31. Januar 2004

Siebenbürgen-Institut existenziell bedroht

Kaum ist das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim am Neckar gesichert, so gerät dessen Nachbar in die Schlagzeilen: das Siebenbürgen-Institut. Und kaum konnte dieses seine wissenschaftliche Sicherung durch die Anbindung an die Universität Heidelberg erreichen, steht es vor der Existenzfrage. Nach einer ersten, relativ leichten Kürzung 2003 folgt nun 2004 ein massiver Einschnitt und 2005 beabsichtigt das Patenland Nordrhein-Westfalen, die institutionelle Förderung ganz zu streichen.
Der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturrat, ein Zusammenschluss von zwölf siebenbürgisch-sächsischen Institutionen in kulturellen Belangen und Träger des Siebenbürgen-Instituts mit Bibliothek und Archiv in Gundelsheim, wird seit über zwei Jahrzehnten von den Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg institutionell gefördert. Diese Grundaustattung sicherte das Funktionieren der Geschäftsstelle, an die jährlich zahlreiche Projekte angedockt werden konnten, meist in Förderhöhe von bis zu 200 Prozent des institutionellen Haushalts.

Schloss Horneck in Gundelsheim, Sitz des Siebenbürgen-Instituts.
Schloss Horneck in Gundelsheim, Sitz des Siebenbürgen-Instituts.

Ursache der Kürzung ist die allgemeine Haushaltslage des bevölkerungsmäßig größten deutschen Bundeslandes, dessen Neuverschuldung schon in den Vorjahren über den zulässigen Margen lag, so dass das Land zu extremen Sparmaßnahmen gezwungen ist. Von den Kürzungen sind alle Bereiche betroffen, freilich nicht alle mit diesen schwerwiegenden Folgen.

Die institutionelle Förderung des Kulturrates war begründet durch die Übernahme der Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen über die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, die dort mit mehreren Zehntausend seit den 1950er Jahren einen Siedlungsschwerpunkt bilden. Die gesetzliche Grundlage der Landesförderung ergab sich aus § 96 Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz, der Bund und Länder anhält, das Kulturgut der Vertriebenen und Flüchtlinge (sowie Spätaussiedler) zu pflegen und wissenschaftliche Dokumentation und Forschung über die deutschen Kulturlandschaften in Ostmitteleuropa zu fördern.

Mit Nachdruck ist darauf hinzuweisen, dass die Kooperation mit den Behörden in Nordrhein-Westfalen stets ausgezeichnet und von gegenseitigem Verständnis geprägt war. Immerhin dürfte das Land im Laufe der Jahrzehnte rund zwei Millionen Euro an Fördermitteln nach Gundelsheim überwiesen haben – über lange Zeit die entscheidende Stütze der Institutsarbeit, für die nachdrücklich Dank ausgesprochen werden muss.

Das „Sitzland“ von Kulturrat und Institut, Baden-Württemberg, stellt seine Förderung hingegen nicht ein, sondern muss „lediglich“ eine bereichsunabhängig und landesweit angewandte Kürzung der Förderung von zunächst 10% vornehmen. Somit steht das Siebenbürgen-Institut zwar nicht vor einer Schließung, da nach wie vor auf die baden-württembergischen und die eigenen Mittel gebaut werden kann, es sind jedoch bereits 2004 beachtliche Einschnitte nötig, gefolgt von einem breiten Abbau der hauptamtlichen Mitarbeiterschaft im Jahr 2005.

Mit den Mitteln der Länder NRW und Baden-Württemberg wurden die hauptamtlichen Mitarbeiter (Geschäftsführung, Buchhaltung, Bibliothekar/in, Sekretariat) bezahlt. Der Haushaltsplan wies über einen längeren Zeitraum konstant diese vier – vielfach geteilten – Stellen aus. Eine Ausweitung war trotz stetig steigenden Arbeitsanfalls genauso wie eine korrekte Einstufung – nahezu alle Mitarbeiter waren tariflich zu niedrig eingestuft – nicht möglich. Die institutionelle Förderung durch das Land NRW war zudem seit über einem Jahrzehnt gedeckelt, d.h. sie blieb nominal gleich, verminderte sich real aber stetig, etwa durch die regelmäßigen Lohnkostensteigerungen und die Inflation. Zuletzt konnten praktisch nur die Personalkosten der Kernstellen aus der Förderung der Länder bezahlt werden. Die Förderung von Projekten wurde von NRW schon in den letzten Jahren auf Null zurückgefahren.

Mit der finanziellen Deckelung der Förderung hätten Kulturrat und Institut leben und sich darauf bzw. auf Gegenmaßnahmen einstellen können. Zu den Gegenmaßnahmen, die das Ausbluten des Instituts mit Bibliothek und Archiv verhindern sollten, gehörte die Gründung des Vereins der Freunde und Förderer der Siebenbürgischen Bibliothek (1992) und der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek (1999). Der Förderverein hat dabei stets den unmittelbaren Nöten des Instituts abgeholfen und der Stiftung obliegt es, genügend Kapital anzusammeln, damit die Einrichtungen dauerhaft und nachhaltig gesichert werden können. Mit Mitgliedsbeiträgen und Spenden des Fördervereins sind Bücher, Archivalien und Arbeitsmittel gekauft, aber auch Anteile von Personalkosten bezahlt worden. Die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek, als Bürgerstiftung konzipiert, ist nach erfolgversprechendem Start von der Wirtschaftskrise erfasst worden und stagniert im Augenblick. Ihre Ausschüttungen reichen noch nicht aus, um zumindest eine halbe Personalstelle (etwa die eines Geschäftsführers) zu finanzieren.

