31. März 2004

Heimisch geworden in Drabenderhöhe

Wie in dieser Zeitung angekündigt, stattet Bundespräsident Dr. h.c. Johannes Rau der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Wiehl-Drabenderhöhe am 1. April 2004 einen offiziellen Besuch ab. Johann Widmann berichtet über die Eingliederung seiner Landsleute in der neuen Heimat.
Im Jahre 1971 verließ die erste siebenbürgisch-sächsische Familie Scharosch und fand in Drabenderhöhe ein neues Zuhause. Bedingt durch das Gesetz der Familienzusammenführung, siedelten im Laufe der Zeit immer mehr Familien nach Deutschland aus. Der Anfang war für uns alle schwer. Die meisten Familien ließen ja ihr gesamtes Hab und Gut zurück, nahmen nur die nötigsten Sachen mit, die sie für einen Neuanfang brauchten. Die meisten waren gezwungen, persönliche Gegenstände, Erfahrungen und Erlebnisse eines prägenden Lebensabschnittes zurückzulassen. Daher lösen die Gedanken an diese alten Zeiten heute schöne wie schmerzhafte Erinnerungen aus.

Zurück zu unseren ersten Schritten hier in Drabenderhöhe. Ein großes Glück war, dass wir alle Arbeit fanden und von den Einheimischen gut aufgenommen wurden. Nun musste mancher Strauch und Baum weichen, um unsere Häuser und Gärten mit den Weinstöcken entstehen zu lassen. Hier fühlen wir uns Gott sei Dank wieder wohl. Das mag wohl auch daran liegen, dass viele Kleinigkeiten an zu Hause erinnern. So tragen zum Beispiel unsere Straßenschilder die Namen von siebenbürgischen Gemeinden und Städten: Hermannstädter Gasse, Schäßburger Gasse oder Reener Land. Auf den Straßen und in den Geschäften spricht man hier in Drabenderhöhe weitgehend noch in unserer Mundart. Eine Ausstellung im Altenheim zeigt alle Burgen, die Siebenbürgen einst hatte, und in der Heimatstube im Hermann-Oberth-Haus kann man die unterschiedlichen Trachten der jeweiligen Gemeinden bewundern. Im Altenheim wurde eine schönen neue Kapelle errichtet und ein symbolischer Wehrturm erbaut. Auch das gut organisierte Gemeindeleben trägt dazu bei, dass wir uns hier wohl fühlen. Jede Nachbarschaft hat eine Nachbarmutter und einen Nachbarvater, die sich für das Wohl ihrer Landsleute einsetzen und schon viele schöne Feste organisiert haben.

Zurzeit leben 45 Familien aus Scharosch in Drabenderhöhe. Insgesamt sind das 146 Personen, davon 30 Urenkel. Die alten Bräuche führen wir in unserer neuen Heimat weiter. Zum Beispiel feiern wir jeden ersten Samstag im Februar Fasching im Dorfhaus Hillerscheid. Am Maifeiertag feiern Jung und Alt zusammen.

Letztes Jahr am vierten Advent hat unser Kränzchen, so bezeichnen wir unseren Freundeskreis von acht Scharoscher Paaren, unser traditionelles Puer Natus in der Kapelle im Altenheim gesungen. In Scharosch wurde das Puer Natus immer am Heiligen Abend mit der ganzen Gemeinde gesungen. So waren mit diesem Auftritt viele schöne Erinnerungen verbunden. Dieser Auftritt wurde jedoch erst durch die tatkräftige Unterstützung von Pfarrer i.R. Kurt Franchy sowie von Hans Wolfgang Klein, dem Leiter des Altenheimes, ermöglicht. Weiterhin war es eine schöne Gelegenheit, den zahlreichen Besuchern, darunter auch unsere Kinder und Enkelkinder, einen für uns sehr bedeutsamen Brauch näher zu bringen. Die jüngere Generation hat bereits kund getan, nächstes Jahr in unsere Fußstapfen zu treten.
Dass sich die Siebenbürger Sachsen erfolgreich in Drabenderhöhe eingelebt haben, scheint sich im Laufe der Zeit herumgesprochen zu haben. Nun, am 1. April, hat sich Bundespräsident Johannes Rau höchstpersönlich angekündigt, um unser schönes Dorf kennen zu lernen und sich ein Bild von unserem Leben zu machen. Ich glaube, im Namen aller zu sprechen, wenn ich sage, dass uns dieser Besuch sehr stolz macht.

Johann Widmann

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