25. Dezember 2003

Siebenbürgische Herbst- und Weihnachtsbräuche

Der Winter ist die Jahreszeit, die durch eine besondere Häufigkeit von Festen, Feiertagen und Bräuchen gekennzeichnet ist. Das hängt mit dem Beginn des neuen Kirchenjahres zum ersten Advent, also Ende November oder Anfang Dezember, zusammen, doch vielleicht auch damit, dass früher beim Vorherrschen bäuerlicher Lebensformen die Menschen im Winter weniger zu arbeiten, also mehr Zeit zum Feiern hatten.
Den Übergang vom Herbst zum Winter in der Folge der Bräuche bildet bei den Siebenbürger Sachsen der Kathreinenabend (25. November): "Kathrein - bricht der Winter ein". Der alte Spinnstubenbrauch, dass die Knechte die Mägde an diesem Abend beim Spinnen stören, gar versuchen, ihnen die Röcken zu zerbrechen, symbolisiert, dass nun die schweren Herbstarbeiten getan sind und mit dem Feiern begonnen werden soll, dass die festliche Vorweihnachtszeit folgt. Heute bei der vorherrschenden Urbanisierung ist der Kathreinenball vielleicht bloß Anlass, sich an der Wende vom Herbst zum Winter in geselligem Beisammensein zur Gemeinschaft zu bekennen.

Außer dem Katharina-Tag feiern die Siebenbürger Sachsen in der Winterzeit noch einige "große Namenstage", die sich aus der vorreformatorischen Zeit - die Namenheiligen - bis heute erhalten haben und mit spezifischen Bräuchen, die auch örtliche Varianten aufweisen, verbunden sind: Martin (11. November), Elisabeth (19. November), Konrad ("Günzelabend", 26. November), Nikolaus (6. Dezember), Thomas (21. Dezember) - und nach Weihnachten - Dreikönige, Kaspar, Melchior und Balthasar (6. Januar), Maria (2. Februar) und Blasius ("Blasi", 3. Februar).

Zum vorwinterlichen Zeitabschnitt gehört auch das besondere Gedenken an die Verstorbenen zu Allerheiligen (Gedenken an Heilige und Märtyrer), Allerseelen (Gedenktag für die Verstorbenen) und am Totensonntag. Das Allerheiligenfest zu Ehren der Märtyrer wurde zuerst am 13. Mai 610 gefeiert, weil an diesem Tag Papst Bonifatius IV. den Pantheon-Tempel in Rom als christliche Kirche weihte. Zur Erinnerung an diese Weihe des byzantinischen Tempels setzte Papst Gregor IV. Allerheiligen auf den l. November fest. Er hatte dafür einen praktischen Grund: Im Mai war für die vielen Pilger, die herbeiströmten, nicht genug Speise und Trank vorhanden.

Das Allerseelen-Fest wurde in den Benediktinerklöstem erstmals 998 gefeiert. Aber erst im 14. Jahrhundert erschien es im römischen Kalendarium, um schließlich 1915 von Papst Benedikt XV. zum verbindlichen Feiertag erklärt zu werden. Allerheiligen und Allerseelen (l. und 2. November) sind wohl katholische Feiertage, doch werden sie in letzter Zeit auch in vielen siebenbürgischen, vorherrschend protestantischen Ortschaften ebenfalls feierlich begangen, insbesondere dort, wo die Friedhöfe der verschiedenen Konfessionen nicht streng voneinander getrennt sind, d. h. die Gräber werden geschmückt und mit Kerzen beleuchtet. Dieser kirchliche Feiertag wird auf diese Weise spontan zu einem ökumenischen, in Siebenbürgen gleichzeitig interethnischen Feiertag aller Konfessionen. Bräuche sind wohl traditionsbedingt und daher relativ starr, doch gibt es immer auch Beispiele für ihre Wandelbarkeit und das Entstehen unter unseren Augen von neuen Bräuchen und neuen Varianten.

Der evangelische Totensonntag ist der letzte Sonntag im Oktober und wird in vielen Gemeinden zusammen mit dem Reformationsfest (31. Oktober) begangen. Zu vermerken sind auch ortsübliche Gepflogenheiten. So wird z. B. in Schäßburg am Totensonntag in der nicht beheizbaren Bergkirche zum letzten Mal im Jahr Gottesdienst abgehalten. Die Bergkirche liegt in unmittelbarer Nähe des Bergfriedhofes.

