23. Januar 2004

Wirtschaftlicher Erfolg made in Urwegen

Wie viele Städte in Deutschland war auch Dortmund nach dem Zweiten Weltkrieg zu 80 Prozent zerstört. Ganze Straßenzüge lagen in Schutt und Asche. Wie die folgenden sieben Fallbeispiele veranschaulichen, profilierten sich Siebenbürger Sachsen aus Urwegen nicht nur beim Wiederaufbau nach dem Krieg, sondern bewähren sich auch in der Gegenwart als selbstständige Unternehmer.
1948 gründeten die aus Urwegen stammenden Brüder Friedrich und Wilhelm Schlingloff im Herzen des Ruhrpotts eine Hochbau-Firma. Willi Schlingloff, der nach dem Krieg als gelernter Maurer in Hildesheim studierte und als Ingenieur und Architekt abschloss, entwarf die Pläne für die Firma. Die Aufsicht hatte Friedrich, Meister für Hochbau. Durch viel brüderlichen Fleiß und Ehrgeiz beschäftigte die Firma Schlingloff bald 130 Angestellte, darunter auch mehrere Urweger: Simon Thiess und Michael Minth als Maurer, Thomas Thiess als Tischler, Michael Thiess als Polier und Gustaf Schlingloff als LKW-Fahrer. Fast in allen Dortmunder Straßen begegnete man dem Schild der Baufirma Schlingloff. Aufgrund ihrer Qualitätsarbeit gelangte die Firma im Raum Dortmund zu großem Ansehen. Das Unternehmen baute unter anderem das berühmte Hotel-Restaurant „Wittekind“ in Dortmund und die katholische Kirche samt dem Turm in Wickede. Die Brüder führten den Betrieb 39 Jahre. Aus Altersgründen wurde die Firma 1987 aufgelöst. Architekt Willi Schlingloff, der jüngere Bruder, verwaltet heute - mit 83 Jahren - über 60 Häuser und Eigentumswohnungen.

Mit 18 Jahren kam Kathi Thiess (verheiratete Schlüchtermann) 1941 nach Deutschland. Sie studierte Landwirtschaft, um zu Hause auf dem elterlichen Hof die Landwirtschaft zu fördern. Doch infolge des Krieges blieb sie für immer im Westen. 1949 gründete sie auf dem angeheirateten landwirtschaftlichen Hof einen Gemüsebetrieb und brachte es zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau. Auf dem Markt in der Stadt Iserlohn war die Urwegerin jahrzehntelang als stets freundliche und liebevolle Gemüseverkäuferin bekannt. Überdies beschäftigte sie viele Urweger, die sich im Urlaub befanden oder ausgewandert waren. Aus Gesundheitsgründen schloss Frau Schlüchtermann 1980 ihren Betrieb. Bemerkenswert ist, dass sie 81-jährig noch immer die Verwaltung und Gartenarbeiten ihrer drei gebauten Häuser erledigt.

Der gelernte Maurer Hans Minth kam 1941 in den Westen. Zusammen mit Willi Schlingloff studierte er Hochbau in Hildesheim. 1953 gründete Hans Minth mit seiner Frau ein Architektenbüro. Die Firma trug viel bei zum Wiederaufbau der Stadt Dortmund. So konzipierte Minth die Pläne für C&A und die Großbaustelle des Theaters in Dortmund (Hombruch). In den achtziger Jahren kamen viele Urweger in den Großraum Dortmund. Vielen Landsleuten besorgte der Architekt Arbeit und machte die Pläne für ihre Häuser. Aus Altersgründen schloss Hans Minth 1993 sein Büro. Gleichwohl verwaltet er im hohen Alter von 87 Jahren noch immer seine mehr als 40 Häuser und Eigentumswohnungen.

Wilhelm Lutsch studierte Medizin in Klausenburg. Nach seiner Auswanderung 1982 war Dr. med. Lutsch im evangelischen Krankenhaus in der Stadt Hamm als Internist mehrere Jahre angestellt. Als in den neunziger Jahren ein Arzt in Dortmund (Scharnhorst) seine Arztpraxis aufgab, hatte Wilhelm Lutsch dank seiner guten Praxiserfahrungen aus dem Krankenhaus den Mut, diese Arztpraxis zu übernehmen. Rasch erwarb sich der Mediziner das Vertrauen eines ansehnlichen Kundenstammes. So sind auch einige Siebenbürger Sachsen, respektive Urweger Dr. Lutsch für dessen ärztliche Hilfe dankbar.

Im Jahr 1983 zog Michael Kloos mit Familie aus Baden-Württemberg nach Nordrhein-Westfalen. Erst arbeitete Kloos mehrere Jahre als Maurermeister bei einer Hoch- und Tiefbaufirma in Unna, ehe die Familie 1989 eine Hochbaufirma in Holzwickede gründete. Karin Kloos macht die Büroarbeiten, Michael die Aufsicht. Mit viel Ehrgeiz wuchs der Betrieb auf 13 Arbeiter, unter den Mitarbeitern auch siebenbürgische Landsleute. Trotz der großen Konkurrenz und mancher Krisenjahre steht die Firma heute solide da.

Krista Thiess absolvierte zunächst die Ausbildung als Friseurin in Dortmund, arbeitete danach einige Jahre in verschiedenen Friseursalons und legte die Meisterprüfung ab. 1996 machte sie sich selbstständig. Sie richtete einen modernen Friseursalon in Holzwickede ein und beschäftigt heute sieben Friseusen und drei Lehrlinge. Trotz der großen Konkurrenz hat Krista Thiess sich einen breiten Kundenstamm erworben, darunter auch viele Landsleute.

Martin Sutoris kam 1983 in die Bundesrepublik. Der gelernte Maurer besuchte eine Fortbildungsschule in Essen. Als Werkspolier war er dann 15 Jahre bei einer Tiefbaufirma tätig. Vertraut mit Ausmessungen und Büroarbeiten, wagte er 1998 den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete mit seiner Ehefrau eine Tiefbaufirma. Maria Sutoris kümmert sich um Ausmessungen und Büroarbeiten. Die auf Pflaster, Asphaltarbeiten, Kellerabdichtungen und Kanalreparaturen spezialisierte Firma beschäftigt zehn Angestellte.

Hans Schuller

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 1 vom 20. Januar 2004, Seite 3)

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