19. Oktober 2003

Wertvolle Dokumentation über Zeitgeschichte

An der editorischen Ausführung des hier zu besprechenden Bandes, Klaus Popa (Herausgeber): „Die Rumäniendeutschen zwischen Demokratie und Diktatur. Der politische Nachlaß von Hans Otto Roth 1919-1951“, kann man manches aussetzten. Die editorische Leistung hingegen ist anerkennenswert.
Der Herausgeber hat das, was er im schriftlichen Nachlass von Hans Otto Roth im Archiv der Schwarzen Kirche vorgefunden hat, in chronologischer Reihenfolge veröffentlicht und die Schriftstücke mit knappen Anmerkungen versehen. Es ist dabei eine Dokumentensammlung von über 800 Seiten entstanden, die für die vertiefte Erforschung der rumäniendeutschen Geschichte des Zeitraumes von 1919 bis um 1950 eine erstrangige Informationsquelle darstellt. Man wird Klaus Popa dankbar sein, durch den herausgegebenen Band einen Teil des politischen Nachlasses von Roth einem großen Kreis zugänglich gemacht zu haben. Aus Roths Schriften wurden bisher Einzelstücke, die sich zum Teil in anderen Nachlässen erhalten haben, veröffentlicht. Dass der Nachlass aber in diesem Umfang erhalten geblieben ist, war der Forschung nicht bekannt. Umso erfreulicher ist nun diese Erschließung.
Hans-Otto Roth
Hans-Otto Roth


Hans Otto Roth war in der Zeit, die sein Nachlass deckt, der wichtigste Politiker der deutschen Minderheit in Rumänien. Er war von 1919 bis 1938 Abgeordneter des rumänischen Parlaments und Leiter der „Deutschen Partei“ im Abgeordnetenhaus, ab 1938 Senator auf Lebenszeit, ferner Kurator der Evangelischen Landeskirche Rumäniens von 1932 bis 1949 (mit Unterbrechung 1941-1944), Präsident der Hermannstädter Allgemeinen Sparkasse (1928-1933) und danach Mitglied in dessen Verwaltungsrat und Mitglied in anderen Gremien sowie Rechtsanwalt in Bukarest. Von 1931 bis 1934 war er Vorsitzender des „Verbandes der deutschen Volksgruppen Europas“.

Das hinterlassene Schriftgut Roths gewährt Einblicke in dessen vielfältige Tätigkeitsbereiche. Er hat, in Mappen geordnet, die von ihm verfassten Schriften zusammengelegt – das sind politische Reden zu verschiedenen Anlässen (wichtig vor allem die Reden im Parlament), Memoranden, Eingaben, Zeitungsbeiträge, Briefe, Telegramme u.a. Von fremder Hand befinden sich im Nachlass sodann diverse an Roth gerichtete sowie andere Schreiben, Protokolle, Zeitungsartikel und sonstige relevante Unterlagen. Roth dürfte allerdings nach 1944 Papiere, die ihn hätten belasten können, beseitigt haben.

Es ist anzunehmen, dass Roth auch seine publizistischen Beiträge gesammelt hat. Daraus sind im Nachlass bloß einige Artikel enthalten. Ob sie noch irgendwo auf ihre Entdeckung warten? Sie widerspiegeln jedenfalls einen bedeutenden Teil von Roths öffentlichem Wirken. Unverständlicherweise hat Popa einige Dokumente aus Roths Schriften, die bereits veröffentlicht wurden, nicht übernommen und auch sonst das Schrifttum über Roth nur lückenhaft herangezogen. Nicht zutreffend sind zudem seine abfälligen Äußerungen über den, wie er meint, „pseudowissenschaftlichen Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde“, der eine „geschichtsrevisionistische von Verdrängung und Beschweigen(!) der rumäniendeutschen Nazizeit geprägte Kulturpolitik“ betrieben und infolge dessen sich nicht mit Roth befasst habe.

Von den 522 mitgeteilten Schriftstücken des Bandes sind über 80 in rumänischer Originalsprache aufgenommen, da der Herausgeber annimmt, dass jene Forscher, die sich für die Materie interessieren, des Rumänischen mächtig sind. Das dürfte nur teilweise zutreffen. Mit der Herausgabe dieses Bandes ist ein Anfang zur Erfassung von Roths schriftlichen Zeugnissen gemacht. Eine eingehende Monographie über Roth steht jedenfalls noch aus.

