25. Oktober 2002

Kulturreferententagung in München thematisiert Kirchenburgen

Unter dem Titel "Kirchenburgen - Gemeinschaftsleistung der Siebenbürger Sachsen" veranstaltete das Bundeskulturreferat der Landsmannschaft vom 18. bis 20. Oktober im St.-Pius-Kolleg in München die im zweijährigen Turnus stattfindende Kulturreferententagung.
34 Teilnehmer, vornehmlich ehrenamtliche Kulturreferenten aus Bayern und Baden-Württemberg, waren am Freitagnachmittag angereist, sei es primär aus Begeisterung für Kirchenburgen, sei es um des kollegialen Erfahrungsaustauschs willen. Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster, der für die Konzeption und Organisation der Veranstaltung verantwortlich zeichnete, setzte durch die Wahl des Tagungsortes, die Zusammenstellung des Programms und seine souveräne Tagungsleitung günstige Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Veranstaltung.
Tagung im St.-Pius-Kolleg: Dr. Gabriele Mergenthaler referiert (Bildmitte), zu ihrer Linken Hans-Werner Schuster. Foto: Christian Schoger.
Tagung im St.-Pius-Kolleg: Dr. Gabriele Mergenthaler referiert (Bildmitte), zu ihrer Linken Hans-Werner Schuster. Foto: Christian Schoger.

"Sind die siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen einzigartig in der Welt?", fragte Dr. Michael Kroner sich und die Tagungsteilnehmer zu Beginn seines Vortrags am Freitagabend. Eine rhetorische Frage, angesichts des Referattitels Kirchenburgen - nicht nur ein siebenbürgisches Phänomen Wie der gebürtige Weißkircher Historiker und Autor der Heftreihe Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen schon andernorts aufzeigte, sind "Wehrkirchen und befestigte Kirchhöfe eine gesamteuropäische Erscheinung und können ebenso auch in den christlichen Gebieten des Nahen Ostens nachgewiesen werden". Im Unterschied zu vergleichbaren Bauwerken in Skandinavien, auf den Britischen Inseln, in Spanien, Portugal, Italien, Frankreich oder Deutschland seien die Kirchenburgen Siebenbürgens allenfalls mächtiger und besser erhalten. Im Anschluss an seinen Vortrag präsentierte und kommentierte Dr. Kroner Dias, die die Existenz von Wehrkirchen in Franken (63 allein im Kreis Ansbach) nachdrücklich belegen. Dessen ungeachtet seien die siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen gleichermaßen "wertvolle Denkmalzeugnisse des allgemeinen Wehrkirchenbaus" und, symbolisch gedeutet, "Zeugnisse eines jahrhundertelangen Behauptungswillens gegen die Widrigkeiten des auferlegten Schicksals in einer fremdvölkischen Umwelt".

Wie ist es um den Erhalt der Kirchenburgen in Siebenbürgen bestellt? Eine schonungslose Bestandsaufnahme präsentierte Dr. Gabriele Mergenthaler in ihrem Vortrag am Samstagvormittag. Die Referentin war eigens aus Hermannstadt angereist, wo sie als Leiterin der Bauabteilung im Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien insbesondere für die Sicherung und Renovierung der Kirchenburgen in Siebenbürgen verantwortlich ist. Mancher Teilnehmer bestaunte das engagierte Auftreten der Architektin und Denkmalpflegerin, einer gebürtigen Bad Kreuznacherin (Rheinland-Pfalz), mithin nicht siebenbürgischer Abstammung, für die Bewahrung siebenbürgisch-sächsischer Baudenkmäler. Unter dem Titel Preisgeben, Sichern, Konservieren ...? - Zur Situation der kirchlichen Denkmalpflege in Siebenbürgen berichtete Dr. Mergenthaler über den zunehmenden Verlust an Denkmalsubstanz, der in den Dörfern verstärkt zu beobachten sei. An drastisch-konkreten Beispielen veranschaulichte die Bauleiterin die Probleme der Denkmalpflege in Siebenbürgen. Es fehle an allem, an Organisation, Finanzen, Personal und Kompetenz. Exemplarisch führte die Referentin die vom Verfall bedrohten Kirchen in Reps, Stein und Meeburg an. Holzzerstörende Pilze, mafiaähnlich organisierte Kunstdiebe, dilettantisch ausgeführte Bauarbeiten, die Gefahrenquellen sind vielfältig. Die Landeskirche könne die notwendigen Sanierungsmaßnahmen unmöglich allein finanzieren und sei daher auf Hilfe vom Staat, der staatlichen Denkmalpflege, den Heimatortsgemeinschaften, Stiftungen, Privatpersonen und ausländischen Kirchen angewiesen. In Bezug auf die fortschreitende touristische Erschließung Siebenbürgens prophezeite Dr. Mergenthaler zusätzliche Einnahmen, "denn die Denkmalpflege ist nicht nur ein historischer, technischer und moralischer Anspruch, sondern auch ein großer Wirtschaftsfaktor." Die sich unmittelbar anschließende Diskussionsrunde war gekennzeichnet von leidenschaftlichen Plädoyers für den Erhalt der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen.