Von den zahlreichen großen Namenstagen soll hier bloß der Nikolaus (6. Dezember), der besonders reich an kindertümlichen Bräuchen ist, dargestellt werden. Den Heiligenlegenden zufolge war Nikolaus Bischof von Myra in Lykien zu Beginn des 4. Jahrhunderts. Er entwickelte sich zu einem der volkstümlichsten Heiligen der griechisch-orthodoxen Kirche, während sein Kult in der katholischen Kirche des Abendlandes vor allem auf die Überführung seiner Gebeine nach Bari im Jahre 1087 zurückgeht. Der heilige Nikolaus ist Patron verschiedener Berufe (Seefahrer, Fischer, Brückenbauer u. a.), zudem gilt er als Beschützer der Jungfrauen, der Gebärenden, der Kinder, insbesondere der Schüler. Vielleicht nicht zufällig war z. B. die Bergkirche in Schäßburg, die ja auf dem "Schulberg" steht, wo sich seit altersher eine Schule befand, dem heiligen Nikolaus gewidmet (Nikolai-Kirche). Die Beziehung zu Kindern kommt in den bekannten Bräuchen des Vorabends zum 6. Dezember zum Ausdruck, die sich bis heute auch in protestantischen Gegenden erhalten haben. In der Volkskunde wird angenommen, dem heiligen Nikolaus sei die Rolle germanischer Spendegötter zugefallen. Er tritt in Überlagerung mit der Rolle des "Chrästman", als "Krampes", "Gotsbuorich", "Pielzmierten", "Glitzku" auf. Nach der Legende reitet er auf einem Esel oder Schimmel - mancherorts reist er sogar altheidnisch mit Mäuse- oder Katzengespann. Der Nikolaus beschenkt die "brave" Kinder aus seinem Sack, nachdem er sie über gute und böse Taten befragt hat und die Kinder ihre Versehen aufgesagt haben. Er ist ein gutmütiger Polterer, der mit Geklirr und Drohen auftritt und böse Kerle gar in seinen Sack steckt. Solche Szenen und Spiele lassen sich bei Nikolausfeiern mit einfachen Mitteln eindrucksvoll darstellen. Das passende Lied zum Nikolausabend ist: "Lasst uns froh und munter sein". Verbreitet besonders in den Städten ist auch der Brauch, dass die Kinder ihre schön geputzten Schuhe aufs Fensterbrett oder vor die Türe stellen, um sie am nächsten Morgen mit vorweihnachtlichen Süßigkeiten gefüllt vorzufinden, ohne dem Nikolaus persönlich begegnet zu sein. Nicht fehlen darf die vergoldete Rute oder der Mistelzweig.

Die Adventszeit (adveniat = lat. Ankunft, Ankunft des Herrn), der Beginn der festlichen Hälfte des Kirchenjahres, war früher ausschließlich in ihrem Brauchtum von der Kirchenordnung her bestimmt (Adventsandachten, Choräle wie "Macht hoch die Tür, die Tore weit", "Auf und mache dich bereit" u.a.). Der heilige Advent gilt als "halbe Fastenzeit" und als Vorbereitung für Weihnachten; seine Bräuche gehen fließend in die Weihnachtsbräuche über. Der Adventskranz mit den vier Kerzen ist relativ spät ins Brauchtum aufgenommen worden. Es ist sicher schön, wenn die Tannenzweige für den Adventskranz von einer Winterexkursion der Familie oder des Freundeskreises mitgebracht werden und man den Kranz gemeinsam flechtet. Ein solcher Adventsnachmittag wird zudem durch gemeinsames Singen geprägt, die Vorfreude durch spezifisches Gebäck, Honigkuchen, gebratene Äpfel oder Edelkastanien geweckt. Das Vorlesen einer Erzählung zur Vorweihnachtszeit oder von Gedichten ergänzt stilvoll eine solche Feier im Familienkreis oder in einem erweiterten Rahmen. Die Adventsfeiern außerhalb des Gottesdienstes gab es in Siebenbürgen eher in den Städten als im dörflichen Bereich. Ebenfalls neueren Datums ist der Brauch, Kindern so genannte "Adventshäuschen" oder "Adventskalender" zu schenken, aus denen ersichtlich wird, wievielmal man noch schlafen muss, bis Weihnachten ist. In der Vorweihnachtszeit Tannen oder Fichten in den Gärten zu beleuchten, hat es in Siebenbürgen als Brauch nicht gegeben. Das Basteln, Stricken, Zeichnen und Malen von Weihnachtsgeschenken in der Vorweihnachtszeit kann auch zum Brauchtum gerechnet werden. Heute macht man es sich eher leicht und kauft fertige Geschenke ein - das Richtige ist das aber nicht.

Weihnachten gilt als wichtigster Feiertag bei den Deutschen im Allgemeinen und speziell bei den Siebenbürger Sachsen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn z. B. bei den griechisch-orthodoxen Christen (Rumänen) ist Ostern, also nicht die Geburt, sondern die Auferstehung Christi der größere religiöse Feiertag. Auch in den Jahren des Nationalsozialismus, als das christliche Weihnachten durch die germanische Wintersonnenwende und den Mutterkult verdrängt werden sollte, und selbst während des Staatssozialismus, als Weihnachten quasi verboten war und von Väterchen Frost ersetzt wurde, hat man sich das Feiern der Weihnacht nach altem Brauch nicht nehmen lassen.

