27. August 2011

Drittes Meschner Treffen in Siebenbürgen

Seit 27 Jahren treffen sich die Meschner jährlich in Ilsfeld bei Heilbronn, seit 28 Jahren auch im Zweijahresrhythmus in Würzburg bzw. in Bad Rappenau. In Meschen selbst gab es nach 1990 nur zwei organisierte Begegnungen. Der Grund hierfür mag einerseits in der bis vor kurzem beschwerlichen, langen Anreise liegen. Andererseits haben die mit einer solchen Auswanderung verbundenen Verletzungen der Seele viele Altmeschner von einem Besuch der alten Heimat abgehalten. In den 20 Jahren seit der letzten großen Aussiedlungswelle ist in Deutschland eine Generation aufgewachsen, die Siebenbürgen bereits als Kind oder Jugendliche gemeinsam mit ihren Eltern verlassen hat oder erst in der neuen Heimat geboren wurde. Dieser Generation den Geburtsort ihrer Vorfahren wieder näher zu brin­gen, war einer der drei Beweggründe für die Siebenbürger Nachbarschaft Meschen e.V., das 3. Meschner Treffen vom 17. bis 20. Juni in Meschen zu organisieren.
Die imposante Meschner Kirchenburg, vor über 500 Jahren erbaut, hat manchen Kriegswirren und Naturgewalten getrotzt. Sie war stets ein sicherer Ort für Körper und Seele der Gemeinde und ist bis heute das Wahrzeichen des Dorfes. Nach zehn Jahre dauernden umfangreichen Sicherungs- und Sanierungsarbeiten kann die Kirche seit Pfingsten wieder für den Gottesdienst genutzt werden. Die Wiedereinweihung der Kirche mit einem feierlichen Pfingstgottesdienst am 12. Juni 2011 war ein zweiter wichtiger Beweggrund für das Meschner Treffen. Der dritte, aber nicht der letzte Grund war, der bestehenden Gemeindepartnerschaft Ilsfeld-Meschen ein weiteres Kapitel hinzuzufügen. Waren an den Partner­schaftsaktionen bisher neben den verlässlichen und beherzten Freunden aus Ilsfeld nur zwei Dutzend Meschner beteiligt, die in und um Ilsfeld wohnen, so sollte diesmal die breite Unterstützung sichtbar werden, die diese Partnerschaft in den Reihen der ehemaligen sächsischen Bewohner Meschens erfährt. Da ein solches Unterfangen gut geplant werden muss, begannen die Vorbereitungen bereits im Februar 2010. Es mel­deten sich erst 100, dann über 140 Reisewillige an. Begleitet wurde die Meschner Gruppe von Ils­felds Bürgermeister Thomas Knödler und mehreren Mitgliedern des Ilsfelder Gemeinderats, allesamt in der Partnerschaftsverbindung überaus aktiv und erfahren. Durch weitere kurzentschlos­sene Teilnehmer umfasste die deutsche Gruppe schließlich 160 Personen, zu der noch die 30 Mit­glieder zählende evangelische Kirchengemeinde in Meschen sowie weitere Ehrengäste aus Rumänien hinzuzuzählen waren.
Meschner Treffen im Heimatort: Am Pfingstsonntag ...
Meschner Treffen im Heimatort: Am Pfingstsonntag schritt der Festzug zum Friedhof am Berg.
Als die Organisatoren den Meschner Gastgebern am Samstag vor dem Begegnungsfest mitteilten, dass 200 Besucher zu verpflegen waren, konnte erneut deren Flexibilität und Improvisationstalent bewiesen werden. Da die Gastgeber ihrerseits 60 Vertreter der rumänischen und der Roma-Bevölkerung eingeladen hatten, wurden kurzerhand noch Tische, Stühle und Gedecke auf­getrieben und der Gemeindesaal in Meschen bis zur Auslegungsgrenze ausgenutzt. Für Montag wurden die vorgesehen Veranstaltungen aus Platzgründen aus der Sporthalle der Schule eben­falls in die Gemeindehalle verlegt. Dass die verschiedenen Organisatoren auf rumänischer Seite diese Umstellungen perfekt auf die Reihe brachten, hat die deutschen Betreuer der Gruppe zwar erstaunt, aber doch sehr erfreut. Empfangen wur­den die Besucher in Meschen mit warmer Holzofenhanklich. Der Hausherr Nelu Deac brachte unermüdlich Weinkrüge aus seinem Keller. So versorgt, begannen die Begrüßungsgespräche an einem gemütlichen Samstagnachmittag. Am Pfingstsonntag begrüßten wir in der frisch hergerichteten Kirche die 160 Besucher aus Deutschland, die knapp 30 evangelischen Kirchengemeindemitglieder aus Meschen und viele Ehrengäste aus Meschen, Mediasch und Hermannstadt. Es war ein ergreifender Gottesdienst, bei dem Pfarrer Ulf Ziegler ein Grußwort von Landesbischof Reinhardt Guib verlas, einem gebürtigen Meschner und bis zu seiner Wahl im letzten November auch Meschner Pfarrer. Mitgestaltet wurde der Gottesdienst von unserem Meschner Chor, unterstützt und ersatzweise geleitet von unseren Ilsfelder Freunden Gerhard und Heike Trumpf. Bei dem Trompetensolo von Heinrich Mantsch waren viele den Tränen der Rührung nahe, da längst verloren geglaubte Erinnerungen wieder aufkamen. Gegen das Vergessen soll auch die bei dieser Gelegenheit feierlich enthüllte Gedenktafel ankämpfen. Auf dieser im Kircheneingang aufgestellten Tafel sind die letzten sächsischen Bewohner des Dorfes aufgeführt, nach Hausnum- mern der Höfe und Nachbarschaften aufgezählt, mit einem kleinen Ortsplan ergänzt. So können unsere Nachkommen auch noch in vielen Jahren bei ihren Besuchen in der Kirche erfahren, wo die Vorfahren gewohnt und gewirkt haben. Begleitet von dieser festlichen Stimmung, ging man anschließend in einem langen Zug zum Friedhof am Berg. Dieser über 600 Jahre alte sächsische Friedhof, hoch über dem Dorf gelegen, wird inzwischen in Verantwortung der Siebenbürger Nachbarschaft Meschen e.V. gepflegt. Er strahlt mit seinem alten Baumbestand, den Treppenaufgängen, den jahrhundertealten Grabmälern eine ganz besondere Würde aus. Hier den Vorfah­ren die Ehre zu erweisen, gehörte zu den wichtigen Programmpunkten unseres Besuches. Viele Gräber erstrahlten nach vielen Jahren wieder mit frischer Blumenpracht. In der geschmückten Gemeindehalle empfing Bürgermeister Eugen Roba die Gäste zum offiziellen Festakt. In alter rumänischer Tradition wurde jedem Gast ein Stück Brot mit Salz als Willkommensgruß gereicht. Nach einem Tischgebet des orthodoxen Pfarrers Radu Parau in rumänischer Sprache begann die Speisenfolge, die erst spät am Abend einen Abschluss fand.

