12. Mai 2006

Kommt die "Wusch" wieder?

Die "Wusch" (Mocănița) kommt wieder. Das verspricht sich und anderen neuerdings der Agnethler Bürgermeister Radu Curcean. Und er spinnt seinen Wunschtraum rund um die Wusch in der Lokalpresse noch weiter: Die ehemalige Schmalspurbahn, die ab 1910 die Haupt- und Hermannstadt mit der Harbachtaler Hauptstadt Agnetheln knapp ein Jahrhundert lang verband, soll, wenn wieder in Funktion, nicht nur Touristen, sondern auch Investoren in diese teilweise vernachlässigte Region locken.
Schmalspurbahnen sind nun einmal europaweit eine Attraktion und werden für den Fremdenverkehr vielerorts wieder auf Schienen gesetzt. Und diese Absicht hegte übrigens bald nach dem Umbruch in Rumänien ein ausländischer Germanist in Hermannstadt. Der Gastlektor und nebenher Schmalspurbahn-Fan machte sich in den 90er Jahren auf die Spuren der mittlerweile eingestellten Agnethler "Kaffeemühle". Doch erfolglos. Die gesamte Zuggarnitur, so hieß es damals, wurde von der Kronstädter Eisenbahnzentrale eingezogen und vorerst auf Nimmerwiedersehen unter der Zinne in Gewahrsam gehalten.

Einen mitunter trostlosen Eindruck hinterlässt das Gleis der Agnethler Schmalspurbahn (hier ein Abschnitt bei Cornă țel). Eine Reaktivierung der guten alten
Einen mitunter trostlosen Eindruck hinterlässt das Gleis der Agnethler Schmalspurbahn (hier ein Abschnitt bei Cornă țel). Eine Reaktivierung der guten alten "Wusch" wird nicht nur vom Agnethler Bürgermeister angestrebt. Foto: Konrad Klein

Nach der Jahrtausendwende erinnerten sich beherzte Leute wieder der Wusch und gegründeten den Harbachtaler Verein ("Valea Hârtibaciului"), der eine Revitalisierung der ganzen Region anstrebt. Im Sommer 2004 kam erneut Bewegung in die Bemühungen um die alte Bahn, an denen sich u. a. der Mihai Eminescu Trust, die KulturLand SRL, der Agnethler Bürgermeister und der erwähnte Verein beteiligen. Der Mihai Eminescu Trust ermöglichte die Finanzierung einer Machbarkeitsstudie, die zu Jahresanfang in Angriff genommen wurde. Eine Harbachtaler Abordnung reiste vergangener Tage nach England, um ein Erfolgsprojekt für Schmalspurbahnen vor Ort einzusehen.

Bloß damit wurde die schwierigste Hürde noch lange nicht genommen. Mit den Vorhaben in der Hand soll nun zunächst die Eisenbahnverwaltung (SNCFR) von der Nützlichkeit des Projekts überzeugt werden, die lokalen Verwaltungsbehörden (Präfektur und Kreisrat) müssen desgleichen einvernehmlich den "Goroschenern" dies Geschäft abtreten. Denn ein Geschäft ist es allemal, eine Schmalspurbahn zu betreiben. Eile ist durchaus geboten, zumal, laut letzten Polizeimeldungen, Alteisenhändler bereits Hand an den Unterbau auch dieser Schmalspurbahn anlegten. Ohne diesen Unterbau jedoch macht ein überholter Überbau danach keinen Sinn mehr. Daran allerdings haben die künftigen Betreiber offenbar noch nicht gedacht. Ihnen schwebt bloß eines vor: Mit umgerechnet 60 000 Euro, so der Agnethler Bürgermeister, die Schmalspurbahn auf eine erste Reise zu schicken - vorerst eben nur an Ruinen moderner Zivilisation vorbei, wie Industriebrachen oder verfallene Bahnhöfe. Allerdings sei das Harbachtal keine "trostlose Landschaft", sondern "wesentlicher Bestandteil der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen-Landschaft und überdies reich auch an anderen kulturellen Einflüssen, seien es jene der rumänischsprachigen Bevölkerung, der Zigeuner oder der vergessenen Spuren jüdischen Lebens", wie Radu Curcean in einem Leserbrief an die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien feststellt.

Martin Ohnweiler

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 8 vom 15. Mai 2006, Seite 1 und 5)

Schlagwörter: Wirtschaft, Agnetheln, Hermannstadt

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