Weihnachten, aus dem Mittelhochdeutschen "ze wihen nahten" = "in den heiligen Nächten", ist seit der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts als Wortzusammensetzung "wihennahten" belegt. Gemeint waren damit die als heilig gefeierten Mitwinternächte. Bis um die Mitte des 4. Jahrhunderts wurde Weihnachten am 6. Januar (Epiphanias = Erscheinungsfest) gefeiert und erst dann auf den 25. Dezember verlegt. Damit sollte die Kultfeier Sol invictus ("die unbesiegte Sonne") verdrängt werden.

Die Weihnachtsbräuche setzen sich aus christlichen, vor- und außerchristlichen Elementen zusammen (Geisterabwehr, Neujahrs- und Totenriten). Heute sind Astronomen sogar bemüht, den Stern von Bethlehem wissenschaftlich zu erklären mit der "Konjunktion" von Jupiter und Saturn Anfang Dezember des Jahres 7 vor unserer Zeitrechnung. Der grüne Weihnachtsbaum scheint mit Fruchtbarkeitsbräuchen in Zusammenhang zu stehen, seine Lichter mit Dämonenabwehr. In Deutschland ist der Weihnachtsbaum relativ spät bezeugt (1539 in Straßburg) und setzte sich erst im 19. Jahrhundert allgemein durch. Die Weihnachtstanne, der "Chrästbum", soll in Siebenbürgen um 1830 durch einen eingewanderten Dänen in Kronstadt zum ersten Mal eingeführt worden sein.

In Siebenbürgen waren auf dem Lande die "Christleuchter" üblich: In der Christmette 3, 4 oder 5 Uhr morgens sang die Schuljugend in vier Chöre geteilt im Wechselgesang das alte Puer natus (Ein Kind ist uns geboren) und das Quem pastores laudavere - "den die Hirten lobten sehre". Jede Gruppe trug einen Leuchter, ein kronenartiges Gestell in Kreuzform, mit bunten Papierblumen und Wintergrün umwunden und mit Wachskerzen besteckt. Das Vorbereiten der Leuchter und Einüben der Lieder unter der Leitung eines Lehrers war in der Adventszeit eine wichtige Pflicht der Schulkinder. Der "Chrästdach" wird am 24. Dezember, am "Chrästsannovend" vormittags und / oder abends eingeläutet (siehe auch Michael Albert: "Wenn tief im Tal erloschen sind am Weihnachtsbaum die Kerzen"). Es gab in Siebenbürgen auch den Brauch, in der Christnacht Höhenfeuer anzuzünden oder am Kirchturm Fackeln zu schwingen, dabei wurde vom Turm oder der Berghöhe ein Choral geblasen oder gesungen. Die festlich-feierliche Melodie "O du fröhliche" - übrigens ursprünglich ein sizilianisches Lied aus dem 18. Jahrhundert - ist heute die unbestrittene Weihnachtshymne.

Als kirchlicher Brauch gilt das "Ansingen" vor den Türen der Dorfbewohner, das alte Rorarunt, halb lateinisch, halb deutsch. Dieses Ansingen erinnert an den rumänischen Brauch der "colinda".

Die Christbescherung mit den Geschenken unter dem Weihnachtsbaum ist dem "Christmann" oder dem "Christkind" zu verdanken, die ähnlich dem Nikolaus zu den braven Kindern kommen. In den sächsischen Dörfern fand die "Bescherung" oft für alle Kinder im Rahmen eines Gottesdienstes in der Kirche statt. Nicht vergessen wollen wir den Weihnachtsschmaus, der nach dem winterlichen Schweineschlachten recht üppig ausfallen konnte. Dazu gehört auch das traditionelle Weihnachtsgebäck. Am 1. oder 2. Weihnachtstag geht man in der erweiterten Familie und im Freundeskreis "wünschen" ("ugenehm Feiertach").

Das Thema des siebenbürgischen Weihnachtsfestes findet sich auch in den Werken unserer Schriftsteller wieder; erinnert sei z. B. an "Das Herodesspiel" von Erwin Wittstock, an ein Kapitel in H. Zillichs Roman "Zwischen Grenzen und Zeiten" und an die Erzählung "Der Weihnachtsmann" von Anna Schuller-Schullerus u.a. Die aus der Liturgie hervorgegangenen Weihnachts- oder Krippenspiele, die im 14. Jahrhundert echte Volksspiele wurden, können wohl auch in Siebenbürgen vermerkt werden, hatten aber nie eine so große Verbreitung wie in einigen anderen deutschsprachigen Gebieten.

"Zwölften" ("Die zwölf Nächte") heißt die Zeitspanne von Weihnachten bis zum 6. Januar, dem Fest der Dreikönige. Es ist in der Volksüberlieferung eine unheimliche Zeit, in der die Geister Umzug halten und beschwichtigt werden müssen.

Walter Roth

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