6. August 2010

Wolfgang Bonfert: Die Siebenbürger Sachsen haben eine Zukunft

Im Gegensatz zu einigen „Propheten“, die ein baldiges Ende des Sachsentums (Finis Saxoniae) voraussagen, sieht der Ehrenvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Dr. Wolfgang Bonfert, durchaus eine Zukunft für die Gemeinschaft. „Wir können vor allem im kulturellen und sozialen Bereich einen bleibenden Eindruck als Siebenbürger Sachsen hinterlassen“, sagt er im Gespräch mit der Siebenbürgischen Zeitung. Bonfert hat fünf Jahr- zehnte lang die landsmannschaftliche Arbeit an führender Stelle geprägt, beruflich stieg der Veterinärmediziner bis zum Ministerialrat im Gesundheitsministerium und Leiter des Veterinärwesens im Saarland auf. Am 6. August wird er in Saarbrücken 80. Jahre alt.
„Die Zeiten haben sich durch die Umwälzungen im letzten Jahrhundert geändert. So wie man den assimilatorischen Einfluss auf unsere Landsleute feststellen kann, die seit Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA oder seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Provinz Ontario in Kanada leben, so wird auch für die in Europa außerhalb Siebenbürgens lebenden Siebenbürger Sachsen eine Veränderung ihrer Lebensinhalte auf längere Sicht zu erwarten sein. Doch so wie unsere Landsleute in Übersee noch stolz auf ihre Herkunft sind, so werden auch wir hier unser Herkunftsbewusstsein behalten und pflegen können“, meint der Ehrenvorsitzende. Bonfert sieht für die Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Österreich und anderen Ländern durchaus eine Chance, im kulturellen und sozialen Bereich siebenbürgisch-sächsische Werte zu erhalten, zu pflegen und in den neuen Lebensbereichen fortzuentwickeln.

„Es ist schön, dass wir über alle Grenzen hinweg Kontakt miteinander haben.“ Die landsmannschaftliche Arbeit habe sich weiterentwickelt. „Wir sind aus der Kirchenburg herausgetreten, ohne diese aufzugeben oder zu vernachlässigen, aber wir können uns frei im Umfeld der Kirchenburg bewegen, um die schlummernden Energien – einem modernen Leben angepasst – einzusetzen.“

Dr. Wolfgang Bonfert bei der ...
Dr. Wolfgang Bonfert bei der Bundesvorstandssitzung am 6. März 2010 in München. Foto: Siegbert Bruss
Geboren wurde Wolfgang Alfred Bonfert am 6. August 1930 in Bukarest. Nach Kindheitsjahren in der rumänischen Hauptstadt, in Kronstadt und Hermannstadt kam er 1940 nach Norddeutschland. Sein Vater Alfred Bonfert spielte eine Rolle in der „Erneuerungsbewegung“ der dreißiger Jahre, war aber für die Volksdeutsche Mittelstelle in Berlin, die eine Gleichschaltung der Deutschen in Rumänien forcierte, „untragbar“ geworden. Die beiden siebenbürgischen Spitzenfunktionäre der „Bewegung“, Fritz Fabritius und Alfred Bonfert, wurden samt Familien nach Deutschland beordert und dort „ruhiggestellt“.

"Arbeit an der Basis"

So kam Wolfgang Bonfert mit neun Jahren nach Deutschland und hatte wenig erlebte Kenntnis über das siebenbürgisch-sächsische Leben. Aus diesem Nachholbedarf heraus suchte und pflegte er intensive Kontakte zu seinen Landsleuten sowohl hier in Deutschland als auch durch regelmäßige Besuche in Siebenbürgen ab 1968. Der Landsmannschaft trat er 1959 bei, 1962 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der Landesgruppe Saarland gewählt, von 1966 bis 1970 wirkte er als Landesvorsitzender. Als stellvertretender Bundesvorsitzender war er von 1970 bis 1980, danach als Bundesjugendbeauftragter im Bundesvorstand und von April 1983 bis November 1989 als Bundesvorsitzender aktiv. Auch in diesem höchsten landsmannschaftlichen Amt praktizierte er eine intensive „Arbeit an der Basis“, reiste zu Landes- und Kreisgruppen, ließ kaum ein Wochenende aus, um seinen Landsleuten Rede und Antwort zu stehen. Dabei blieb er über die Jahre derselbe bescheidene und bodenständige „Bundesvorsitzende zum Anfassen“, wie ihn ein Landsmann nannte. Die sehr guten Kontakte zu den Landsleuten bestehen auch heute noch, Dr. Bonfert ist sehr glaubwürdig und genießt ein hohes Ansehen und Vertrauen.

Bonfert weiß auch heute, wo der Schuh drückt. Und so war er Vermittler nicht nur in gruppeninternen Konflikten der siebziger und achtziger Jahre, sondern er wurde auch in den letzten Jahren, nachdem er beim Verbandstag 1999 zum Ehrenvorsitzenden des Verbandes gewählt worden war, mehrfach gebeten, zwischen verhärteten Fronten zu vermitteln. Sein diplomatisches Geschick hat ihm schon in der Jugendarbeit geholfen. „Durch die Arbeit mit jungen Leuten habe ich verstanden, dass ich durch persönliche Gespräche, von Angesicht zu Angesicht, viel mehr verständlich machen und bewirken kann als auf schriftlichem Wege oder durch Telefonate“, sagt er.

