21. November 2015

Kirche in Leschkirch wieder eingeweiht

In der evangelischen Kirche in Leschkirch wurde am 24. Oktober zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder ein Gottesdienst abgehalten. Nach den Renovierungsarbeiten an der Kirchenburg wurde im Beisein von über dreißig aus Deutschland angereisten ehemaligen Leschkirchern, einer Handvoll Alzenern sowie einigen geladenen Gästen aus der Verwaltung der Gemeinde und ein paar anderen Einwohnern ein Festgottesdienst veranstaltet und das Gotteshaus wieder eingeweiht.
Die letzten aufwendigen Sanierungsarbeiten wurden anlässlich des 150-jährigen Kirchweihfestes durchgeführt und am 30. September 1956 aus Anlass des wiederhergestellten Gotteshauses, „das unter Vernachlässigung so sehr gelitten hatte“, ein Gottesdienst abgehalten. Bischof Friedrich Müller hielt damals die Predigt. Nach 59 Jahren, fast auf den Tag genau, läuteten die Glocken erneut und riefen uns zum Beten, damit wir Gott für die hergerichtete Kirche danken und seinen Segen für die Zukunft erbitten. Zu den Ehrengästen zählten Wolfgang Rehner, ehemaliger Stadtpfarrer von Hermannstadt, Andreas Huber, Bezirkskirchenkurator und Konsul an der Botschaft Österreichs in Rumänien, Ionel Vișa, Bürgermeister von Leschkirch, sowie Avram Ion, orthodoxer Pfarrer von Leschkirch.

Für die Sanierung der Kirchenburg gab es keine Fördermittel. Sie wurde von den Fachleuten als unbedeutend eingestuft. Doch durch das tolle Engagement des HOG-Vorstandes und die Spenden der HOG-Mitglieder sowie den Einsatz des Erlöses vom Verkauf der Schule und des Gemeindesaals durch den Bezirk ist etwas geschaffen worden, woran kaum noch jemand geglaubt hat. Seit 2006 nämlich lebt in Leschkirch keine einzige evangelische Seele mehr und so ist es nicht selbstverständlich, dass die Kirche ein frisches Gewand bekommen hat. Unsere Kirche, von der vor Jahren in der Presse Bilder mit dem Titel „Die Ruinen von Leschkirch“ erschienen waren, erstrahlt in neuem Glanz und wir sind stolz darauf. Schon von ferne fällt den Besuchern der besondere Turm der Kirche auf. Mit ihrem Spitzdach, das mit glasierten Dachziegeln musterförmig gedeckt ist, war sie einst „das Herz der Gemeinde“, wie „Miller äm Gruewen“, einer meiner Vorfahren, die stattliche Wehranlage nannte. Und wenn man in das Kirchenschiff eintritt und dort Platz nimmt, wandern die Augen und das Altargemälde des bekannten Hermannstädter Malers Franz Neuhauser zieht den Betrachter in seinen Bann, ebenso wie die Kanzel mit ihren Sinnbildern.
Die renovierte Leschkircher Kirche.
Foto: Werner ...
Die renovierte Leschkircher Kirche. Foto: Werner Fink
Um die Renovierung durchführen und finanzieren zu können, bedurfte es der Mitarbeit vieler Menschen. Viele mussten zusammenwirken, vieles musste in Bewegung gesetzt werden. Mit Bischof Reinhart Guib wurde beim Landeskonsistorium ein Gespräch geführt, in dem die Absichten der HOG Leschkirch dargelegt wurden. Es gab wiederholte Gespräche beim Bezirk, in denen die Heimatortsgemeinschaft ihre Unterstützung anbot. Kirchliche Gremien, Architekten, Handwerker und nicht zuletzt die Spender haben durch tatkräftige Mitarbeit das Projekt gefördert und unterstützt. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang Hans-Martin Tekeser sowie Bezirkskirchenkurator Andreas Huber und Martin Müller, Mitglied im Bezirkskonsistorium, sowie die großzügigen Spender Ute und Hans-Martin Tekeser, die Familie von Tilmann Timm, Katharina und Hans Lang, Harald Schneider, Wilhelm Müller u.a. Ein ganz besonderer Dank geht an die Alzener Kuratorin Rosemarie Müller, die, „seit die Leschkircher weg sind, immer ein waches Auge auf die Kirche hat“, und die auch an diesem Tag dafür gesorgt hatte, dass Behänge, Kerzen und sogar frische Blumen die Kirche schmückten.

Die Initiative für die Sanierungsarbeiten kam von Gustav Müller, dem die Kirche mit ihren Türmen sehr am Herzen liegt. Schon als Kind hat er die Kirche aus allen möglichen Perspektiven gezeichnet und gemalt. 2008 hatte er die Idee, die um die Kirche angelegten Türme zu restaurieren und sie durch Ausstellungen in die Gesellschaft einzubinden.

