14. Juni 2003

Heimattag der Öffnung hin zu Partnerschaften

Rund 12 000 Besucher fanden sich bei herrlichem Pfingstwetter vom 6. bis 9. Juni zum 53. Heimattag der Siebenbürger Sachsen in der ehemals freien Reichsstadt Dinkelsbühl ein. Unter dem Motto "Partner in Gemeinschaft" setzte das Pfingsttreffen ein Zeichen des Gemeinsinns, den die Siebenbürger Sachsen nicht nur einst im Karpatenbogen geübt haben, sondern auch in ihrer neuen Heimat praktizieren.
Die Erfahrung ihres jahrhundertelangen Mittlertums zwischen Ost und West wollen die Siebenbürger auch in den partnerschaftlichem Dialog im zusammenwachsenden Europa einbringen. So will die Landsmannschaft in Zusammenarbeit mit den Heimatortsgemeinschaften, die den diesjährigen Heimattag ausrichteten, neue deutsch-rumänische Städtepartnerschaften anbahnen und bestehende ausbauen.

Rund tausend siebenbürgisch-sächische Trachtenträger beteiligten am imposanten Festumzug durch das mittelalterliche Dinkelsbühl. Foto: Siegbert Bruss
Rund tausend siebenbürgisch-sächische Trachtenträger beteiligten am imposanten Festumzug durch das mittelalterliche Dinkelsbühl. Foto: Siegbert Bruss

Den Pfingstgruß seitens der Evangelischen Landeskirche A.B. überbrachte am Sonntag, dem 8. Juni, Bischofsvikar Hans Klein aus Hermannstadt. Er rief zur Versöhnung mit Geschichte auf. Für die Versöhnung eintreten hieße zugleich Kräfte frei setzen für partnerschaftliche Zusammenarbeit.

Die Erfahrungen der friedlichen Koexistenz, wie man sie in Siebenbürgen lernte, und die über Jahrhunderte bewahrte Zugehörigkeit der Siebenbürger Sachsen zum deutschen Kulturkreis ermöglichten es, „uns ohne Identitätsverlust in Deutschland einzugliedern, und können uns auch in dem zusammenwachsenden Europa sehr nützlich und hilfreich sein“, betonte Volker Dürr, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen. Das vor 50 Jahren verabschiedete Bundesvertriebenengesetz (BVFG) habe die Rechte der Vertriebenen und Aussiedler geregelt und biete auch heute noch einen verlässlichen rechtlichen Rahmen für deren Integration. Der Redner dankte Bundesinnenminister Otto Schily, der am 6. Mai dieses Jahres in Berlin auf die Notwendigkeit und Verpflichtung des Bundes hingewiesen hatte, dem Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim auch künftig staatliche Förderung zu gewähren. Dürr erklärte, dass die siebenbürgischen Vereine bereit seien, gemeinsam mit der Kulturbeauftragten der Bundesregierung, ein Konzept zur Kulturförderung gemäß Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes zu entwickeln, „das es sowohl den wissenschaftlich Interessierten als auch unseren ehrenamtlich tätigen Aussiedlern wieder möglich macht, die vom Deutschen Bundestag geforderte Brückenfunktion aktiv wahrzunehmen“.

Die Bundesregierung werde sich weiterhin für die Pflege des Kulturgutes der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten und Südosteuropa einsetzen, sicherte Susanne Kastner, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Vorsitzende des Deutsch-Rumänischen Forums in Berlin, in ihrer Festrede zu. Die SPD-Politikerin würdigte sowohl die beispielhafte Integration der Siebenbürger in Deutschland als auch das „durchaus lebendige deutsche Kulturleben in Rumänien“. Nach Ansicht der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan, sind die Siebenbürger Sachsen ein „weltweites Modell für Völkerverständigung“. Die CDU-Politikerin dankte ihnen, dass sie als Kulturschaffende in vielen Orten Deutschlands Gemeinsinn stiften und damit der Isolierung des Einzelnen, die durch die Wohlstandsgesellschaft drohe, entgegenwirken.

Zur Eröffnungsveranstaltung am Pfingstsamstag konnte Michael Konnerth. Vorsitzender des HOG-Verbandes, zahlreiche Gäste aus Politik und den Mitgliedsländern der siebenbürgischen Föderation begrüßen.

