3. Oktober 2002

Reaktionen zum Artikel "Suche, es gibt noch Dümmere... " (II)

Zum Artikel „Suche, es gibt noch Dümmere...“ von Dr. Claus Stephani und zu den ersten Reaktionen darauf haben sich mehrere Leserinnen und Leser, darunter Maria Bruckner, die Ehefrau des Ehrenvorsitzenden der Landsmannschaft, Dr. Wilhelm Bruckner, und der Schriftsteller Hans Bergel, zu Wort gemeldet. Drei Leserbriefe werden weiter unten veröffentlicht.
Als "Binnendeutsche" angesprochen

Ich bin seit 56 Jahren mit einem Siebenbürger Sachsen verheiratet, der Mitbegründer der Landsmannschaft ist und stellvertretender und später Bundesvorsitzender war. So habe ich seine Tätigkeit für unsere Landsleute nicht nur miterlebt, sondern auch mitgetragen. Als ich den Artikel von Herrn Stephani las, war ich empört; empört darüber, dass ein Spätaussiedler pauschale, weil eigentlich nur negative Urteile über Wissen, Professoren, Lehrer, Studenten, Schüler und Schulen in Deutschland zu Papier bringt. Die Leserzuschriften in der Siebenbürgischen Zeitung vom 15. September zeigen überdeutlich, dass gottlob nicht alle Siebenbürger so überheblich urteilen.

Auch ich habe in meiner Schulzeit am Gymnasium teilweise sehr gute Lehrer gehabt, für die es manchmal gefährlich war, der Jugend den richtigen Weg im Dritten Reich zu zeigen. In den schwierigen Nachkriegsjahren an der Münchner Universität, die zum Teil zerbombt war, haben die Professoren, z.B. der spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard, alles getan, um den Unterricht durchzuführen. Ich erinnere mich gut an die ersten Jahre nach Kriegsende, als die "echten siebenbürgischen Flüchtlinge" - meist nur mit kaum mehr als dem, was sie am Körper trugen - kamen: dankbar für jede Hilfe, bescheiden und glücklich darüber, wenn die Landsmannschaft ihnen weiterhelfen konnte. Die Aussiedler der letzten Jahrzehnte wussten sehr genau, was Deutschland ihnen geben muss, was ihnen zusteht - vielleicht sollte man ein wenig toleranter mit den "dummen Deutschen" sein.

Ich habe mich umgehört: den Artikel von Herrn Stephani haben viele Siebenbürger nicht gelesen. Da kann ich nur hoffen, dass auch Einheimische ihn nicht gelesen haben.

Maria Bruckner, München


Barbaren von altersher?

Ich beglückwünsche Claus Stephani zur Klarheit, zur Sachargumentation und nicht zuletzt zum Ernst seines Textes. Aus jeder Zeile spricht die Sorge, die er sich in Hinsicht auf Gegenwart und Zukunft der Deutschen als Gesellschaft insgesamt macht, auch um das Ansehen der Deutschen in der Welt.

Ich muss - leider - alles, war er anführt, m. m. aus eigener Erfahrung bestätigen. Zunächst weiß ich aus vielen Auslandaufenthalten und Kontakten mit Intellektuellen, wie distanziert dort über das deutsche Mittel- und Hochschulwesen geurteilt wird: Es sei nicht im entferntesten zu vergleichen mit den Ansprüchen, die es in diesem Bereich in Italien, Frankreich, Großbritannien, den USA u.a.O. gäbe; keine einzige deutsche Uni erreiche das Niveau der Universitäten in Bologna, Paris, Oxford oder einer der US-amerikanischen Elite-Unis.

Hinzu kommen Beobachtungen, die ich z.B. bei Vortragsreisen in Deutschland mache. Wenn etwa in einer niedersächsischen Stadt während der Diskussion mit Studenten nach meinem Vortrag von mir Schillers "Räuber" genannt werden und mich ein Kunstgeschichte-Studiosus im vierten Semester treuherzig fragt: "Bitte, was ist das 'Die Räuber'?" und ich vor zweihundert deutschen Studenten erklären muss, was mir ehemals der Lehrer am Honterusgymnasium im vierzehnten Lebensjahr beibrachte, dann spiegelt das einen Zustand geradezu barbarischer Bildungslosigkeit wider.

