11. September 2004

Schröder besucht die Grabstätte seines Vaters in Siebenbürgen

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat am 12. August 2004 in aller Stille die Grabstätte seines Vaters in Ceanu Mare (Siebenbürgen) besucht. Der Historiker Dr. Michael Kroner liefert Details zur Schlacht, in der Fritz Schröder im Oktober 1944 gefallen war.
Die rumänische Gemeinde Ceanu Mare liegt etwa 20 km nördlich von Thorenburg (Turda) und etwa 40 km südöstlich von Klausenburg. Die 1940 durch den Wiener Schiedsspruch gezogene rumänisch-ungarische Grenze bildete einen Bogen um die Ortschaft. Ceanu Mare rückte zu Ostern 2001 ins Rampenlicht der rumänischen und der deutschen Medien, als bekannt wurde, dass auf dem Friedhof des 1 500-Seelen-Dorfes in einem Gemeinschaftsgrab Fritz Schröder bestattet liegt. Der Vater des Bundeskanzlers Gerhard Schröder war Anfang Oktober 1944 an der siebenbürgischen Front als Panzergrenadier gefallen. Gerhard Schröder legte am 12. August dieses Jahres anlässlich seines Besuchs in Rumänien, 60 Jahre nach dem Tode seines Vaters, ein Blumengebinde an dessen Grabstätte nieder.

Über die Bestattung kursieren in Ceanu Mare verschiedene Versionen. Der damals 14-jährige Marcu Hadareanu will gesehen haben, wie ungarische Soldaten acht Leichen auf einem Wagen brachten, in das Grab warfen, mit einer Zeltplane bedeckten und dann mit Erde zuschaufelten. Die heute 88-jährige Anica Cuc erzählt, die Leichen seien in der Nacht auf einem Ochsenkarren gebracht worden und dann auf dem Friedhof verscharrt worden. Das will sie vom Treiber des Ochsengespanns erfahren haben. Wie sie, der gewesene Dorfpope Petru Bob und andere Dorfbewohner erzählen, wurde das Grab immer betreut. Pfarrer Bob hat seinerzeit das Holzkreuz des Grabes hergerichtet und die Grabstätte mit einer Betonumrahmung versehen.

Die Familie Schröder wusste nicht, wo ihr Ehemann und Vater die ewige Ruhe gefunden hatte. Erst im Jahre 2001 erfuhr Gunhild Schröder-Kamp, die in Paderborn wohnende Schwester des Bundeskanzlers, die Nachforschungen angestellt hatte, dass ihr Vater – er war, als er den Tod fand, 32 Jahre alt – in einem Gemeinschaftsgrab in Ceanu Mare bestattet worden sei. Bundeskanzler Gerhard Schröder beschloss daraufhin, zu der Ruhestätte seines Vaters zu fahren. Doch dann ereignete sich am 11. September 2001 der große Terrorangriff in den USA und Schröder sagte ab. Nach Ceanu Mare kam indessen Bewegung. An der Grabstätte wurde eine neue Platte mit den Namen der Gefallenen angebracht und ein repräsentatives Holzkreuz aufgestellt. Das abgelegene Dorf erhofft sich eine Aufwertung und hatte sich für den nun stattgefunden Besuch des Bundeskanzlers herausgeputzt. Wie die rumänischen und deutschen Medien berichteten, wurde dem Gast, der auch die Kirche und das Rathaus besuchte, ein herzlicher Empfang bereitet und die traditionellen Begrüßungsgaben Brot und Salz überreicht. Einen Pflaumenschnaps, dem man jedem Gast verehrt, wurde ihm vom Bürgermeister Oros auch mitgegeben. Die Einwohner hoffen, dass es nicht bei diesem Besuch bleibt, vielleicht lässt sich eine Partnerschaft mit einer Gemeinde in der Bundesrepublik anbahnen, auch sonstige Hilfe könnte der Ortschaft, in der die "Pferdekarren und Plumpsklos bis heute Standard sind", wie ein Reporter vermerkt, gut tun. Der rumänische Ministerpräsident Adrian Nastase, der den Kanzler begleitete, hat fürs erste die Einführung von fließendem Wasser in den Haushalten in Aussicht gestellt.

Wie kam es dazu, dass Fritz Schröder seine Ruhestätte in siebenbürgischer Erde fand? Den Umständen soll hier kurz nachgegangen werden. Ceanu Mare blieb von den Frontkämpfen verschont, die etwa 20 km weiter südlich bei Thorenburg stattfanden, wie Dorfbewohner sich erinnern. Fritz Schröder soll am 4. Oktober mit einigen Kameraden von einer russischen Katjuscha in einem Bunker zwei Hügel weiter in Ceanu Mic getroffen worden sein. Könnte es nicht der 6. Oktober gewesen sein, als die entscheidende sowjetische Offensive begann, fragen wir?