Einen besonderen Höhepunkt stellte der Trach­tenaufmarsch mit über 50 Teilnehmern in sächsischer und auch in rumänischer Tracht dar. Die Tanzgruppe der Meschner Nachbarschaft begeisterte das Publikum mit drei Volkstänzen. Damit wurde die Tanzfläche eröffnet, die bis weit nach Mitternacht nicht mehr leer blieb.

Nach nur wenigen Stunden Schlaf gingen am Montagmorgen die Veranstaltungen weiter. Der Sportplatz der Meschner Schule wurde zur Bühne für ein Schulabschlussfest zu Ehren der Gäste aus Deutschland. Erstklässler bis hin zu den Oberstuflern boten ein Programm aus Liedvorträgen, Gedichten und traditionellen Volkstänzen bis hin zu feurigen Zigeunerrhythmen. Die fleißigsten Tänzer, meist Roma-Kinder, wurden anschließend von Schulleiter Ioan Sotropa mit einem kleinen Bonus im Notenspiegel belohnt. Alle Schulkinder durften sich zu guter Letzt aus einem großen Sack mit Süßigkeiten aus Ilsfeld bedienen. Die Meschner Schule gilt als eine der besten Schulen im ländlichen Raum Siebenbürgens, dank einer engagierten Lehrerschaft. Seitens der Meschner Nachbarschaft wurde eine Geldspende über 1000 Euro überreicht. Diese wurde gleich zum Schulabschluss in Form von Bücherpreisen an die besten Schüler aller Schulklassen weitergegeben. Es folgte ein Rundgang durch das Schulgebäude. Da viele Reiseteilnehmer in dem hundert Jahre alten Gebäude die Schulbank gedrückt haben, gab es viel wiederzuentdecken und nachzufragen. Den Nachmittag gestaltete der Meschner Verein Carus. Im Gemeindesaal wurden an einem Informationsstand viele Tätigkeiten vorgestellt und Buchveröffentlichungen, Handarbeiten und weitere Produkte der Vereinsmitglieder präsentiert. Neben dem bis zum Abend reichlich angebotenen Essen und Trinken konnte auch ein vom Verein betreutes Dorfmuseum besichtigt werden. Der Bio-Bauern­hof von Willy Schuster konnte ebenfalls besucht werden. Wagemutige konnten hier rohe, frisch ge­zupfte Brennesseln probieren und die zur Kon­fitüreherstellung genutzte Rosenplantage ansehen.

Alles in allem waren es zwei erlebnisreiche Tage, prall gefüllt mit Programmpunkten, aber mit der Gemütlichkeit eines Urlaubes und erfüllt mit der jeden Augenblick spürbaren Gastfreund­schaft. Die meisten unserer aus ganz Deutschland angereisten Meschner nutzten die nächsten Tage, um Erinnerungsorte wiederzuentdecken oder den Kindern zu zeigen. Es hat sich einiges verändert, aber die Landschaft war vertraut, als hätten wir sie gestern erst verlassen. Die ehema­ligen Mitbewohner, jetzt in Deutschland lebenden Meschner wurden so herzlich begrüßt, durch ihre ehemaligen Häuser und Gärten geführt, dass sich schnell wieder das längst vergessen geglaubte Heimatgefühl einstellte. Zu der aufkommenden Wehmut gesellte sich zunehmend die Einsicht, das Dorf in überwiegend guten Händen hinterlassen zu haben. Das Erbe der Siebenbürger Sachsen prangt unübersehbar als Kirchenburg in der Ortsmitte. Das von Schulleiter Sotropa liebevoll eingerichtete Museum stemmt sich gegen das Vergessen eines 850 Jahre währenden Abschnittes der Geschichte dieses Ortes. Dies sind gute Voraussetzungen, um die Verbindung der in­zwischen in der ganzen Welt lebenden Meschner lebendig zu halten.

Hugo Schneider

Schlagwörter: Heimattreffen

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