11. März 2007

Beeindruckende Werkschau von Gert Fabritius in Kornwestheim

Das Museum im Kleihues-Bau in Kornwestheim eröffnete am 9. Februar vor zahlreichem Publikum sein diesjähriges Ausstellungsprogramm mit einer Präsentation der jüngsten Werke des 1940 in Bukarest geborenen Holzschneiders und Malers Gert Fabritius. Fünfzig großformatige Arbeiten, zumeist in der Technik übermalter Holzschnitte geschaffen, führen auf knapp 400 qm in eine Bilderwelt der Auseinandersetzung mit den Grundbestimmungen menschlichen Daseins, mit der conditio humana ein: „Arche und Tod – Widerschein des Seins“, so lautet der Titel der Werkschau.
Schöpfung und Schicksal, Auflehnen und Scheitern, in mythologischem Gewande daherkommend, ironisch gebündelt und ohne Pathos auf die Daseinsbesinnung im Tode fokussiert – das sind seit Jahren schon die Konstanten in der Kunst von Gert Fabritius.

Die Übung im Dasein wird vorgeführt von der immer wiederkehrenden Anstrengung des Sisyphos, der seinen Stein den Berg hinaufrollt, trägt oder aber die Leiter hinaufkletternd schultert. Den Part des mythologischen Gegenübers verweist Fabritius an die Gestalt des Minotaurus, der, in künstlerischer Freiheit dem Labyrinth entwichen, seinem „Bruder im Geiste, Sisyphos“ (Dr. Günter Baumann; der Kunstkritiker führte am 9. Februar in die Ausstellung ein), das sich wiederholende Scheitern als ein stetig besseres Scheitern vor Augen hält.
Gert Fabritius: „Zieder Totentanz“, 2006. Foto: wesser&bogenschütz
Gert Fabritius: „Zieder Totentanz“, 2006. Foto: wesser&bogenschütz

In der Weiträumigkeit der großdimensionierten Bildflächen begegnen sich die beiden Leitfiguren der Fabritius’schen Gedanken- und Bilderwelt, Sisyphos und Minotaurus, zwischen Stühlen und Leitern, mutmaßend über die Arche Noah, über die Standfestigkeit oder aber die Fragilität des Seins. Ihnen zur Seite sucht Ahasver als Sinnbild jener „Wegkreuzschar, die nirgends wohnt“ (Immanuel Weißglas), festen Grund auf dem Boden eines schwankenden Schiffsrumpfes.

Arche, Stuhl und Leiter sind bei Fabritius in obsessiver Wiederkehr mehr als nur ikonographische Accessoires, sie sind ebenso wie die Gestalten von Sisyphos und Minotaurus Chiffren hochgradig symbolischer Vieldeutigkeit. Die Schiffs-Figuration geht über das tradierte Symbol christlicher Gnadenverheißung hinaus, ebenso wie das Stuhlsymbol, wie wir es als Herrscherthron des Christus Pantocrator von den Ikonen der Ostkirche her kennen, bei Fabritius zum Menschen schlechthin mutiert. Und die Leiter, die als Himmelsleiter allerdings nicht weiter als nur bis zu den Wanten eines Schiffsrumpfes reicht, stellt ihre Sprossen dem Sisyphos zur Verfügung, vereint und verbindet somit Christliches mit Antikem.

Bei dem in seinem siebten Lebensjahrzehnt zur Hochform auflaufenden Künstler steht die ins Monumentale tendierende, im rasanten Gestus des Trennschleifer-Holzschnittes geschaffene Raum-Zeitlos-Figur des mythologischen Helden stets im Vordergrund. Doch hin und wieder überlagern sie transluzide Farbstrukturen, die mit ihrem zum Abstrakten tendierenden Impetus der Imagination und der Intuition visionären Raum aufschließen. In diesem Raum angesiedelt ist Fabritius’ danse macabre, hierher gehören seine beiden Totentanz-Zyklen. Mit einer vierzehnteiligen Folge zu einem „Zeitgenössischen Totentanz“ offenbart sich Gert Fabritius vordergründig als zeitpolitischer Künstler, indem er die Atombombe, das verseuchte Erdreich und die Luft, ebenso die Straße als lebensgefährdenden Raum zu Todes-Chiffren der Moderne inszeniert. Verwoben wird die Bildaussage mit dem Wortmaterial, das hier nicht nur auf seine Tragfähigkeit als künstlerisch-ästhetisches Wortwerk überprüft wird, sondern in direktem semantischen Austausch mit dem Zeichnerischen steht. Als Holzschneider, der seine künstlerische Laufbahn zunächst als Buchillustrator in Klausenburg begann und dann in Bukarest fortsetzte, weiß Fabritius sowohl um das linguistische, als auch das graphisch-gestalterische Potential, das im einfachsten Wortzeichen steckt.

Letztlich zeigt die Ausstellung die aus der Zusammenarbeit mit der Museumsleiterin und Ausstellungskuratorin Dr. Irmgard Sedler entstandene Serie des „Zieder Totentanzes“. Irmgard und Werner Sedler recherchierten und rekonstruierten jüngst das mittelalterliche Mysterienspiel „Vom König und dem Tod“, das noch bis um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert in Siebenbürgen als memento mori am Höhepunkt fastnachtlicher Belustigung in den Dorfgemeinschaften aufgeführt wurde. Dieses diente Gert Fabritius als Ausgangspunkt zur künstlerischen Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Todesfiguration des Sensen- und Knochenmannes in einer beeindruckenden Inszenierung des endzeitträchtigen Lebensreigens. Das Mysterienspiel selbst wird derzeit von dem siebenbürgischen Regisseur Günter Czernetzky inszeniert und zur Finissage der Ausstellung am 6. Mai in der Ausstellung uraufgeführt.

Irmgard Sedler




Die Ausstellung „Arche und Tod – Widerschein des Seins“ im Museum im Kleihues-Bau (Stuttgarter Straße 93, 70806 Kornwestheim, Telefon: (0 71 54) 2 02 74 01, E-Mail: museen@ kornwestheim.de) ist noch bis zum 6. Mai freitags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Rahmenprogramm zur Ausstellung: 30. März, 19,30 Uhr: „Kentaur Kunst“, literarisch-musikalischer Abend, Lesung aus Immanuel Weißglas (Martin Theuer, Stuttgart) und Percussion (Prof. Klaus Dreher); 1. April, 16 Uhr: Kuratorenführung mit Dr. Irmgard Sedler; 6. Mai, 19 Uhr: Finissage mit Mysterienspiel „Vom König und dem Tod“. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

Schlagwörter: Ausstellungen, Künstler

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