Nach dem "schwarzen Tag für die Deutschen in Rumänien" (siehe Artikel in der Siebenbürgischen Zeitung vom 10. August 2004, Seite 6-7) - gemeint ist der Frontwechsel Rumäniens vom 23. August 1944, als das rumänische Heer den Krieg gegen die Rote Armee einstellte und zwei Tage danach die Waffen gegen die deutsche Wehrmacht richtete – brach als Folge der sowjetischen Großoffensive vom 20. August die gesamte deutsche Südostfront zwischen Jassy und Kischinew zusammen. Die 6. und Teile der 8. Deutschen Armeen wurden eingeschlossen. Wer aus dem Inferno entkam, suchte über die Pässe der Ostkarpaten Zuflucht in Nordsiebenbürgen und im Szeklergebiet, die seit dem Wiener Schiedsspruch zu Ungarn gehörten. Tausende von Fahrzeugen drängten sich unendlich langsam auf engen Gebirgsstraßen, um nicht von der nachrückenden Roten Armee gefangen genommen zu werden. Zahllose Versprengte, Bodenpersonal der Luftwaffe, Schwestern, Stabshelferinnen saßen dichtgedrängt auf den Fahrzeugen. Die Sowjets konnten am Überschreiten der Ostkarpaten vorerst durch starke Passsperren und harte Kämpfe aufgehalten werden. Die Pässe der Südkarpaten jedoch waren für ihr Vordringen nach Südsiebenbürgen frei.

Die ins Szeklergebiet und nach Nordsiebenbürgen geflüchteten deutschen und ungarischen Heeresverbände richteten sich darauf ein, das Gebiet gegen die rumänischen und sowjetischen Angriffe zu verteidigen, nachdem die neue rumänische Regierung unter General Sanatescu am 7. September Ungarn den Krieg erklärt hatte. Eines der Hauptziele Rumäniens war es, Nordsiebenbürgen zurückzugewinnen, nachdem ihm von den Alliierten im Waffenstillstand vom 12. September die Rückgabe zugesichert worden war.

Während sich die Rote Armee nach der Zerschlagung der deutschen Südostfront zunächst auf die Eroberung von Rumänien und Bulgarien konzentrierte, konnte das Oberkommando der Heeresgruppe Südukraine (sie wurde bald in "Heeresgruppe Süd" umbenannt) unter Generaloberst Hans Frießner mit den verbliebenen Restverbänden der 6. und 8. Armee eine neue Verteidigungslinie entlang der damaligen rumänisch-ungarischen Grenze in Siebenbürgen aufbauen. Auch die ungarischen Truppen in Nordsiebenbürgen wurden in aller Eile verstärkt. So entstand die 2. Ungarische Armee unter dem Befehlshaber Lajos von Veress. Hinzu kam noch die Kampfgruppe "Siebenbürgen" unter dem Kommando des Generals Arthur Phleps, eines Siebenbürger Sachsen, der am 25. August zum "Bevollmächtigten deutschen General und höheren SS- und Polizeiführer für Siebenbürgen und das Banat" ernannt worden war. Seine Kampfgruppe bestand aus SS-Fronturlaubern, sächsischen Jugendlichen und anderen Männern, die mit dem Rückzug des deutschen Militärs aus Südsiebenbürgen geflüchtet waren, sowie aus verschiedenen versprengten Wehrmachtseinheiten und der 8. SS-Kavallerie Division.

Die Front erstreckte sich Anfang September auf nahezu 1 000 km, beginnend im Banat bei Temeswar über Arad bis Großwardein, dann ostwärts entlang der rumänisch-ungarischen Grenze auf einer Linie Klausenburg, Thorenburg (Turda), Neumarkt (Targu Mures), östlich von Schäßburg, nördlich von Kronstadt bis Sepsi-Sentgyörgy (Sfantu Gheorghe) um den Szeklerzipfel, dann weiter nordwärts, die Ostkarpaten entlang, bis zu den Waldkarpaten. Den ungarisch-deutschen Truppen standen jedoch völlig unzureichende Kräfte zur Verfügung, um diese lange Frontlinie abzusichern. Trotzdem beschloss sowohl die ungarische als auch die deutsche Heeresführung noch vor dem Aufmarsch der sowjetischen Kräfte einen Gegenangriff zu starten, um ganz Siebenbürgen und das Banat sowie die Pässe der Südkarpaten zu besetzen und abzuriegeln. Das waren natürlich angesichts der Kräfteverhältnisse hirngespinstige Pläne.

Es entstanden in der Schlacht um Siebenbürgen und das Banat drei Kampfschauplätze: einer im Banat um Temeswar, Arad und Großwardein, ein zweiter im Raum Klausenburg-Thorenburg-Neumarkt und ein dritter in den Ostkarpaten und dem weit vorspringenden Szeklerzipfel.

Wir beschränken uns auf die Beschreibung der Schlacht um Klausenburg-Thorenburg, da sie für die uns hier interessierende Frage relevant ist.

