6. Juni 2004

Ein Dilemma Zentraleuropas?

Vor kurzem fand in Arad das "Internationale Symposium für Kulturanthropologie" statt. Kulturwissenschaftler, Anthropologen, Ethnologen und Historiker aus mehreren west-, mittel- und osteuropäischen Ländern – diesmal aus Deutschland, Österreich, Ungarn, Serbien, der Slowakei, der Wojwodina und dem Gastgeberland Rumänien – fanden sich zur derzeit größten wissenschaftlichen Veranstaltung dieser Art ein. Referiert und diskutiert wurde beim sechsten Symposium über "Das Dilemma Zentraleuropas - Zusammenleben oder Koexistieren".
Unter den 36 geladenen Referenten und Ehrengästen befanden sich auch drei Vertreter Siebenbürgens – die Volkskundlerin und Publizistin Brigitte Nussbächer-Stephani, der Historiker und Leiter de Musealen Komplexes Arad, Dr. Peter Hügel, und der Ethnologe Dr. Claus Stephani – sowie prominente Vertreter des rumänischen Kultus- und Kulturministeriums, Berater Dr. Francisc Csortán und Universitätsprofessor Dr. Vintila Mihailescu (beide aus Bukarest).

Nach der Begrüßung der Teilnehmer durch den aus Mediasch stammenden Historiker Dr. Peter Hügel und die Kulturwissenschaftlerin Dr. Elena Rodica Colta, die sich als Organisatorin der Tagung besonders verdient machte, wies Prof. Dr. Vintila Mihailescu in seinem Eröffnungsvortrag in englischer Sprache auf „Die wirtschaftlichen Grundlagen kultureller Integration“ hin. Dr. Claus Stephani (München) untersuchte in seinem Beitrag „Einige Aspekte der Problematik kultureller Integration bei Immigranten in Deutschland“. Der siebenbürgische Forscher verdeutlichte aufgrund eigener empirischer Befragungen, dass die von Politikern bereits 1957 erwünschte multikulturelle und multiethnisch tolerante Gesellschaft in Deutschland noch nicht verwirklicht werden konnte.

Hierzulande, so Stephani in seinem in rumänischer Sprache gehaltenen Referat, konnte jenes multiethnische Zusammenleben, wie es einst in vielen siebenbürgischen oder Banater Städten bestanden habe – wo Sachsen bzw. Schwaben, Rumänen, Ungarn, Serben, Juden, Armenier und andere Ethnien meist harmonisch beisammen domizilierten – noch nicht realisiert werden. Ein „Europa en miniature“ habe es aber bereits in Siebenbürgen, im Banat, in der Bukowina und der Maramuresch gegeben – lange bevor der „europäische Gedanke“ ausgedacht wurde.

Von den über zwölf Millionen Heimatvertriebenen, Flüchtlingen, DPs („Displaced Persons“), die sich nach 1945 als Folge des katastrophalen Zweiten Weltkriegs aus Ost- und Westpreußen, aus Pommern, Schlesien und den Sudentenländern im zerstörten West- und Mitteldeutschland eingefunden hatten, habe z.B. bisher nur ein Teil seine kulturelle Identität im Zuge der erwünschten Akkulturation aufgegeben; ein anderer Teil erlebte nach dem ersten „Kulturschock“, so der Referent, eine Rückbesinnung auf „eigene traditionelle Werte“, was nicht zuletzt bei großen Brauchtumsveranstaltungen, Heimattreffen u.a. deutlich werde.
Rumänien strebt derzeit eine besonders minderheitenfreundliche Politik an, denn in diesem Land leben heute immer noch 18 verschiedene Ethnien, darunter 60 108 Deutsche (2003), die sich, allerdings ungleich, auf Siebenbürgen, das Banat, das Sathmarland, die Maramuresch und die Südbukowina verteilen.

M. W.

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