6. Januar 2005

Wie sächsisch ist der Nachwuchs in Deutschland?

Eine interessante Frage stellte der Bassist der Band "Amazonas-Express" kürzlich im Diskussionsforum von www.siebenbuerger.de unter dem Titel "Aufklärung des Nachwuchses". Er fragte, ob denn in den Familien noch über die Wurzeln und Herkunft der Siebenbürger Sachsen gesprochen werde.
Zitat:
"Es stört und verwundert schon sehr, wenn ein Jugendlicher sagt, er wäre irgendwo in Deutschland auf einer rumänischen Hochzeit (Hervorhebung des Autors) gewesen, bei seiner Cousine Agnes Schneider und ihrem frisch angetrauten Ehemann Kurt Müller, beide aus Probstdorf (fiktive Namen, wohlgemerkt!). Da fragt man sich, was die Eltern ihren Kinder eigentlich noch über ihre Wurzeln und ihre Herkunft beibringen! Wird denn in vielen sächsischen Familien gar nicht mehr über Geschichte, Kultur und Tradition der Siebenbürger Sachsen geredet?“
Quelle: http://www.siebenbuerger.de/ubb/Forum11/HTML/000487.html

Die Antworten auf diese interessante Fragstellung sind breit gefächert und reichen von Zukunftsprophezeiungen, nach denen Deutsch in Zukunft die wichtigste Sprache im europäischen Raum sein wird, bis hin zu blankem Entsetzen über diese „unfassbare Entwicklung“ und dem Beschwören der sächsischen Tugenden. Andere Diskussionsteilnehmer bestätigen die Aussage des Bassisten, weisen aber auch auf positive Beispiele hin, in denen die Großeltern sehr wohl das Interesse an der alten Heimat bei den Jüngeren geweckt haben.

Wie in Onlineforen üblich, driften solche Diskussionen leider sehr schnell in persönliche Angriffe á la „welch ein vaterlandsloser Geselle“ ab, wenn man nicht allen Aussagen zustimmt oder versucht, die angesprochene Arroganz und Ignoranz der Deutschen, wegen dem fehlenden Wissen um die siebenbürgisch-sächsische Geschichte zu relativieren und zu erklären. Wer aber mit dem Finger auf die anderen zeigt, vergisst oftmals, dass mindestens drei andere Finger auf ihn selber zeigen. In diesem Fall trifft das sogar noch viel mehr zu, da wir ja als die deutschesten der Deutschen gelten. So zumindest soll es mal Martin Opitz, Dichter des Barock, Vater der deutschen Dichtung, ausgedrückt haben. Dementsprechend müssten wir dann auch die arrogantesten und ignorantesten Deutschen sein...

Seit Dragostea din tei von O-Zone ein Hit ist und der Dacia Logan von sich reden macht, scheint es wohl „cooler“ zu sein, sich rumänisch zu fühlen statt sächsisch. Dies ist eine schallende Ohrfeige an alle Siebenbürger Sachsen, die sich Jahrhunderte lang und bis in die Gegenwart strengstens dagegen verwehrt haben, in irgendeiner Form mit den Rumänen in einen Topf geworfen zu werden.

Was ist in den letzten 15 Jahren passiert? Ist es nur eine Entwicklung der letzten 15 Jahre, oder wurden vielleicht schon früher die falschen Schwerpunkte gesetzt? Auf Bundesebene gibt es zwar ausreichend Angebote an siebenbürgisch-sächsischen Veranstaltungen, die Resonanz scheint allerdings nicht groß genug zu sein, um eine kritische Masse zu erreichen. Gespräche mit einigen Jugendlichen an der Basis führten zu der Erkenntnis, dass die Existenz und Aktivitäten der Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) schlichtweg nicht bekannt sind. Hochrechnungen bezüglich der Verbreitung der Siebenbürgischen Zeitung scheinen offenbar nicht der Realität zu entsprechen.

Ein anderer Diskussionsteilnehmer formuliert treffend, dass die Jugendarbeit an der Basis dringend verbessert werden muss. Aber auch in der Keimzelle der Gemeinschaft, in der Familie selbst, sollten Identität, Herkunft und Geschichte der Siebenbürger Sachsen thematisiert werden. Sonst wird sich die jetzige Elterngeneration vielleicht irgendwann der Frage stellen müssen: „Warum habt ihr euch verleugnet? Es gab ja nichts, weswegen ihr euch hättet schämen müssen.“

Die Fragen, die heute beantwortet werden müssen sind: Wie binden wir die Jugend in unsere Gemeinschaft ein, ohne sie mit „uncoolen“ Veranstaltungen und Aktivitäten wie z.B. Trachtentanz oder Blasmusik zu langweilen oder zu verschrecken, und wie bringen wir ihnen die Wertevorstellungen unserer Ahnen näher? Vorstellbar wären z.B. Geschichtsstunden mit den Großeltern, die in regelmäßigen Abständen den Jugendlichen die Kulturgeschichte der Siebenbürger Sachsen, in Form von spannenden Geschichten und Vorträgen, näher bringen könnten. Auch Benimmkurse könnten Themen solcher Geschichtsstunden sein. Gibt es hierzu Erfahrungen aus den verschiedenen Kreisgruppen?

Diese Fragen können nur auf Ebene der Kreisgruppen jeweils individuell beantwortet werden. Auf Bundesebene können allenfalls Anregungen, Ideen und Unterstützung geboten werden.

Jürgen Schiel, Böblingen

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