23. März 2007

Interview mit Reinhold Kraus: Gipfelstürmer auf drei Kontinenten

Einer der erfolgreichsten Hobbybergsteiger und Klettersportler unter den Siebenbürger Sachsen ist der gebürtige Mediascher Reinhold Kraus. Seine letzte Expedition führte den 50-Jährigen im Frühjahr 2006 ins Himalaya-Gebirge, auf den sechsthöchsten Berg der Welt, den Cho Oyu (8 201 m). Es ist ihm gelungen, die höchsten Gipfel von drei Kontinenten, Europa, Afrika und Südamerika, zu besteigen, auch einige Berge im Himalaya. Kraus lebt in Geretsried und ist seit 20 Jahren Leiter der Alpingruppe Adonis sowie stellvertretender Vorsitzender der Sektion Karpaten des Deutschen Alpenvereins (DAV), deren Mitglieder fast alle Siebenbürger Sachsen sind. Von Beruf Meister in einem metallverarbeitenden Betrieb, ist er in Geretsried als aktives Mitglied der Kreisgruppe Bad Tölz-Wolfratshausen in deren erweitertem Vorstand tätig. Mit dem erfahrenen Gipfelstürmer sprach Sektionskamerad Walter Klemm.
Reinhold, was empfindest du am Gipfel?

Das ist unterschiedlich. Manchmal sind die Gefühle sehr intensiv, manchmal weniger. Es ist aber immer eine Freude, da ich mein gesetztes Ziel erreicht habe. Die Intensität der Glücksgefühle, die ich oft mit einem Schrei auf dem Gipfel ausdrücke, hängt ab von der Mühe der Vorbereitung und den Schwierigkeiten, die ich für den Weg nach oben überwinden musste, und ist überwältigend. Doch dieser einzige Moment ist nicht der ganze Sinn und Grund des Bergsteigens. Ich betrachte diese Unternehmungen als ein Ganzes. Dazu gehört die Vorbereitung, wissensmäßig und körperlich, die Tour selbst und das Danach, wie Erzählungen, Diavorträge, die gesammelte Erfahrung. Land und Leute, die Fauna und Flora der Berge kennen zu lernen, ist mir auch sehr wichtig.

Der Mediascher Reinhold Kraus ist seit 20 Jahren Leiter der Alpingruppe Adonis sowie stellvertretender Vorsitzender der Sektion Karpaten des Deutschen Alpenvereins (DAV).
Der Mediascher Reinhold Kraus ist seit 20 Jahren Leiter der Alpingruppe Adonis sowie stellvertretender Vorsitzender der Sektion Karpaten des Deutschen Alpenvereins (DAV).
Wie hoch war das Risiko bei der Besteigung des Cho Oyu?

Das Risiko-Empfinden hängt von der Vorbereitung und der Perspektive des Bergsteigers ab. Ich hatte fast nie das Gefühl, in großer Gefahr zu sein, da ich den schwierigen Situationen, wie Klettern in großer Höhe, Atemnot, extreme Kälte gewachsen war.

Der Umgang mit der Angst spielt eine große Rolle.

Ich lernte in den vielen Jahren, in vielen kritischen Situationen mit ihr umzugehen. Gerade diese Grenzwanderung der Gefühle ist ein Reiz des Bergsteigens. Man spürt, dass man lebt, da man Körper und Sinne voll einsetzt. Es bleibt ein Restrisiko, wie Steinschlag, Wetterumsturz, Höhenkrankheit, gegen die man wenig tun kann.

Das Team am Cho Oyu war international. Du hast diese Bergsteiger erst vor dem Aufstieg kennen gelernt. Hattest du keine Bedenken, mit wildfremden Leuten unterwegs zu sein?

Nein, weil ich im Laufe der Jahre meist positive Erfahrungen mit den Menschen verschiedener Nationen gemacht habe. Bislang habe ich überall auf der Welt viel Wärme und Entgegenkommen erfahren, gleich ob arm oder reich, ob die Hautfarbe weiß, schwarz oder gelb war. Mit anderen Bergsteigern verbindet einen natürlich auch das gemeinsame Ziel und es ist selbstverständlich, dass man sich gegenseitig hilft, soweit dies möglich ist. Solche Begegnungen sind auch deshalb interessant, weil man sich austauscht und die jeweilige Weltanschauung oder Wertevorstellungen kennen lernt. Fragt man mich, was ich bin, dann antworte ich: Siebenbürger Sachse, Deutscher, Europäer und Weltbürger.

Wann hast Du mit dem Bergsteigen begonnen?

Die ersten Begegnungen mit dem Berg liegen in der Schulzeit, wo mich die Lehrer Christa Maurer (geborene Honigberger) und Gustav Servatius prägten. Erst als ich mit 30 Jahren meine Handball-Sportzeit beendete, widmete ich mich intensiv dem Bergsport.

Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, auf den Bergriesen dieser Welt unterwegs?

Leidensfähigkeit. Mit der Einsamkeit sollte man gut zurechtkommen, sich in sich geborgen fühlen. Zudem spielt der Instinkt eine große Rolle, der muss dort funktionieren, wenn Schock und Erschöpfung das Denken beeinträchtigen, wenn Körperfunktionen außer Gefecht geraten.

Trotz der immer anspruchsvoller werdenden Gebirgs- und Hochgebirgstouren kam der Erfolg.