Sollte Hölderlins berühmtes Urteil im "Hyperion" nach wie vor gelten, wenn er diesen an Bellarmin über die Deutschen schreiben lässt: "Barbaren von altersher"? Ich erspare mir die Anführung weiterer Beispiele, die mir beliebig zu Gebote stünden.

Die Pisa-Studie hat zweifellos den Deutschen einen Spiegel über ihr heutiges geistiges Befinden vorgehalten, den sie sich selbst, "illusionslüstern" wie eh und je - so ein britischer Journalist -, nie vorhalten würden. Die Misere des gegenwärtigen deutschen Schulbildungsniveaus werden im internationalen Wettbewerb auf brutale Weise die jüngeren Generationen zu spüren bekommen - auch wenn diese, wie es neuerdings heißt, wieder Fleiß, Lerndisziplin und Leistungsbereitschaft zeigen. Die bisherigen Versäumnisse sind ohne Schaden nicht zu überbrücken, weil "die Anderen" nicht auf uns warten.

Noch einmal: Respekt und Glückwunsch für Stephanis Mut, die Dinge beim Namen zu nennen.

Hans Bergel, Gröbenzell


Schwer verdauliche Kritik

Zu den Reaktionen auf den Artikel "Suche, es gibt noch Dümmere..." von Claus Stephani, veröffentlicht in der Siebenbürgischen Zeitung vom 15. September 2002, Seite 12, sollte meines Erachtens einiges zurechtgerückt werden. Ich war zehn Jahre lang Lehrer in Rumänien und bin es seit 14 Jahren auch in Bayern. Vielleicht steht es mir aus diesem Grund zu, mich diesbezüglich zu äußern: Es mag schon sein, dass sich der Autor des Artikels etwas rustikal ausdrückt. Trotzdem hat er mit seinen Beispielen leider Recht!

Konkret: Das heutige deutsche Bildungssystem ist von der 68-er Generation geprägt, die mit Ceausescu oder dem Prager Frühling nichts am Hut hatte oder hat. Es war vielmehr eine Revolte gegen - so wurde es damals genannt - den autoritären Staat. Danach hat sich u.a. der falsch verstandene Liberalismus auch im Bildungswesen durchgesetzt. Da Letzteres Sache der Bundesländer ist, gibt es große Diskrepanzen zwischen den Ländern, was logischerweise nur mit einer Politisierung dieses Bereiches zu erklären ist. Wir sprechen - auch in dieser Hinsicht - von einem Nord-Süd-Gefälle. Dennoch haben Vertreter der 68-er Generation zum großen Teil die Oberhand auch im bayerischen Bildungssystem. Was sie wollen? Den Schülern die Methodik des Lernens beibringen, durch welche der Nachwuchs seine erlernten Kenntnisse handlungsorientiert verwerten soll. Unglücklicherweise haben diese Schüler aber kaum etwas gelernt. Was sollen sie da anwenden bzw. praktisch verwerten? Genau hier liegt das Dilemma dieses "Bildungssystems". In dieser Richtung werden auch die Refendare ausgebildet. Ich weiß, wovon ich spreche, da meine Wenigkeit durch das zweite Studium alles hautnah erlebt hat. Seltsamerweise will es nach der Veröffentlichung der Pisa-Studie keiner wahrhaben. Kritik ist eben kaum verdaulich!

Natürlich ist Deutschland ein wunderbares Land (Jutta Fabritius), allerdings überschätzt Gustav Wonner jun. den sogenannten sozialistischen Einfluss in der Erziehung der damaligen Generationen. Ich selber habe mit Einheimischen - obwohl im Lehramt - nur müde geschmunzelt. Gefährlicher scheint mir die so genannte indirekte Indoktrination durch die Medien in Deutschland. Man sehe dazu die Angestellten des Westdeutschen Rundfunks (die mit einer Ausnahme rot sind) oder des NDR (86% Rot, Quelle: Welt am Sonntag).

Walter-Georg Kauntz, München


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 15 vom 30. September 2002, Seite 12)

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