27. Juli 2002

Weltweiten Zusammenhalt gestärkt

„Transylvania Hofbräu Band“ und „Transylvania Jugendtanzgruppe“ aus Kitchener/Ontario (Kanada) gastieren mit großem Erfolg in Österreich und Deutschland / Föderationsvorsitzender Volker Dürr regt intensiveren Kulturaustausch an
Die „Transylvania Hofbräu Band“ und „Transylvania Jugendtanzgruppe“ aus Kitchener/Ontario bestritten im Rahmen des Kulturaustausches innerhalb der Föderation der Siebenbürger Sachsen zwischen dem 3. und 16. Juli acht Auftritte in Österreich und Deutschland. Dadurch wurde nicht nur der grenzübergreifende Zusammenhalt gestärkt, sondern auch siebenbürgisch-sächsische Kultur mit neuem Leben gefüllt. Dank des vielseitigen, publikumswirksamen Programms sprang der Funke siebenbürgisch-sächsischer Gemeinschaft sogleich über. Auf allen Stationen ihrer Tournee wurden die Gäste aus Übersee begeistert aufgenommen.
Transylvania Hofbräu-Band bei ihrem Konzert in Drabenderhöhe. Foto: Christian Melzer
Transylvania Hofbräu-Band bei ihrem Konzert in Drabenderhöhe. Foto: Christian Melzer

Ein voller Erfolg war auch das fast dreistündige Abschlusskonzert am 14. Juli im Kulturhaus „Hermann Oberth“ zu Drabenderhöhe. Rund 4 000 Landsleute und deren Nachkommen leben in dieser größten geschlossenen Siebenbürger-Sachsen-Siedlung außerhalb Siebenbürgens, betonte Herwig Bosch, Vorsitzender der Kreisgruppe Drabenderhöhe. Wiehls Bürgermeister Werner Becker-Bloningen bezeichnete die Siebenbürger ein herausragendes Beispiel dafür, dass ein Teil deutscher Geschichte so positiv besetzt sei. Vizelandrat Hagen Jobi wies auf die gemeinsamen Ziele der Siebenbürger in Kanada und Drabenderhöhe hin: den Erhalt dessen, was sie verloren hätten. Grüße von den Vereinigten Siebenbürger Blaskapellen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen überbrachte deren Vorsitzender Klaus Barthelmi.

Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen und Vorsitzender der Föderation der Siebenbürger Sachsen, überreichte der Blaskapelle und Tanzgruppe eine Urkunde. Mit dem Goldene Ehrenwappen der Landsmannschaft zeichnete er Dirigent Steve Schatz für sein jahrzehntelanges Wirken beim Aufbau der Blaskapelle und für seine Verdienste um die Pflege siebenbürgisch-sächsischer Traditionen aus. Dürr brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Siebenbürger eine Zukunft überall dort haben, wo sie leben.

Wichtigstes Anliegen seiner Landsleute sei der Erhalt der deutschen Sprache und der siebenbürgisch-sächsischen Kulturwerte, erklärte John Werner, Vorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, der zusammen mit seiner Ehefrau Helgard, die beiden kanadischen Gastgruppen leitete. Ein Zentrum des siebenbürgischen Kulturlebens habe sich im Transylvania Club Kitchener, Ontario, entwickelt. Dort funktionieren Tanzgruppe, Chor, Blaskapelle, Theatergruppe und deutsche Sprachschule. Schon 1968 hatte der „Transylvania-Chor“ aus Kitchener eine beachtliche Europa-Tournee unternommen, es folgten vier weitere Reisen auf den alten Kontinent. Heuer bestritten nun erstmals die Hofbräu-Band und die Tanzgruppe aus Kitchener den weltweiten Kulturaustausch zwischen den Siebenbürger Sachsen.
Transylvania Jugendtanzgruppe aus Kitchener (Kanada) begeisterte mit schwungvollen Tänzen. Foto: Christian Melzer
Transylvania Jugendtanzgruppe aus Kitchener (Kanada) begeisterte mit schwungvollen Tänzen. Foto: Christian Melzer

1952 hatten der Musikprofessor Walter Scholtes und Organisator John Werner die „Transylvania Brass Band“ gegründet. Kurz nach deren Auflösung 1966 rief Steve Schatz mit 16 weiteren Musikanten die „Transylvania Hofbräu Band“ ins Leben. 1969 beteiligte sie sich als erste und einzige deutsche Kapelle am Oktoberfest in Kitchener. 1971 nahm sie eine Schallplatte auf und Anfang der neunziger Jahre ein zweistündiges Fernsehprogramm, das immer wieder ausgestrahlt wurde. Die Hälfte der zurzeit 30 Musikerinnen und Musiker sind Siebenbürger, die anderen sind Kanadier, Deutsche, Schweizer und Portugiesen - ein Zeichen, dass die Siebenbürger auch heute sehr gut mit anderen Völkern auskommen.

