28. September 2003

"Alles gegeben hat mir mein Leben, weil ich dem Leben viel hab gegeben"

Obiges Zitat steht in der Siebenbürgischen Zeitung über der Traueranzeige der Schriftstellerin Irmgard Höchsmann-Maly, die am 5. September 2003 auf dem Drabenderhöher Friedhof zu Grabe getragen wurde. An der Trauerfeier nahm stellvertretend für die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland Bundesfrauenreferentin Enni Janesch teil.
"'Alles gegeben hat mir mein Leben, weil ich dem Leben viel hab gegeben' - diese vermeintlich einfachen Worte entstammen einem unserer letzten Gespräche und sagen alles über meine Mutter aus. Natürlich hat sie alles im Leben gehabt, aber nur weil sie aktiv an der Gestaltung ihres Lebens mitgewirkt hat und nie, wirklich nie, die widrigen Umstände verantwortlich gemacht hat, wenn etwas nicht klappte", würdigte Sohn Heinrich bei der Gedenkfeier das Leben der Verstorbenen in einem persönlichen Rückblick, der in gekürzter Fassung wiedergegeben wird.

"Irmgard Höchsmann-Maly (...) starb im 84. Lebensjahr. Sie ist ruhig und entspannt eingeschlafen, begleitet von Pfarrer Nold, dem 100-jährigen Dekan, und mir", begann Heinrich Höchsmann seine Trauerrede. Als jüngste von drei Schwestern wurde Irmgard am 10. Januar 1920 in Hermannstadt geboren als Tochter von Christine Maly-Theil, einer aus Agnetheln stammenden Mundartdichterin, die nach der Trennung von ihrem Ehegatten Anton Maly, einem österreichischen Schriftsteller aus Böhmen, sich den Unterhalt mit der Gitarre und Versicherungen verdienen musste. Da war Irmgard gerade zehn Jahre alt. Dessen unbeschadet seien die Geschwister wohl behütet in der Großfamilie aufgewachsen. Nach Mädchengymnasium in Hermannstadt und Ackerbauschule in Mediasch ging Irmgard mit 20 Jahren nach Deutschland. Hier habe sie "fünf prägende Jahre verbracht". "Mit 25", führte Sohn Heinrich weiter aus, "ist unsere Mutter quasi tot, damals im Mai 45, unter dem Apelbaum, der blühte; weißblau schimmerte die Hoffnung durch die Zweige." Genau dann aber habe "das 2. Leben" begonnen. "1946 heiratet sie Hein, (...) unseren Vater. Das Ergebnis ihrer Liebe, ich, erblicke noch im Königreich das Licht der darbenden Welt. Und wie ihr sehen könnt, es hat mir nicht geschadet, mit Palukes großgezogen zu werden." Zwei weitere Söhne, Frank und Lothar, sollten folgen.

Irmgard Höchsmann-Maly beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl (1997). Foto: Konrad Klein
Irmgard Höchsmann-Maly beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl (1997). Foto: Konrad Klein

Ungewöhnliche Wege und Lösungen zeichneten diese ungewöhnliche Frau aus: "Mit einer roten Rose bewaffnet, entwaffnete sie einen Roten, den Obersekuristen. Sie machte ihm klar, dass mit uns der Kommunismus nicht aufzubauen ist. 1975, ein paar Wochen nach diesem Auftritt, hat es geklappt: Die Familienzusammenführung brachte uns nach Deutschland." Als "überaus glücklich" kennzeichnete der Trauerredner die nachfolgenden Jahre in Drabenderhöhe in "einer festen Gemeinschaft, die sich gegenseitig hilft, miteinander spricht, die sich ins Auge sieht und weiß, woran es fehlt, und wo man sich noch Gade Morjen und Gaden Owend sagt."