BdV-Präsidentin Erika Steinbach wurde in Dinkelsbühl mit dem Goldenen Ehrenwappen der siebenbürgischen Landsmannschaft ausgezeichnet, hier eine Aufnahme während ihrer Ansprache. Foto: Günther Melzer
BdV-Präsidentin Erika Steinbach wurde in Dinkelsbühl mit dem Goldenen Ehrenwappen der siebenbürgischen Landsmannschaft ausgezeichnet, hier eine Aufnahme während ihrer Ansprache. Foto: Günther Melzer

Als „grandiose Gemeinschaftsleistung“ bezeichnete Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), die erfolgreiche Eingliederung von Vertriebenen und Aussiedlern in Deutschland. An diesen Aspekt der deutschen Geschichte solle auch ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ erinnern, das nach Vorstellungen des BdV, aber auch des Bundesinnenministers Otto Schily in Berlin errichtet werden sollte. Die CDU-Bundestagsabgeordnete kritisierte die rot-grüne Kulturpolitik und forderte den Erhalt des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim.

Der Botschafter von Rumänien in Berlin, Adrian Vierita, würdigte die starken Bindungen der Siebenbürger Sachsen zu ihrer Heimat und ihre gleichzeitige Offenheit für andere. Die zur Partnerschaft ausgestreckte Hand, wie sie im Motto des Heimattages zum Ausdruck kommt, wolle die Botschaft von Rumänien gerne annehmen. „Denn in der neuen, globalen Welt brauchen wir Partner, um uns zu behaupten, um bestehen zu können.“ Ein deutliches Signal für diese Dialogbereitschaft seien auch die beiden jungen Mitarbeiter, Helge Fleischer und Michael Fernbach, der eine ein Sachse, der andere ein Schwabe, die seit kurzem an der Botschaft in Berlin tätig sind.

Als Überraschungsgast trat in Dinkelsbühl Norbert Kartmann auf. Er begrüßte die offenen Worte des rumänischen Botschafters und betonte: „Es wäre töricht, den europäischen Weg nicht zu gehen.“ Der CDU-Politiker wurde Anfang April 2003 von allen 110 Abgeordneten zum Präsidenten des Hessischen Landtags in Wiesbaden gewählt. Er wurde 1949 im hessischen Nieder-Weisel geboren und stammt väterlicherseits aus Hetzeldorf in Siebenbürgen. Der hessische Landespolitiker bekennt sich freimütig zu seiner Herkunft.

Europäisches Gedankengut, das heißt interkulturelles und interkonfessionelles friedliches Zusammenleben, wurde in Siebenbürgen über Jahrhunderte gelebt, betonte Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Siebenbürgenforums (DFDS). Dieser Tradition werden die Siebenbürger Sachsen auch heute gerecht, indem sie beispielsweise in ihrer Föderation zusammenarbeiten. Der Dachverband wurde 1983 von Vertretern der siebenbürgischen Landsmannschaften aus Deutschland, Österreich, den USA und Kanada gegründet, 1993 trat das DFDS der siebenbürgischen Weltorganisationen bei. Der Beitritt wurde unter dem damaligen DFDS-Vorsitzenden Hans Klein vollzogen, der in Dinkelsbühl für seine herausragenden Verdienste mit dem Goldenen Ehrenwappen der siebenbürgischen Landsmannschaft ausgezeichnet wurde. Ein Grußwort seitens der Landsmannschaft in Österreich überbrachte Bundesobmann Volker Petri, für das Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD sprach Vorsitzender Pfr. i.R. Kurt Franchy.

Als entschiedener Befürworter der geplanten Städtepartnerschaft mit Schäßburg erwies sich Dinkelsbühls Oberbürgermeister Otto Sparrer sowohl bei der Eröffnung des Heimattages als auch bei der Vernissage „Schäßburg im Wandel der Zeit“. Am Pfingstmontag moderierte Sparrer zudem die Podiumsdiskussion zum Thema „Grenzen überwinden – Brücken bauen“, die hauptsächlich der Anbahnung von deutsch-rumänischen Städtepartnerschaften gewidmet war.

Das vielfältige kulturelle Rahmenprogramm, eine Ausstellung des diesjährigen Preisträgers des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises, des Bildhauers und Hochschulprofessors Peter Jacobi (geboren 1935 in Ploiesti), die Ausstellung „Filzkunst – ein Textilprojekt in Heltau von Margret Riedl“, Präsentationen der siebenbürgisch-sächsischen Heimatortsgemeinschaften, das publikumswirksame Kronenfest der Jugend, dazu Ortstreffen von Landsleuten, Sportturniere und Tanzpartys bereicherten den Heimattag.

Am traditionellen Festumzug durch die historische Altstadt von Dinkelsbühl beteiligten sich 45 siebenbürgisch-sächsische Brauchtumsgruppen und Blaskapellen mit rund 1000 Trachtenträgern. Der Siebenbürgisch-Sächsische Jugendpreis 2003 wurde „Schola septemcastrensis“, einem Kreis von Jugendlichen, die sich für die siebenbürgische Kultur und Geschichte interessiert, mit Sitz in Hermannstadt, verliehen.

Siegbert Bruss

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