Ihr vielseitiges Repertoire brachten die kanadischen Gastgruppen in Bad Hall, Traun, Vöcklabruck, Elixhausen (Österreich) sowie in Augsburg, Dinkelsbühl, Setterich und Drabenderhöhe (Deutschland) zu Gehör und zur Schau. Eröffnet wurden die Konzerte jeweils mit der Polka „Grüß Gott, ihr Freunde“ von Georg Schorsch, wobei Solosänger Franz Schulz bereits von Anfang an das Publikum begeisterte. Ron Schatz spielte in einem virtuosen Trompetensolo die Coburger Polka von Adolf Angst, Franz Kissling steuerte ein Solo am Tenorhorn zur „Bayerischen Polka“ von Georg Lohmann bei. Bekannte Melodien entführten die Zuschauer von der ungarischen Puszta über den Wiener Wald (Johann Strauß) und Operettenmelodien von Emmerich Kalmann bis hin zum Musical „Don’t Cry For Me Argentina“ von Andrew Lloyd Webber. Höhepunkt der Abende war das Potpourri „Gruß aus Siebenbürgen“ mit den Melodien „Äm Hontertstroch“, „Et saß e kli wäld Vijeltchen“, „Reklich Med“, Siebenbürgen-Lied u.a., in einem Arrangement von Walter Scholtes, dem Gründer der siebenbürgischen Blaskapelle in Kitchener. Durch donnernden Applaus und anhaltende „Zugabe“-Rufe wurden immer wieder Zugaben der Blaskapelle erzwungen.

Die „Transylvania Jugendtanzgruppe“ bot den „Siebenschritt“, „Siebenbürger Mädel“ und eine Zusammenfassung anderer beliebter Tänze aus Siebenbürgen. Die sieben Tanzpaare sind fast ausschließlich Siebenbürger Sachsen, die bereits in der Kindertanzgruppe Kitchener mitwirkten, sich wöchentlich zu Tanzproben treffen und auch in der Freizeit vieles gemeinsam unternehmen. „Die Aufnahme durch das Publikum in Österreich und Deutschland hat uns zu hohen Leistungen angespornt“, erklärte Tanzgruppenleiter Michael Griebenow gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung.

Sichtbare Bestätigung des Zusammenhalts

John Werner dankte allen Gastgebern in Österreich und Deutschland: Sie hätten nicht nur ihre Häuser, „sondern auch ihre Herzen für uns geöffnet“. Nach dem Abschlusskonzert in Drabenderhöhe erklärte Werner: „Wir alle brauchen von Zeit zu Zeit die sichtbare Bestätigung, dass wir nicht allein stehen, sondern dass noch viele andere da sind, mit der gleichen Herkunft, den gleichen Sitten und Gebräuchen, der gleichen Muttersprache, dem gleichen Glauben und den gleichen Sorgen um unsere Lieben, die noch dort im Karpatenbogen leben.“ Und weiter: „Mögen diese Stunden uns allen neue Kräfte schenken, unseren Dienst an der Gemeinschaft noch gewissenhafter zu tun und nicht den Mut verlieren, wenn Stunden der Enttäuschung und des mangelnden Erfolges kommen.“ Von der Tournee erhofft sich Werner neue Impulse für die Jugendarbeit in Kanada: Die Jugendlichen seien der siebenbürgischen Sache auf den Geschmack gekommen und würden sich nun sicherlich verstärkt am Föderationsjugendlager beteiligen.
Grenzübergreifender Kulturaustausch der Siebenbürgher Sachsen: Stehender Applaus für die „Transylvania Hofbräu-Band“ im Kulturheim Hermann Oberth zu Drabenderhöhe. Foto: Christian Melzer
Grenzübergreifender Kulturaustausch der Siebenbürgher Sachsen: Stehender Applaus für die „Transylvania Hofbräu-Band“ im Kulturheim Hermann Oberth zu Drabenderhöhe. Foto: Christian Melzer

„Es war wie im Paradies“, fasste Steve Schatz seine Eindrücke gegenüber dieser Zeitung zusammen. Überall sei man herzlich empfangen worden, das Publikum sei hervorragend gewesen und habe die Gruppe mit stehendem Applaus belohnt.

