27. Juni 2003

Blechspielzeug eines siebenbürgischen Sammlers

Zum erstenmal wurde im geräumigen Lichthof des Rathauses Vaterstetten eine Ausstellung gezeigt, die, wie der 1. Bürgermeister Robert Niedergesäß in seiner Ansprache am Abend der Vernissage sagte, „bayernweit ein Novum“ darstellt. Denn die Belchspielzeug-Sammlung des aus Siebenbürgen stammenden Ethnologen und Schriftstellers Dr. Claus Stephani (Baldham) ist, so heißt es in Fachkreisen, die umfangreichste in Bayern, und bisher gab es in Deutschland noch keine Ausstellung mit so zahlreichen kleinen und großen Spielobjekten aus Blech.
Rund 280 Exponate von insgesamt über 870 waren, in 22 Vitrinen thematisch angeordnet, ein Monat lang in Vaterstetten zu sehen. Sie stammen aus 21 Ländern – aus Europa, Asien und den USA –, und einige wurden noch in Ländern hergestellt, die es heute nicht mehr gibt, wie z.B. die US-Zone Germany, Britische Zone, DDR oder UdSSR.
Eröffnung der Blechspielzeugausstellung in Vaterstetten: Claus Stephani (links) mit dem 1. Bürgermeister der Gemeinde, Robert Niedergesäß. Foto: Jürgen Rossmann
Eröffnung der Blechspielzeugausstellung in Vaterstetten: Claus Stephani (links) mit dem 1. Bürgermeister der Gemeinde, Robert Niedergesäß. Foto: Jürgen Rossmann

Die Ausstellung führte manch einen Vertreter der älteren Generation in nostalgische Erinnerungen, in die Kindheit, in die 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, und die jüngsten Besucher waren meist erstaunt und fasziniert, dass es außer Computerspielen einst eine heute weitgehend unbekannte Welt gegeben hat: mit laufenden und hüpfenden Tieren aller Arten und Größen, wie Fröschen, Vögeln, Katzen, Hunden, Kamelen, Elefanten, Dinosauriern und... Osterhasen, die trommeln oder Schi fahren, dann tanzende Puppen, Clowns, Motorradfahrer sowie Schiffe, Eisenbahnen, Feuerwehrautos, Rennwagen, Flugzeuge, Hubschrauber, Mondraketen, Astronauten, Nähmaschinen u.a.m.

Vor einem zahlreichen Publikum führte dann der Sammler eine Reihe von Tieren, Karussells, musizierenden Puppen und Clowns, radelnden Vögeln und Autos vor und erklärte anhand von Exponaten, dass es beim Blechspielzeug hauptsächlich vier verschiedene Antriebsmöglichkeiten gibt: durch Uhrwerk, Hebel, Friktion oder mit Batterie.

Stephanis Sammlung entstand in einer relativ kurzen Zeitspanne: die ersten Objekte erwarb er vor knapp zwanzig Jahren, doch erst nach seiner Aussiedlung nach Deutschland, begann er ab 1990 gezielt und systematisch zu sammeln. So konnte er z.B. auf einem Flohmarkt auf der griechischen Insel Kreta von einem russischen Händler eine große Anzahl sowjetischer Kriegsspielzeuge erwerben; heute seien das „große Raritäten“.

Zu den Kuriositäten der Ausstellung gehörten auch einige Exponate, die, so Stephani, „einst den Sozialismus in die Kinderstuben der Plattenbauten brachten“, wie z.B. eine rumänische Eisenbahn mit der Aufschrift „Trenul pionierilor“ (Zug der Pioniere): An den Fenstern sitzen Kinder mit roten Halstüchern und winken fröhlich, denn sie fahren „in eine goldene Zukunft“. Oder dann sowjetische Transporter aus dem Ural mit den Aufschriften „Mir“ (Frieden) und „Drushba“ (Freundschaft) oder „Sawod imenij Lenina“ (Lenin-Werk).

Die Objekte aus einer farbigen phantasievollen Welt, die einst die kindliche Kreativität anregten und viele Besucher zu begeisterten Feststellungen – „So was hatte ich auch einmal!“ – veranlassten, dokumentierten „ein Stück vergangener Alltagskultur“, wie es sie einst auch in Siebenbürgen gegeben hat.

Anna Conrad


(gedruckte Ausgabe: siebenbürgische Zeitung, Folge 10 vom 25. Juni 2003, Seite 14)

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