Am 5. September überschritt die 2. ungarische Armee von Klausenburg die rumänische Grenze und drang bis Straßburg (Aiud) vor, und die 4. rumänische Armee unter Avramescu wich zurück. Für mehr reichten die Kräfte des ungarischen Vorstoßes nicht, denn mittlerweile hatten die Verbände der 2. Ukrainischen Front unter Marschall Malinowski mit starken Panzerverbänden die Südkarpaten überschritten und waren in Südsiebenbürgen aufmarschiert. Die ungarisch-deutschen Verbände mussten sich auf ungarisches Staatsgebiet zurückziehen und auf die Verteidigung einrichten. So kam es in der zweiten Hälfte des Monats September und Anfang Oktober bei Thorenburg zu einer mehrwöchigen erbitterten und blutigen Schlacht mit großen Verlusten auf beiden Seiten. Es standen sich gegenüber auf der einen Seite die 4. rumänische Armee, die 27. sowjetische Armee unter Trofimenko, dessen Kommando die Rumänen unterstellt waren, sowie die sowjetische 6. Panzerarmee. Auf der Gegenseite erhielt die in kritischer Lage kämpfende 2. ungarische Armee als substantielle Unterstützung das deutsche Generalkommando III. Panzer Korps und die 23. Panzerdivision Mit Hilfe dieser und neu zugeführter Kräfte, zu denen noch eine deutsche Infanterie-Division, eine Gruppe der 13. Panzerdivision und weitere Splittereinheiten kamen, "gelang es in wechselvollen Kämpfen den Raum um Thorenburg im wesentlichen zu behaupten und den wohl über Dej nach Norden in Flanke und Rücken der Heeresgruppe Süd beabsichtigten Stoß des Feindes zu verhindern. Die Sowjets stellten schließlich ihre Angriffe ein. " So der Oberkommandierende der Heeresgruppe Süd, H. Frießner. Mit den genannten Panzerverbänden dürfte auch Panzerpionier Fritz Schröder an den Thorenburger Frontabschnitt gelangt sein.

Am 22. September nahmen die Sowjets nach kurzer Kampfpause den Angriff wieder auf. Alle ihre Versuche, den Durchbruch zu erzwingen, scheiterten, nachdem sie große Verluste an Menschen und Kriegsmaterial erlitten hatten. Auch auf deutscher und ungarischer Seite zählte man viele Tote.

Die Gruppe "Siebenbürgen" unter General Phleps kam östlich von Thorenburg bei Ludus und Iernut zum Einsatz.

Für die Siebenbürgen-Front der Heeresgruppe Süd und die ungarischen Streitkräfte in Nordsiebenbürgen zeichnete sich jedoch die Gefahr ab, eingekesselt zu werden, nachdem die Sowjets die Schlachten auf die Flanken im Abschnitt von Temeswar-Arad-Gyula mit Stoßrichtung Szegedin und im Abschnitt Großwardein mit Stoßrichtung Debreczen zu verlagern beabsichtigten. Vorschläge von Frießner, die Kräfte aus Siebenbürgen abzuziehen, wurden sowohl von Budapest als auch von der obersten deutschen Heeresleitung abgelehnt. Mehr noch, zur Verteidigung von Großwardein wurde aus dem Kampfraum Thorenburg die 23. Panzerdivision abkommandiert, was natürlich die dort ausharrenden deutsch-ungarischen Kräfte schwächte. Gegen den Koloss der Roten Armee half auf die Dauer sowieso nichts. Am 6. Oktober begannen die sowjetischen und rumänischen Streitkräfte eine Großoffensive an der gesamten siebenbürgischen und Banater Front, und es gelang ihnen innerhalb von zwei Wochen ganz Nordsiebenbürgen von der "ungarischen Herrschaft zu befreien", wie es in rumänischen Darstellungen heißt, oder die faschistischen und hitleristischen Streitkräfte zu zerschlagen, wie die sowjetischen Nachrichten meldeten. Am 11. Oktober wurde Klausenburg, am 22. Oktober Großwardein und am 25. Oktober Carei und Sathmar und damit das letzte unter ungarischer Herrschaft befindliche Gebiet Nordsiebenbürgens durch die Rote und rumänische Armee "befreit". Später wurde der 25. Oktober zum Tag der rumänischen Armee erklärt.

Auf dem Rückzug fand General Phleps am 20. oder 21. Oktober bei Arad den Soldatentod, viele seiner Kämpfer waren in den vorangegangenen Schlachten gefallen, darunter auch viele Schüler des Honterus-Gymnasiums, die ohne militärische Vorbereitung an der Front verheizt wurden. Phleps hatte in der ersten Septemberhälfte die Evakuierung der Sachsen aus Nordsiebenbürgen und aus einigen Gemeinden aus Südsiebenbürgen organisiert.

Dr. Michael Kroner


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