Nach den Auftritten in Österreich machten die Gäste zunächst in München Station. Sie erkundeten die bayerische Metropole mit Stadtführung und individuell mit den jeweiligen Gasteltern. In der Begegnungsstätte der Siebenbürger Sachsen in der Karlstraße wurden sie von Bundesgeschäftsführer Erhard Graeff empfangen, bayerisches Lebensgefühl erlebten sie in einem Biergarten, zudem verbrachten viele Kanadier gemeinsam mit ihren Gastgebern einen Abend in der sächsischen Rockenstube.

Am 11. Juli besichtigten sie in einer zweistündigen Stadtführung Augsburg und wurden anschließend im Reese-Theater von der Kreisgruppe Augsburg mit siebenbürgischen Spezialitäten empfangen. Dort begeisterten die Gäste mit ihren gut zweistündigen Darbietungen. John Werner und der Kreisgruppenvorsitzende Jürgen Scheiber freuten sich in ihren Grußworten ebenso wie die stellvertretende Landesvorsitzende Hannelore Scheiber in ihrem abschließenden Dankeswort über den neu belebten Zusammenhalt.

Einheimische in den Kulturaustausch einbezogen

In Dinkelsbühl, der Partnerstadt der Siebenbürger Sachsen, wurden die Gäste aus Übersee tags darauf, am 12. Juli, von Bürgermeisterin Hildegard Beck empfangen. Frau Beck und Pressereferentin Ingrid Metzner präsentierten die Geschichte der Stadt und der sommerlichen Festspiele, der „Kinderzeche“. Nach Grußworten von John Werner und Johann Schuller, Vorsitzender der Kreisgruppe Dinkelsbühl-Feuchtwangen, begaben sich die Gäste zur Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen, an der John Werner in bewegenden Worten aller verstorbenen Siebenbürger in der ganzen Welt gedachte. Die „Hofbräu-Band“ spielte passend zum tief ergreifenden Anlass „Ich hatt‘ einen Kameraden“. Vor der Schranne boten Blaskapelle und Tanzguppe ein einstündiges Programm, das auch viele Einheimische genossen. Bei herrlichem Wetter begaben sich die Gäste sodann gemeinsam im Festzug, in Begleitung der Honoratioren und Stadtkapelle, zur offiziellen Eröffnung der „Kinderzeche“ auf die Schießwasen. Für ihre musikalische Einlage im Festzelt ernteten die Kanadier tosenden Beifall. Von den 21 Gastfamilien in Dinkelsbühl waren übrigens fünf von der Knabenkapelle, die vor zwei Jahren in Kitchener gastiert und Freundschaften mit dortigen Siebenbürgern geschlossen hatten. Die Einheimischen wurden hervorragend in den siebenbürgischen Kulturaustausch mit einbezogen, freute sich Johann Schuller gegenüber dieser Zeitung.

Nach Besichtigung des siebenbürgischen Kulturzentrums in Gundelsheim traten die Gäste am 13. Juli im Parkrestaurant Werden in Setterich auf. Rund 200 Zuschauer, darunter der Bürgermeister der Stadt Baesweiler, Dr. Willi Linkens, seine beiden Stellvertreter, der Ehrenvorsitzende der Kreisgruppe, Johann Graffi, der stellvertretende Vorsitzende der Landesgruppe, Friedrich Ziegler, und Landesgeschäftsführerin Renate Franchy, hatten sich dort eingefunden. Bei ihrem Besuch 1973 in Kitchener hatte die Blasmusikkapelle Setterich den ersten Preis beim Umzug des zweitgrößten Oktoberfestes der Welt erzielt. Der jetzige Besuch könne demnach als Gegenbesuch betrachtet werden, betonte Bernd Schmidt, Vorsitzender der Kreisgruppe Setterich, in seinem Grußwort.

