszeichnung für die Wende-Historiographie“.
Die Umstände wollten es, dass Armin Mühsam, der ebenfalls mit dem Ernst-Habermann-Preis ausgezeichnet wurde, nicht anwesend sein konnte. Als Assistant Professor für Malerei an der Northwest Missouri State University, Maryville, Missouri liegt sein Lebensmittelpunkt derzeit in Amerika. Stellvertretend für den Künstler nahmen dessen Eltern den Preis entgegen. Der Ernst-Habermann-Preis wurde Mühsam zuerkannt für seine in den vergangenen beiden Jahren entstandenen Ölgemälde, zehn Arbeiten, Landschaften. Einige dieser Werke waren auf dem Heimattag im Rahmen der Ausstellung „ next Generation“ zu sehen.
Armin Mühsam ist mit seinen 33 Jahren bereits international renommiert, als Illustrator, Designer und vor allem als Maler. Der 1968 in Klausenburg geborene Künstler hat nach seiner Übersiedlung nach Deutschland (1977) an der Fachhochschule München Kommunikations-Design studiert. Nach Erwerb des Diploms ging Mühsam in die USA, wo er Druckgrafik und Malerei an der Montana State University in Bozeman studierte und mit dem Master of Fine Arts abschloss (1997).
Armin Mühsam.
Armin Mühsam.


Daneben war Mühsam künstlerisch aktiv, rastlos illustrierend, gestaltend und malend. Seine Schaffenskraft trug und trägt reife Früchte in Form diverser Ausstellungen sowie Veröffentlichungen seiner Werke in Literatur- und Kunstmagazinen. Für die Jahre zwischen 1997 und 2000 verschlug es ihn wieder nach München. Als Verantwortlicher Redakteur für bildende Kunst des Kulturmagazins Applaus und zudem als Dozent für Zeichnen und Malen nicht eben unterbeschäftigt, bewerkstelligt der Künstler unter anderem Einzelausstellungen in München: 1998 im Üblacker-Häusl als auch im Kunstforum Arabellapark, 1999 im Haus des Deutschen Ostens.
2000 ereilte ihn die Berufung zum Assistant Professor an der Northwest Missouri State University in Maryville. Dort übt Mühsam gegenwärtig eine Lehrtätigkeit für Malerei und Zeichnen aus. Selbstredend treibt der Siebenbürger Künstler seine Ausstellungstätigkeit ungehemmt voran.
In seiner Laudatio auf Armin Mühsam, den ersten bildenden Künstler, der den Ernst-Habermann-Preis erhält, zitierte Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster Kritiken aus der Fachpresse, so Ingrid Zimmermann, Süddeutsche Zeitung: „Armin Mühsams großformatige Öl- und Acrylbilder, in denen Farbe, Lichtführung und eine konsequent durchgehaltene Plastizität die Hauptrolle spielen, scheinen auf den ersten Blick handfest, materie-bezogen und der sichtbaren Wirklichkeit geweiht.“ – Schuster, in eigener Diktion, charakterisierte Mühsams Kunst als eine, „die nicht Landschaft abbildet, sondern gottgleich Land schafft, eine ‚Neue Welt‘ gestaltet. Denn jene Landschaften, die ausgezeichnet wurden, kann man nirgendwo in Natura betrachten, sondern nur auf diesen Bildern, und sie sind bei aller naturalistisch-realistischen Malweise von einer irritierenden Künstlichkeit.“
In der von seinem Vater verlesenen Danksagung reflektierte der Künstler über seine Identität: „Als was nehme ich diesen Preis entgegen, als Siebenbürger, als Deutscher oder gar als Amerikaner?“ - Dabei verwendete Mühsam Metaphern wie Baum und Zwiebel. Es verhielte sich mit seiner Identität, um im Bild zu bleiben, ähnlich wie mit konzentrischen Ringen oder Schalen: „Diese wachsen nach außen und erweitern, ergänzen, was im Kern bereits angelegt ist.“ Armin Mühsam plädierte eindringlich für Offenheit, die jede Gesellschaft benötige, um weiter zu wachsen.
Im Anschluss an ein musikalisches Intermezzo des Barockensembles Transylvania folgte die Verleihung des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises. Als bedeutendste Auszeichnung ehren die Landsmannschaften der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und in Österreich Persönlichkeiten, die sich durch ihr Lebenswerk als Siebenbürger Sachsen oder aber um Siebenbürgen, die Siebenbürger Sachsen und ihre Belange verdient gemacht haben. Diesjähriger Preisträger ist der Pädagoge und Zeithistoriker Prof. Dr. h. c. Walter König. Die Laudatio hielt Dr. Günther H. Tontsch, Vorstandsmitglied des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde.
Prof. König genießt hohe Reputation als Spezialist auf dem Gebiet des siebenbürgisch-sächsischen Schulwesens. Vielfach gewürdigt wurde sein Wirken für den Fortschritt von Wissenschaft und Forschung, ebenso sein Mitwirken in zahlreichen Gremien und Fachkreisen sowie das intensive ehrenamtliche Engagement des gebürtigen Hermannstädters. Am 25. Mai 2002 feierte der Gelehrte seinen 77. Geburtstag – hoch an der Zeit, diesen verdienten Wissenschaftler für sein Lebenswerk auszuzeichnen.
Prof. Dr. h. c. Walter König. Foto: Günther Melzer
Prof. Dr. h. c. Walter König. Foto: Günther Melzer