Die Kürzungen für 2004 machten bereits zum 1. Januar zwei Entlassungen notwendig, so dass zwei Mitarbeiterinnen lediglich auf der Basis von Minijobs weiter aushelfen können. Die Fördereinstellung durch NRW wird für 2005 zur Folge haben, dass das Personal der Gundelsheimer Geschäftsstelle von derzeit viereinhalb Stellen (eine halbe Stelle wird von der Stiftung und dem Bibliotheksförderverein finanziert) auf bestenfalls eineinhalb Stellen reduziert werden muss, wobei ein sehr hoher Eigenanteil von über 50 Prozent bereits mit eingerechnet ist: neben den gerade erhöhten Mitgliedsbeiträgen der Kulturratsmitglieder vor allem hohe Anteile der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek, des Fördervereins der Siebenbürgischen Bibliothek und des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde. Auch die Einführung von Benutzungsgebühren ist ab 2004 nötig. Die bevorstehenden Entlassungen sind insoweit überaus schmerzlich, als es sich – trotz mäßiger Bezahlung - durchweg um ausgesprochen motivierte, kompetente und zuverlässige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelt, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass das Siebenbürgen-Institut mit seinen Einrichtungen heute als anerkannte Institution mit breiter Wirkung in Deutschland wie in Rumänien und darüber hinaus dasteht und jüngst die universitäre Anbindung an die Universität Heidelberg erreichen konnte.

Trotz aller Dramatik droht dem Siebenbürgen-Institut mit seinen Einrichtungen keine Schließung, Teilung, Verlagerung oder Auflösung: Die Bestände befinden sich im Eigentum und der kollektiven Trägerschaft des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats, die Räumlichkeiten sind nicht für teures Geld angemietet, sondern sozusagen im „eigenen“ Besitz: Jene im Schloss gehören dem Mietfreiheit gewährenden Trägerverein Johannes Honterus, das Haus in der Schlossstraße gehört dem Landeskundeverein.

Diese schlechten Nachrichten kommen übrigens zu einem Zeitpunkt, zu dem wir wieder einmal Rekordzahlen bei der Benutzung der Bibliotheks- und Archivbestände feststellen können (2002 etwa gab es bei einem Bestand von rund 65 000 Titeln rund 13 000 Nutzungen/Ausleihen), ein großer Stapel neuer eigener Bücher vorliegt (allein 2003 zwölf Titel), das rege internationale Interesse an siebenbürgischen und zumal an sächsischen Themen weiter zunimmt (beim Doktorandenkolloquium vor wenigen Wochen nahmen Nachwuchswissenschaftler aus sieben Staaten teil), das Siebenbürgen-Institut im wachsenden Umfang Partner von Universitäten bei einschlägigen Projekten wird. Eigentlich die besten Voraussetzungen für ein auch perspektivisch fruchtbares Wirken…

Das Siebenbürgen-Institut mit Bibliothek und Archiv muss natürlich auch künftig professionell betrieben werden, um seiner Aufgabe, die deutsche Siebenbürgen-Forschung durch das 21. Jahrhundert hindurch zu erhalten und zu fördern, gerecht zu werden. Angestrebt wird daher, ab 2005 einerseits eine fachlich einwandfreie Betreuung der Bibliothek (mit Archiv) als der nach wie vor am stärksten frequentierten Kernzelle zu gewährleisten, andererseits eine Geschäftsstelle (in Teilzeitbesetzung) zur Weiterführung der Hauptprojekte und zur Einwerbung von Projektmitteln zu erhalten; diese beiden Mitarbeiter sollen dann in den Bereichen Verwaltung, Bibliothek und Archiv von Aushilfskräften unterstützt werden. Diese Kernbesetzung soll die Möglichkeit eines perspektivischen Ausbaus bieten.

Um aber diesen Nukleus im Jahre 2005 tatsächlich zu sichern und zu erhalten, müssen vor allem die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek und der Verein Freunde und Förderer der Siebenbürgischen Bibliothek in diesem Jahr außerordentliche Anstrengungen unternehmen, um Spenden- und Fördermittel einzuwerben. Hierzu sind alle Freunde des Siebenbürgen-Instituts mit Bibliothek und Archiv und alle Landsleute aufgerufen, mitzuarbeiten und mitzuhelfen: mit Ideen, mit Werbung für Spenden (oder längerfristige Vermächtnisse), mit eigenen Beiträgen. Einschlägiges Werbematerial stellen wir gerne zur Verfügung. Neben regulären Zustiftungen wird die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek künftig einerseits „Stiftungen in der Stiftung“ einführen: Das heißt, der Zustifter eines größeren Betrags oder einer Erbschaft/eines Vermächtnisses begründet (zum Beispiel) die „Stiftung Hans Müller (in der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek)“, die künftig gemeinsam mit ihren Erträgen jährlich eigens ausgewiesen wird, also nicht im Gesamtbetrag verschwindet. So bleibt das Andenken und die Erinnerung an die wichtige Fördertat auf lange Sicht erhalten. Andererseits wird die Stiftung künftig anbieten, größere Summen von Förderern leihweise zu übernehmen: das heißt, das Geld bleibt (bis auf Widerruf) im bisherigen Eigentum, wird jedoch von der Stiftung verwaltet und die Erlöse fließen dem Stiftungszweck zu. Der Erfolg eines solcherart gemeinschaftlichen Wirkens könnte der wissenschaftlichen Forschungs und Dokumentation über Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen in Gundelsheim tatsächlich Perspektive verleihen.

Gustav Binder
Harald Roth

Weitere Auskünfte: Siebenbürgen-Institut, Schloss Horneck, 73831 Gundelsheim/Neckar, Telefon. (0 62 69) 42 10-0, Fax: (0 62 69) 42 10-10, E-Mail: info@siebenbuergen-institut.de, Internet: www.siebenbuergen-institut.de/.

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