Der Schirmherr der Veranstaltung, Linkens, erklärte, dass die Musik den Siebenbürger Sachsen wohl im Blut liegen müsste, egal ob sie in Kanada, Österreich oder Setterich zu Hause wären. Den siebenbürgischen Gruppen in Setterich dankte er für die gute Zusammenarbeit. Dem Bundesvorsitzenden Werner und dem Dirigenten Schatz überreichte Linkens als Erinnerung ein Wappenbrett mit dem Stadtwappen von Baesweiler. Der Vorstand der Kreisgruppe schenkte Werner, Schatz und dem Tanzgruppenleiter jeweils ein Exemplar des Settericher Buches „Heimat verloren – Heimat gefunden“ und jedem kanadischen Gast eine Tasse mit dem Aufkleber „Zur Erinnerung an die Kreisgruppe Setterich – 13.07.2002“. Der äußerst gelungene Auftritt ermöglichte allen einen wunderbaren Abend der Erinnerung und des Mitsingens. Am Sonntag, dem 14. Juli, besichtigten die Gäste die Stadt Aachen, bevor sie nach Drabenderhöhe weiterfuhren. Die Kreisgruppe Setterich dankt allen Gastgebern und der Blasmusikkapelle Siebenbürgen für die Mitwirkung beim Empfang der Gäste.

Nach dem eingangs erwähnten Konzert in Drabenderhöhe besuchten die Gäste am letzten Tag Köln. Pfarrer i. R. Kurt Franchy, Vorsitzender des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben, zeigte den kanadischen Gästen die Sehenswürdigkeiten der Rhein-Metropole. Für die nur Englisch sprechenden Teilnehmer gab es eine Führung in englischer Sprache. Wieder zurück in Drabenderhöhe, wurden die Kanadier von Kurt Franchy und der Heimmutter Sigrid Göckel im Altenheim Siebenbürgen begrüßt. Anschließend erfreuten sie die Bewohner des Altenheimes Siebenbürgen mit ihren Darbietungen. Danach besuchten sie das Deutsch-Siebenbürgische Heimatwerk im Keller des Altenheims und die Heimatstube im Kulturhaus Hermann Oberth, in dessen schön gedecktem, großen Saal auch der gemütliche Abschlussabend stattfand.

Alle siebenbürgischen Vereine aus Drabenderhöhe waren in gedeihlicher Zusammenarbeit an der Gestaltung des Abend beteiligt. Bundesfrauenreferentin Enni Janesch, die für die Organisation in Drabenderhöhe verantwortlich war, stellte die Vereine mit ihre jeweiligen Vorsitzenden vor und dankte allen für die Bewirtung und Unterbringung der Gäste. Mit dabei waren: der Adele-Zay-Hilfsverein, das Hilfskomitee, der Frauenverein, der Honterus-Chor, die siebenbürgische Trachtenkapelle, die Volkstanzgruppe und der Kreisvorstand der Landsmannschaft. Pfarrer Kurt Franchy überreichte im Namen des Hilfskomitees jedem Gast aus Kanada eine CD mit Orgelmusik aus Siebenbürgen und eine CD von der Siebenbürgischen Kantorei als Geschenk. John Werner dankte gleichfalls mit Geschenken für die herzliche Aufnahme. Ein kleines Programm schloss sich an, gestaltet vom Honterus-Chor, der Volkstanzgruppe und der Trachtenkapelle Drabenderhöhe.

Der Föderationsvorsitzende Volker Dürr verabschiedete die Gäste aus Kanada und regte an, den grenzübergreifenden Kulturaustausch zu intensivieren und eventuell einen kürzeren Turnus der Besuche einzuführen.

Bis in die frühen Morgenstunden tanzten und saßen noch viele gemütlich bei angeregten Gesprächen beisammen. Schon um 5.30 Uhr ging es tags darauf weiter zum Flughafen nach Düsseldorf. Enni Janesch schildert die Abschiedsszenen: „Im Dunkeln verabschiedeten sich die Freunde voneinander. Ein letztes Lebewohl, die Gastgeber winkten den abfahrenden Gästen nach und hofften auf ein Wiedersehen in Kanada. Neue Freundschaften waren entstanden, alte Freundschaften vertieft worden. Trotz des dicht gedrängten Programms hatte man schöne Stunden des Beisammenseins verbracht. Nach den Aussagen der Kanadier war es für sie eine großartige Tournee gewesen.“

Siegbert Bruss
Gabi Weber


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2002, Seite 1 und 2)

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