3. Februar 2007

Zeitgeschichtlicher Schwerpunkt: "Ungarn 1956"

Mit dem zeitgeschichtlichen Schwerpunkt „Ungarn 1956“ eröffnet das vierte Heft des ersten Jahrgangs (55) der vom Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München (IKGS) herausgegebenen Vierteljahresschrift „Spiegelungen“. Das historische Ereignis, die Hintergründe, Verlauf und unmittelbare Folgen des ungarischen Aufstandes werden von Fachwissenschaftlern aufgrund neuester Forschungsergebnisse dargestellt und beurteilt.
Ádám Szesztai (Budapest) behandelt den Aufstand im Hinblick auf die Auswirkungen für die ethnischen Minderheiten in Ungarn, insbesondere der Deutschen, während Mariana Hausleitner (München) die Folgen der ungarischen Revolution in Rumänien untersucht, wo es u. a. in Bukarest, Temeswar und Klausenburg zu Protestaktionen gekommen war, die das kommunistische Regime brutal unterdrückte und ahndete. Ein lebendiger Zeitzeugenbericht ist der Auszug aus dem autobiografischen Roman „Silberdistel“ von Nikolaus Pietsch (Arad/Heidelberg), der an dem Aufstand der Temeswarer Studenten, unter ihnen Rumänen, Ungarn und Deutsche, teilgenommen hatte und dafür zu mehrjähriger Gefängnishaft und Zwangsarbeit verurteilt worden war.

Im literarischen Teil bringen die Spiegelungen ein Fragment („Landschaft, holländische Schule“) aus einem neuen Roman von Julia Schiff, der in Rückblenden die Chronik einer Banater bzw. Dettaer Familie episch gestaltet, sowie einen Gedicht-Zyklus des aus Mediasch stammenden, heute in Stuttgart lebenden Autors Klaus F. Schneider. Die Dichterpersönlichkeit Oskar Pastiors (1927-2006), des in Hermannstadt geborenen, bekannten Experimentallyrikers, der kurz vor Entgegennahme des Georg-Büchner-Preises in Frankfurt a. M. verstarb, deutet Edith Konradt in dem fundierten Beitrag „Der Quantensprung der deutschen Poesie“. Wulf Kirsten, namhafter Dichter und Herausgeber, der zum rumäniendeutschen Literaturbetrieb der 1970er und 1980er Jahre enge Beziehungen unterhielt, berichtet aus Anlass des 100. Geburtstages von Alfred Kittner (1906-1992) über seine Begegnungen und fruchtbaren Literaturgespräche mit dem Bukowiner Dichter. Matthias Buth, Lyriker und Essayist, präsentiert mit Empathie serbische Poesie des 20. Jahrhunderts: „Das Lied öffnet die Berge“.

Ein einfühlsamer Interpret ist auch der Banater Prosaist und Publizist Franz Heinz, der anlässlich einer Düsseldorfer Ausstellung zum 70. Geburtstag des am 1. September 1936 in Brenndorf geborenen Malers und Grafikers Reinhardt Schuster unter dem Titel „Kunst, das ist das Recht auf Individualität“ über „Gefundenes und Erfundenes“ im Werk des Künstlers schreibt. Der Kirchenhistoriker Ulrich A. Wien führt in die siebenbürgisch-sächsische dörfliche Lebenswelt des 16. Jahrhunderts ein. Er befasst sich mit „Sozialdisziplinierung in der Predigt“ bei dem ca. 1535 ebenfalls in Brenndorf geborenen Pfarrer Damasus Dürr. Wien bricht dabei eine Lanze für die Edition dessen Predigten, die auch bemerkenswerte Sprachdokumente sind.

Thematisch und räumlich umfassend ist die von Peter Motzan redigierte Rubrik „Neue Bücher“, in der eine breite Palette von wichtigen Neuerscheinungen zur Geschichte und Kultur südosteuropäischer Länder und Regionen besprochen werden. Im „Forum“ berichten Juliane Brandt und Mariana Hausleitner über Tagungen zur Geschichte und Literatur Südosteuropas in Berlin (Ungarn 1956), Konstanz (Historikerkongress), Hermannstadt (Bildung literarischer Zentren) und Lüneburg (Kirche und Nation). Ergänzende Informationen enthalten die „Rundschau“ und ihr Chronikteil.

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Die Vierteljahresschrift „Spiegelungen“ kann als Einzelheft für 6,15 Euro (zuzüglich Porto) und als Jahresabo für 22,50 Euro (einschließlich Porto) über Intime Services GmbH, Bajuwarenring 14, 82041 Oberhaching, Telefon: (0 89) 85 70 91 12, bezogen werden.

Schlagwörter: Kommunismus, Zeitgeschichte, Vergangenheitsbewältigung

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