Walter König, Jahrgang 1925, gehört einer Generation an, die der Zweite Weltkrieg traumatisierte, zunächst in den zehn Monaten Kriegsdienst. Alsdann geriet der noch in Siebenbürgen ausgebildete Lehrer, bis 1946, in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Von 1953 bis 1958 studierte König in Tübingen und Berlin Pädagogik (mit Psychologie), Philosophie und Geschichte. Schon in dieser Zeit verschrieb sich der Studierende der siebenbürgischen Landeskunde. Damals fand sich eine Gruppe interessierter, junger Siebenbürger Sachsen zusammen auf der Suche nach der eigenen Identität, in Auseinandersetzung mit der Geschichte und Kultur ihrer Heimat Siebenbürgen. Aus eben dieser Gruppe entwickelte sich 1962 der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, zu deren Gründungsmitgliedern Walter König zählt: „Meine wissenschaftliche Tätigkeit im Bereich der Siebenbürgischen Landeskunde ist vom Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde nicht zu trennen. Sie erfolgte im Arbeitskreis, angeregt durch den Arbeitskreis und überwiegend für den Arbeitskreis und seine Publikationsorgane.“ Prof. König leistete einen maßgeblichen Beitrag zu der, wie Dr. Tontsch in seiner Laudatio formulierte, „Ausrichtung des Landeskundevereins hin auf eine Siebenbürgenforschung, für die die Region Siebenbürgen nicht als Reservat einer oder der anderen Bevölkerungsgruppe betrachtet wird, sondern als ein Forschungsobjekt multiethnischen und plurikonfessionellen Zusammenlebens“. Von 1984 bis 1994 amtierte König als Erster Vorsitzender des Landeskundevereins. Gleichermaßen „Wissenschaftsorganisator und Kulturmittler“ (Tontsch) ist es mit ein Verdienst von König, dass heute eine Abteilung des Vereins in Rumänien existiert, dass in Siebenbürgen und in Ungarn regelmäßig wissenschaftliche Veranstaltungen stattfinden, dass es Kooperationsvereinbarungen mit wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland und im Ausland gibt.
Günther Tontsch nannte weitere Belege für Königs nachhaltiges Wirken auf verschiedensten Feldern. So dessen Engagement im Kulturzentrum Gundelsheim zugunsten der Funktionsfähigkeit lokaler Einrichtungen, ob als langjähriger stellvertretender Vorsitzender des Vereins Siebenbürgisches Museum oder als Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats, ob als Mitglied im Kuratorium und in der Jury des Wissenschaftspreises der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat oder als Mitglied im Bundesvorstand der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen. Dabei galt immer, wie Tontsch hervorhob: „Alle diese Ehrenämter hat er nicht nur formal bekleidet, sondern aktiv ausgefüllt.“
Prof. König versah seine Forschungs- und Lehrtätigkeit von 1962 bis zu seiner Emeritierung im Herbst 1990 als Dozent und Professor an den Pädagogischen Hochschulen in Reutlingen und Ludwigsburg. Im Zuge seiner jahrzehntelangen Forschungsarbeit ist Walter König heute anerkannter Experte auf dem Gebiet des rumänischen Schulwesens wie des Minderheitenschulwesens. Seine Fachpublikationen sind Legion, und dabei war und ist König, so Tontsch, „alles andere, nur kein Wissenschaftler im Elfenbeinturm“. Die bisherigen Ehrungen wie das Bundesverdienstkreuz und die Ehrendoktorwürde der Hermannstädter Universität ergänzt nun der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis 2002. Der so Geehrte bedauerte außerordentlich, aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst, sondern durch seine Gemahlin Elisabeth König auf die Laudatio erwidern zu können. In Form eines Rechenschaftsberichts kennzeichnete König die aktuelle Situation der Siebenbürgischen Bibliothek und des Museums durchaus optimistisch. Und Walter König schloss mit dem Fazit: „Eine der Tugenden, die man den Siebenbürger Sachsen nachsagt, ist die Gemeinschaftsverantwortung, die Orientierung am Gemeinwohl. Die besonderen Leistungen erbrachten die Siebenbürger Sachsen nicht als einzelne, sondern als Gruppe. Und an diese Gemeinschaftsverantwortung, an das bürgerliche Engagement möchte ich auch im Blick auf unsere wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen, die zurzeit in Gundelsheim untergebracht sind, appellieren.“
Den Ausklang der zweistündigen Preisverleihung gestaltete das Ensemble Transylvania mit einem Satz aus Telemanns „Trio-Sonate in e-Moll“. Ein stimmiger Abschluss.

Christian Schoger

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