19. Januar 2004

Die Stimme der Freiheit ist verstummt

Radio Free Europe hat, wie in dieser Zeitung berichtet, zum Jahresende 2003 seine Sendungen für Rumänien und sechs weitere postkommunistische Staaten (Bulgarien, Kroatien, Estland, Lettland, Litauen, Slowakei) eingestellt. Der US-amerikanische Sender hat damit sein selbst gestecktes Ziel erreicht, seine Sendungen in die ehemaligen Satellitenstaaten der Sowjetunion dann einzustellen, wenn dort die Pressefreiheit wieder hergestellt ist. Der ehemalige Redakteur von Radio Europa Libera, Hans-Joachim Acker (vielen Hörern unter dem Pseudonym "Mircea Ioanid" bekannt), zieht Bilanz.
Schon nach dem politischen Erdbeben, das 1989/1990 den gesamten Ostblock erfasste und zum Zusammenbruch des Kommunismus führte, stellte sich die Frage nach der weiteren Zweckmäßigkeit von Radio Free Europe. Es wurde argumentiert, dass nun ganz unverhofft das eingetreten sei, wofür RFE Jahrzehnte lang gekämpft habe.

Zum Hintergrund: Radio Free Europe war Anfang der 50er Jahre ins Leben gerufen worden, als der Kalte Krieg zwischen Ost und West schon längst begonnen hatte. Die Welt und insbesondere Europa waren nach dem Zweiten Weltkrieg in Einflusssphären zwischen den USA und der Sowjetunion aufgeteilt. Beide Supermächte versuchten in das Herrschaftsgebiet des jeweils anderen vorzudringen, und weil beide einen Atomkrieg in jedem Fall vermeiden wollten (mussten), ließen sie sich in die psychologische Kriegsführung einbinden.

Linke und linksgerichtete Kreise in der Bundesrepublik sahen in dem Sender immer schon ein Hindernis im Entspannungsprozess zwischen Ost und West, und selbst das neutrale Österreich und das Internationale Olympische Komitee ließen sich vom Ostblock erpressen und entzogen 1976 den Reportern von Radio Free Europe die Akkreditierung für die Winterspiele in Innsbruck. Manche einflussreiche Medien in Westeuropa und auch in der Bundesrepublik bezeichneten Free Europe immer wieder als US-Propagandasender, doch viele mussten dann 1989/1990 kleinlaut zugeben, dass der Kalte Krieg zum Teil in den Senderäumen am Englischen Garten in München gewonnen wurde. Sicherlich hat der Sender auch Fehler begangen, beispielsweise als er 1956 die Aufständischen in Ungarn dazu aufrief durchzuhalten. Aus solchen Fehlern wurde aber gelernt, und RFE entwickelte sich zu einer vertrauenswürdigen Stimme der Freiheit. Sein Einfluss in Osteuropa war enorm, und so mancher Leser dieser Zeilen wird sich gerne an die Sendungen der Europa Libera erinnern.

Mir, als einzigem Siebenbürger Sachsen in der Redaktion, war es vergönnt mehr als 28 Jahre Nachrichten und Pressekommentare für die rumänischen Zuhörer von RFE zu redigieren, eine Arbeit übrigens, die ich mit großer Hingabe verrichtete und die mir dann zuletzt auch noch die Genugtuung brachte, den Zusammenbruch des Kommunismus in unserer alten Heimat hautnah in den Redaktionsräumen am Englischen Garten in München zu erleben.

Hans-Joachim Acker

Ausländische Radiosender in rumänischer Sprache:
Radio Europa Libera
BBC
Deutsche Welle
Vocea Americii

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