Fortfahrend einige Hinweise zur Problematik, die den Hauptinhalt der Sammlung ausmachen. Für das erste Jahrzehnt nach dem Anschluss Siebenbürgens an Rumänien belegt das Nachlassmaterial vor allem den Kampf der rumäniendeutschen Parlamentarier für die Anerkennung der Karlsburger Erklärung und des Minderheitenschutzvertrages, die von keiner rumänischen Regierung beachtet wurden. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzungen standen vor allem die Forderungen nach Erhalt und staatlicher Unterstützung der deutschen Schulen, ferner die Abwehr von Rumänisierungsmaßnahmen und von Benachteiligungen der Deutschen auf verschiedenen Gebieten. Interessant sind die verschiedenen Wahlabkommen, die die „Deutsche Partei“ mit den jeweiligen Regierungen abschloss und von denen mehrere Abschriften im Nachlass aufliegen.

Der größte Teil der Dokumente bezieht sich auf die dreißiger Jahre. Zunächst auf den Kampf der nationalsozialistisch ausgerichteten Erneuerungsbewegung gegen die traditionelle Volksorganisationen und die deutschen Parlamentarier, wobei Roth öfter Zielscheibe der Angriffe war, und dann über den Kampf innerhalb der Erneuerungsbewegung nach deren Spaltung im Jahre 1935 zwischen der „Volksgemeinschaft der Deutschen in Rumänien“ unter dem Verbandsvorsitzenden Fritz Fabritius und der „Deutschen Volkspartei“ unter Alfred Bonfert.

Es folgt die „Volksgruppenzeit“ unter der Führung von Andreas Schmidt (1940-1944), in der Roth als Gegner der Gleichschaltung der deutschen Volksgruppe Rumäniens mit der Politik des Dritten Reiches politisch ausgeschaltet wurde, alle Ämter verlor, als „Volksverräter“ diffamiert und sogar aus der Volksgruppe ausgeschlossen wurde. Roth strengte gegen Schmidt einen Prozess wegen Verleumdung und Beleidigung an, der aber nicht zu Verhandlung gelangte.

Am schwersten gestaltete sich für die Deutschen Rumäniens der Zeitabschnitt nach dem 23. August1944, als sie kollektiv als Kollaborateure Hitler-Deutschlands verfolgt, entrechtet, enteignet und die Arbeitsfähigen zu Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert wurden. Der Band bietet dazu zahlreiche Unterlagen ebenso über die Versuche Roths, neue Vertretungsstrukturen auf politischer und kirchlicher Ebene zu gründen, die Deutschen vor Verfolgungen in Schutz zu nehmen und unbegründete Kollektiv- und Nazibelastungen zu widerlegen. Roth musste dabei zahlreiche Angriffe gegen seine Person – das leider auch aus sächsischen Kreisen – abwehren, die ihm nationalsozialistische Mittäterschaft vorwarfen. Er hat als Entgegnung mehrere zusammenfassende Rückblicke über die nationalsozialistische Bewegung bei den Siebenbürger Sachsen und den Banater Schwaben sowie über deren Behandlung nach dem Frontwechsel Rumäniens vom August1944 verfasst.

Die Hoffnungen Roths auf eine verständnisvolle Behandlung der Deutschen Rumäniens erfüllten sich jedoch nicht. Er selbst wurde ein Opfer der kommunistischen Verfolgungen und ist 1953 als politischer Häftling im Gefängnis von Ghencea gestorben.

Zu diesen und anderen Fragen liefert der Band wertvolle Details. Sein Herausgeber Klaus Popa ist 1951 in Siebenbürgen geboren, hat Anglistik und Germanistik studiert und Arbeiten zur mittelalterlichen Geschichte Siebenbürgens und zur rumäneindeutschen Zeitgeschichte veröffentlicht.

Michael Kroner




Klaus Popa (Herausgeber): „Die Rumäniendeutschen zwischen Demokratie und Diktatur. Der politische Nachlaß von Hans Otto Roth 1919-1951“. Peter Lang. Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2003, 821 Seiten, Preis: 101,20 Euro, ISBN 3-631-50978-2.

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