Wieder ein jäher Einschnitt im Leben von Irmgard Höchsmann-Maly: "Genetisch fehlgeleitete Zellen provozieren vor zehn Jahren den ersten Krebs. Die Operation mit Verlust einer Brust hat sie gut verkraftet, uns zeigend, dass der Lebenswille mit Erfüllung der irdischen Aufgaben größer war als die Angst vor dem Tod. Das 3. Leben hatte begonnen." Mit knapp 80 schlug das Schicksal wieder zu: Notoperation infolge einer weiteren Krebserkrankung mit Rehabilitation im Allgäu. "Wieder triumphiert ihre Kraft, ihre Ruhe, ihre Energie nährt die letzten Jahre. Das 4. Leben beginnt", erinnerte Sohn Heinrich. Bruder Lothar holte die schwerkranke Mutter nach Radebeul in die Karl-May-Stadt, besuchte sie täglich und betreute sie liebevoll. Vergangenen November übersiedelte Irmgard Höchsmann–Maly nach einer Lungenentzündung ins Allgäu, wo sie bis zu ihrem Tode ein Pflegefall blieb. Zum Abschluss der Trauerfeier sang „Das Grüppchen“ Sangtichsklok, loss hemmelwärts, wä de Klaong mech fläjen. Letzter, symbolträchtiger Akt.

Als engagierte Schriftstellerin und Initiatorin von kulturellen Aktivitäten hat sich Irmgard Höchsmann-Maly besondere Verdienste erworben, die Bundesfrauenreferentin Enni Janesch in Ergänzung zur Gedenkrede des Sohnes Heinrich im Folgenden würdigt.

Mit dem „Windbruch“ hat Irmgard Höchsmann-Maly bleibende Werte geschaffen. Bald nach ihrer Ankunft in Deutschland verfasste sie den viel beachteten Aufsatz "Deutschland - das harte Paradies", in dem sie den schwierigen Start in der freien Welt, die Behördenangst, das Unwissen der „neuen Landsleute“, die Alltagsprobleme schildert. Irmgard Höchsmann wurde freie Mitarbeiterin der Kulturpolitischen Korrespondenz des Ostdeutschen Kulturrates in Bonn. Sie war Mitglied der Künstlergilde Esslingen und freie Mitarbeiterin der Sendereihe „Alte und neue Heimat“ auf WDR 3, später WDR 5. Sie war zudem sieben Jahre lang Kulturreferentin der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, sechs Jahre im Vorstand des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben. Als ständige Berichterstatterin des Heimattages in Dinkelsbühl arbeitete sie für den WDR. Irmgard Höchsmann-Maly war jahrelang engagierte Kulturreferentin der Kreisgruppe Drabenderhöhe und Gründerin des „Grüppchens“, jener kleinen Sing- und Vortragsgruppe von siebenbürgischen Frauen, mit denen sie in Tracht, sogar bei Bundeswehrveranstaltungen und bei der Nato in Belgien auftrat.

Im Laufe der Jahre veröffentlichte die Autorin vor allem kulturpolitische und literarische Beiträge, Erzählungen, Erlebnisberichte für Anthologien, Zeitschriften und Hörfunk. Skizzen und Reiseprosa ergänzen das große Spektrum ihrer schriftstellerischen Tätigkeit. Von Studienreisen durch Siebenbürgen, Tschechien, die Slowakei, Polen und die Bukowina bringt sie Erlebnisberichte mit, die sie mit detaillierten Hinweisen auf geschichtliche und kunsthistorische Daten verknüpft, als "geschichtliches und kulturpolitisches Feuilleton", wie die Gilden-Mitteilung würdigend schrieb. Eine Auswahl von Erlebnisberichten finden sich in ihrem Buch „Windbruch“, zu dem die Autorin erklärte: „Dieses Buch ist meine Erfahrenswelt, geschrieben in einer Zeit, da sich unsere Welt mit atemberaubender Geschwindigkeit politisch und technisch verändert hat“.
(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 15 vom 30. September 2003, Seite 6)

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