In Vertretung des krankheitsbedingt ausgefallenen Referenten Dr. Machat referierte der Journalist und Publizist, Friedrich Schuster, zum Thema: Die UNESCO und das Weltkulturerbe in Siebenbürgen - Denkmalschutz und Denkmalpflege heute. Seines Zeichens ehemaliger Projektarchivar und Koordinator der vom Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat durchgeführten Dokumentation siebenbürgisch-sächsischen Kulturgutes sowie Redakteur der Buchreihe Denkmaltopographie Siebenbürgen, rückte Schuster die Dokumentation als Voraussetzung und Grundlage des Denkmalschutzes ins Zentrum seines Vortrags. Friedrich Schuster vermeldete, gleichsam als Zwischenbilanz, dass aus der bisher geleisteten Dokumentationsarbeit 20 000 in Karteikarten erfasste Objekte, 60 000 Fotos sowie 100 000 Bauaufmaße resultierten. In die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO seien insgesamt sechs Kirchenburgen und das Weichbild von Birthälm aufgenommen worden.

Im weiteren Verlauf der Tagung nahm die Kulturreferentin für Südosteuropa, Dr. Swantje Volkmann, die Gelegenheit wahr, das Zentralmuseum in Ulm, an dem sie seit 2002 im Auftrag des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien tätig ist, sowie ihre Aufgabengebiete vorzustellen. Bei ihrer "Mission", breiten Bevölkerungsschichten die Geschichte und Kultur der deutschen Siedlungsgebiete in Südosteuropa zu vermitteln, leiste sie Bildungsarbeit, Medienarbeit und, koordiniert mit den Landsmannschaften, Breitenarbeit. Freilich auch in Zusammenarbeit mit den südosteuropäischen Herkunftsländern. Im Donauschwäbischen Zentralmuseum realisiert die Kunsthistorikerin und Historikerin nicht zuletzt Begleitprogramme für Sonderausstellungen. Vor dem Hintergrund dieses wahrlich anspruchsvollen Kompetenzbereiches rief Dr. Swantje Volkmann die anwesenden Kulturreferenten dazu auf, Kulturerhalt und -pflege als Brückenfunktion zu nutzen.

Ein Diavortrag von Martin Rill, Historiker und seit 1998 Mitarbeiter des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm, über die Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgen beschloss das Tagungsprogramm für den Samstag. Rills Präsentation diente den Teilnehmern modellhaft zur Orientierung für einen noch zu erstellenden Diavortrag, der nach Fertigstellung zu Vorführungszwecken angefordert werden kann.

Ein weiteres Projekt wurde am Sonntagvormittag angestoßen, nämlich die Dokumentation siebenbürgisch-sächsischer Kulturveranstaltungen. Dazu bot sich ein Teilnehmer an, ein Archiv aufzubauen. Als Arbeitsmaterial wurden ferner das Faltblatt zu den Kirchenburgen sowie die Erstellung von Bastelbögen für Kinder und Jugendliche erörtert. Schließlich beschäftigte das Forum das Problem, angesichts des sich einschränkenden Kreises der Aktiven die Jugend stärker in die Kulturarbeit einzubinden. Die Einschätzung, dass dies eher über Projekte, denn durch Ämter gelingen könne, dominierte.

Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster resümierte mit Blick auf den Tagungsverlauf: "Die siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen symbolisieren nicht Rückwärtsgewandtheit. Sie sind vielmehr integraler Bestandteil unserer Identität und müssen daher als Zeugnis unserer siebenbürgisch-sächsischen Kultur erhalten bleiben."

Christian Schoger


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