Hinter dem Erfolg der letzten Jahre beim Gipfelbesteigen, darunter waren Mont Blanc und Dufour Spitze in den Alpen, Elbrus im Kaukasus, Kilimandscharo in Afrika, Aconcagua in Südamerika und Nepals Berge, verbirgt sich jahrelange Bergsteigererfahrung, Aus- und Fortbildungen, intensives Training, Mut, Wille und eine Portion Glück.

Mit welchem Ziel wurde die Alpingruppe gegründet?

1985 gründete ich zusammen mit sieben deutschen Arbeitskollegen aus Liebe zum Sport, der Natur und zur Förderung der Gemeinschaft die Alpingruppe Adonis (AA) im „Automecanica“-Betrieb in Mediasch, mit der Unterstützung des damaligen Direktors Gerhard Kelp. Das gelbe Adonisröschen war unser Namensgeber. Dabei wurden die Wander- und Orientierungslauf-Wettbewerbe zum Hauptziel. In der Rumänienzeit hatte die AA über hundert Mitglieder, die an Kreis- und Landeswettbewerben teilnahmen und manchen Wettkampf für sich entschieden.

Nach der Aussiedlung nach Deutschland um 1990 fanden die dann verstreut lebenden Adonis-Mitglieder wieder zusammen.

1992 trafen sich die Adonisfreunde bei einer Skiwoche in Lofer (Tirol) und beschlossen die Wiederbelebung der Alpingruppe Adonis.

Seit 1996 seid Ihr auch Mitglieder der Sektion Karpaten des DAV. Wie kam es dazu?

Die gemeinsamen Ziele und Interessen bewogen uns, der jungen Sektion Karpaten des Deutschen Alpenvereins beizutreten. Diese Sektion sieht sich als Nachfolger in Deutschland, des Siebenbürgischen Karpatenvereins, in dessen Rahmen zwischen 1880 und 1945 Bergsport betrieben wurde. Die Sektion Karpaten bot den organisatorischen Rahmen für die Entfaltung unserer Gruppe. Heute hat die Sektion 325 Mitglieder und wir würden uns freuen, wenn sich viele Bergbegeisterte zu uns gesellen.

Wie hast du dich organisatorisch in diesen Jahren in der Sektion Karpaten eingebracht?

Es gibt vier wichtige Aspekte, die mir ein großes Anliegen waren und sind: die Aus- und Fortbildung der Tourenleiter und Mitglieder; das Erweitern der Vielfalt an Bergdisziplinen (Wandern, Bergsteigen, Hochtouren, Klettersteig-Gehen, Klettern, Trekking, Höhenbergsteigen, Expeditionen, Skitouren, Ski Alpin, Rodeln, Mountainbike); die Jugend- und die Öffentlichkeitsarbeit.

Worin besteht die Jugendarbeit der Sektion?

Schon in Mediasch war es mein Anliegen, möglichst viele Jugendliche für die Orientierungs- und Wanderwettbewerbe zu begeistern. Für die Jugend der Sektion werden eigene Aktivitäten organisiert, für bis zu zwanzig Kinder und Jugendliche pro Veranstaltung (Skiwoche, Rodeln, Kletterwochenenden, Familienwanderungen, Hallenklettern). Des Weiteren werden Ausbildungen angeboten, die dazugehörige Ausrüstung zur Verfügung gestellt und sie werden finanziell unterstützt.

Was gehört zu deiner Öffentlichkeitsarbeit?

Alljährlich veranstalte ich acht bis zehn Diavorträge in verschiedenen Ortschaften vor interessiertem Publikum bzw. Landsleuten. Hinzu kommt die Berichterstattung in der „Siebenbürgischen Zeitung“, dem „Berggeist“, der „Mediascher Zeitung“, im Jahrbuch der Sektion und auf unserer Internetseite www.sektion-karpaten.de, wo ich viele meiner Bilder veröffentliche. Auch Fotoausstellungen in Dinkesbühl gehören dazu.

Die Alpingruppe Adonis gehört auch der Kreisgruppe Bad Tölz Wolfratshausen an.

Genau. Hier erfahre ich viel Unterstützung, etwa beim Organisieren von Diavorträgen. Zudem treffe ich in den Kulturgruppen Jugendliche und kann sie für den Bergsport begeistern.

Hast du außer Bergsteigen noch Hobbys?

Oh ja, ich feiere leidenschaftlich, tanze gerne, spiele und singe zur Gitarre, organisiere Hüttenspiele. Ein besonderes Hobby ist die vom Vater gelernte Metzgerei, die ich bei Grillfesten betreibe. Mit Freude spiele ich in der Geretsrieder Theatergruppe Laienstücke in Mundart für die Landsleute.

Deine Wünsche für die Zukunft?

Es klingt vielleicht abgedroschen, doch wünsche ich mir in erster Linie gesund zu bleiben. Meine Reise-Wunschliste ist groß. Ich möchte in Nordamerika und in Asien trekken. Im Jahr 2008 werde ich an einer Expedition im Pamir teilnehmen. Darüber hinaus wünsche ich mir sehr, dass die Sektion Karpaten mit der Alpingruppe Adonis das jetzige organisatorische und sportliche Niveau halten kann und sich weiter steigert.

Vielen Dank für das Gespräch.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 4 vom 15. März 2007, Seite 15)

Schlagwörter: Sektion Karpaten des DAV, Jugend

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Neueste Kommentare

  • 24.06.2007, 14:34 Uhr von Grete: Toll, Reini! Wir gratullieren Dir zu Deinem Gipfel! Viele Grüße, Grete & Horst [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

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