Beim Leschkircher Treffen 2010 in Deutschland wurde beschlossen, die HOG Leschkirch als eingetragenen Verein zu gründen, dessen Ziel der Erhalt des Kulturerbes ist. Es wurde zu Spenden aufgerufen und viele, auch einige großzügige Spender meldeten sich. Angefangen wurde damit, zwei der noch fünf stehenden Türme der einstigen Wehranlage zu konservieren. Eine finanzielle Basis schuf das Bezirkskonsistorium durch den Verkauf der alten Schule und des Gemeindesaals an das Bürgermeisteramt. Anschließend wurde die Kirche saniert, zunächst der Turm und das Dach, dann die übrige Fassade. „Dass auch der Innenraum hergerichtet wird, das hätten wir nicht erwartet“, sagte Walter Andreas Theiss in seiner Dankesrede. Ein weiteres Ziel sei die Instandsetzung der Kirchenuhr.

Die Feierlichkeiten, an denen auch Journalisten von der Hermannstädter Zeitung und der deutschen Abteilung des rumänischen Fernsehens teilnahmen, begannen mit dem Wiedereinweihungsgottesdienst vor der Kirche, der von Dechant Dietrich Galter, dem Agnethler Pfarrer Reinhardt Boltres und dem Kerzer Pfarrer Michael Reger gehalten wurde. Der Vorsitzende der HOG Leschkirch, Walter Andreas Theiss, bedankte sich bei allen an den Renovierungsarbeiten Beteiligten, übergab symbolisch den Schlüssel an den Dechanten des Hermannstädter Kirchenbezirks, Dietrich Galter, der seinerseits den Schlüssel dem für Leschkirch zuständigen Pfarrer Reinhold Boltres reichte.
Pfarrer Bruno Fröhlich predigte in Leschkirch. ...
Pfarrer Bruno Fröhlich predigte in Leschkirch. Foto: Werner Fink
Die Predigt im anschließenden Gottesdienst hielt der aus Leschkirch stammende Pfarrer Hans Bruno Fröhlich, Dechant des Schäßburger Kirchenbezirks. Er unterstrich, welch unermesslichen Wert dieses Gotteshaus „für unsere Vorfahren, aber auch für uns, die wir hier geboren und aufgewachsen sind, hat. Wir sind hier getauft und konfirmiert worden, wir haben hier geheiratet und den Toten den letzten Dienst erwiesen. Wir haben sonntäglich Gottesdienst gefeiert, wir standen hier vor dem Altar, haben gebeichtet und das heilige Abendmahl empfangen. Chormusik ist hier gepflegt worden, Kinder sagten hier Gedichte zu Weihnachten, Adjuvanten bliesen vom Turm“. Für die anwesenden Leschkircher war es auf jeden Fall ein „bewegendes Gefühl“, wie sich Walter Theiss ausdrückte und wie auch Hans Bruno Fröhlich andeutete: „Wir erleben heute einen Tag, den es meines Wissens in der Geschichte des Ortes so noch nicht gegeben hat. Eine Gemeinde, welche gar nicht mehr vor Ort lebt, weiht ihre neu renovierte Kirche ein.“ Wenn man den gesamtsiebenbürgischen Kontext aber mitbedenke, sei man im Trend. Es folgte das gemeinsame Abendmahl, das von Michael Reger und Reinhardt Boltres zelebriert wurde. Die Neppendorfer Blaskapelle und Dietrich Galter an der portablen Orgel sorgten für die musikalische Umrahmung des Gottesdienstes. Fest und innig erklang zum Abschluss der gemeinsam gesungene Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“. Martin Luthers Reformationslied war greifbare Wirklichkeit geworden, denn nichts anderes stellte die Kirche einst für die Dorfgemeinschaft dar. Vielleicht ist es für manche, die sich für Renovierung und Erhalt der Leschkircher Kirche eingesetzt haben, eine wichtige Erfahrung, dass der Kirchenraum wie eine Burg birgt und dass Kirche festen Halt gibt.

Im Anschluss an den Gottesdienst wurde am Denkmal im Kirchhof eine kleine Andacht gehalten. Es wurde der Kriegsopfer gedacht und ein Kranz am Gedenkstein niedergelegt, während die Blasmusik das Lied „Ich hatt‘ einen Kameraden“ spielte. Von der Blaskapelle begleitet, ging es dann im Festzug zum Gemeindesaal, wo ein schmackhaftes Essen auf die Gäste wartete. Nach dem Kaffeetrinken folgte ein kurzes künstlerisches Programm. Die Schüler von Rosemarie Müller aus Alzen erfreuten das Publikum mit siebenbürgisch-sächsischen Kindertänzen, Liedern und Gedichten über den Herbst. Eine Tanzgruppe der Leschkircher Schule unter der Leitung von Lehrer Achim Mihuleț zeigte mehrere rumänische Volkstänze. Zum Abschluss wurden gemeinsam einige Lieder gesungen, von Dechant Galter an der Gitarre begleitet.

Allen, die sich für die Kirche eingesetzt haben, gilt unser Dank. Es hat sich gelohnt, ein solches Kirchengebäude zu erhalten.

Marianne Müller

Schlagwörter: Leschkirch, Kirche, Wiedereinweihung

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