18. Juni 2003

Restitution in Rumänien: Aussiedler eklatant diskrimiert

Die am 14. Mai dieses Jahres veröffentlichten Durchführungsbestimmungen stellen das Recht der Aussiedler in Frage, die dem kommunistischen Staat bei der Aussiedlung zwangsweise übertragenen Immobilien zurückzuerhalten oder dafür entschädigt zu werden. Damit weicht die rumänische Regierung eklatant vom Restitutionsgesetz 10/2001 ab und diskriminiert die Aussiedler gegenüber anderen Betroffenen.
Bis zum Erlass der Durchführungsbestimmungen war es unstrittig, dass das Gesetz 10/2001 auch denjenigen einen Rückgabe- oder Entschädigungsanspruch gewährt, die ihr Haus oder ihren Baugrund aufgrund des Dekretes 223/1974 wegen der beabsichtigten Ausreise dem Staat übertragen mussten. Dem Umstand, dass hierbei eine Entschädigung gewährt wurde, trägt das Gesetz dadurch Rechnung, dass es (für den Fall der Rückgabe) die Rückzahlung oder (für den Fall der Entschädigung) die Anrechnung der seinerzeit empfangenen Entschädigung vorsieht. In den Durchführungsbestimmungen wird nun jedoch zum einen unterstellt, dass die Übertragung an den Staat „aus freiem Willen“ erfolgt sei, und zum anderen darauf hingewiesen, dass den Ausreisewilligen durch die vom Staat gewährte Entschädigung „Genüge geschehen“ sei. In dieser für eine Rechtsnorm ungewöhnlichen Form werden die beiden Argumente angeführt, um den Gesetzeswortlaut zu widerlegen und die Versagung von Rückggabe/Entschädigung an Aussiedler zu rechtfertigen. Restitutionsberechtigt sollen hiernach nur noch diejenigen Aussiedler sein, die geflüchtet oder von einer Auslandsreise nicht zurückgekehrt sind und aus diesem Grund ihr Eigentum verloren haben. Nicht betroffen sind durch diese Regelungen außerdem all diejenigen, die nicht im Zusammenhang mit ihrer Ausreise enteignet wurden.

Beide in den Durchführungsbestimmungen genannten Argumente sind jedoch falsch. Ohne die Übertragung ihrer Immobilien an den Staat hätten die Betroffenen nicht von ihrem Menschenrecht auf Wegzugsfreiheit Gebrauch machen können. Die theoretisch gegebene Alternative, ihre Immobilie rechtzeitig an Privatpersonen zu verkaufen, bestand tatsächlich in vielen Fällen nicht. Die Betroffenen wurden vom rumänischen Staat über das Ob und Wann ihrer Ausreise meist über viele Jahre im Dunkeln gelassen. Die Veräußerung von Häusern war außerdem durch das Verbot, das dazugehörige Grundstück zu verkaufen (das aufgrund des Dekretes 223/1974 beim Verkauf dem Staat zufiel) erheblich eingeschränkt. In manchen Fällen war die Gewährung der Ausreise zudem mit Begehrlichkeiten von Parteifunktionären bezüglich des Wohnhauses des Ausreisewilligen verknüpft. Die Entschädigung, die vom Staat gewährt wurde – höchstens 80 000 Lei – stellte in der Regel nur einen Bruchteil des tatsächlichen Wertes der Immobilien dar.

Zu einem erstaunlichen Ergebnis führt der Vergleich mit einem anderen in den Durchführungsbestimmungen geregelten Fall. Das Gesetz 4/1973 stellte die Eigentümer von zwei Wohnimmobilien vor die Alternative, eine davon entweder an Privatleute zu verkaufen oder gegen eine Entschädigung dem Staat zu überlassen. Wurde die Immobilie damals nicht verkauft, sondern vom Staat übernommen, soll sie - anders als im Ausreisefall – nun restituiert werden. Die beiden oben genannten Argumente sollen in diesem Fall somit nicht gelten. Es entsteht daher der Eindruck, dass das eigentliche von der rumänischen Regierung angewandte Kriterium in Wahrheit der Umstand der Ausreise ist.

Viele Fachleute halten diese Abweichung der rumänische Regierung von dem Restitutionsgesetz für einen schwerwiegenden rechtlichen Fehltritt, der umgehend korrigiert werden muss. Sollten diese Durchführungsbestimmungen zu ablehnenden Bescheiden führen, werden die Betroffenen vor den zuständigen Gerichten darlegen müssen, dass sie ihr Eigentum dem rumänischen Staat weder freiwillig noch zu angemessenen Bedingungen überlassen haben. Die Klagefrist beträgt 30 Tage ab Bekanntgabe der Entscheidung. Vor Anrufung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg müsste der Rechtsweg in Rumänien ausgeschöpft werden. Den Schaden hätten allerdings nicht nur die Betroffenen, sondern – in Form des beeinträchtigten Ansehens und Vertrauens – auch die rumänische Regierung.

Rechtsanwalt Detlef G. Barthmes, München

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