Förderer der Jugend

Die Jugendarbeit hat ihm immer am Herzen gelegen. Den Anstoß zur Wiederbelebung der Jugendarbeit gab Bonfert 1978, unterstützt von Hans-Reiner Polder vom „Erweiterten Jugendreferat“. Die eigenen Kräfte wuchsen aus der Jugend selbst heraus. Harald Roth und Hans-Christoph Bonfert, der Sohn Wolfgang Bonferts, waren Studenten, als sie ein Statut für die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) als eigenständige Nachwuchsorganisation erarbeiten. 1986 wurde die SJD vom Verbandstag in Geretsried als Gliederung in die Landsmannschaft aufgenommen.

Ebenfalls in seiner Amtszeit als Bundesvorsitzender wurde 1983 die Föderation der Siebenbürger Sachsen gegründet, deren Vorsitzender er bis 1992 war. 1985 wurde die Partnerschaft mit der Stadt Dinkelsbühl begründet, 1986 konstituierte sich das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen als eingetragener Verein und im selben Jahr wurde die Stelle eines hauptamtlichen Kulturreferenten eingeführt. Bonfert hat Verbandstrukturen modernisiert und erweitert, die auch heute weiterbestehen und Früchte tragen.

Es war ein glückliches Zusammenspiel von Amtsträgern, die bekannt waren, Vertrauen genossen und gemeinsam etwas bewegen konnten. Immer wieder verweist Bonfert deshalb auf seine Mitstreiter, mit denen es gelungen sei, die Föderation zu gründen und schließlich auch das Siebenbürgenforum dafür zu gewinnen, der Föderation 1993 beizutreten. Die Kontakte der Verantwortlichen in den verschiedenen Ländern der Föderation untereinander seien ebenso wichtig wie die Kontakte zu den Menschen, „an der Basis“, in den jeweiligen Ländern. Nur so könne man das Gemeinschaftsleben jetzt und später aufrechterhalten.

Einsatz für die Familienzusammenführung

In den achtziger Jahren festigte die Landsmannschaft auch ihre Position als politischer Repräsentant der Siebenbürger Sachsen, wurde als Gesprächspartner der Bundesregierung anerkannt, wenn es zum Beispiel um die Familienzusammenführung ging. Man setzte sich intensiv ein, auch in Kontakten mit dem kommunistischen Regime in Bukarest, um die Familienzusammenführung human abzuwickeln, auch um die Landsleute vor Übergriffen und Behördenwillkür zu schützen.

Schon in den ersten Nachkriegsjahren war es ein wichtiges Ziel der Landsmannschaft, den Menschen bei der Integration zu helfen, im wirtschaftlichen und sozialen, aber auch im familiären Bereich angesichts der Spannungen und der von Krieg und Deportation verursachten Trennungen. Die Landsmannschaft richtete ihr Augenmerk sowohl auf die Landsleute in der neuen Heimat, durch Interessenvertretung, Kulturarbeit oder Gründung von Altenheimen, als auch auf die Sachsen in Siebenbürgen. Das Sozialwerk leistete zunächst diskrete Hilfe, nach der Wende von 1989 konnte es ungehindert in Siebenbürgen helfen und gemeinsame Strukturen wie die Saxonia-Stiftung in Kronstadt aufbauen.

Für seine prägende Rolle in der Verbandsarbeit wurde Bonfert mehrfach ausgezeichnet: 1967 mit dem Goldenen Ehrenwappen der Landsmannschaft, 1989 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, 1998 mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis, 1999 mit der Wahl zum Ehrenvorsitzenden der Landsmannschaft und 2009 mit dem Ehrenstern der Föderation der Siebenbürger Sachsen. Seine Frau Ingeborg, die ihn treu und an der Verbandsarbeit interessiert fast jedes Wochenende zu den landsmannschaftlichen Terminen begleitet hat, wurde ihrerseits im November 1989 von Bonferts Nachfolger Dankwart Reissenberger mit der Goldenen Ehrennadel der Landsmannschaft ausgezeichnet.

Vom Tierazt zum Ministerialrat

Zu Bonferts außerordentlich erfolgreichem Berufsleben sei hier nur kurz vermerkt: Von 1953 bis 1958 studierte er Veterinärmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, das er mit dem Staatsexamen (1958) abschloss und mit der Promotion zum Dr. med. vet. (1959) vollendete. Der Tierarzt wurde 1965 als Landesbeamter (Veterinärrat) übernommen, war ab 1973 als Fachtierazt für Lebensmittelhygiene tätig, bevor er 1978 in das Gesundheitsministerium in Saarbrücken als Stellvertreter des Leiters Veterinärwesen wechselte. Von 1984 bis zu zum Eintritt in den Ruhestand am 1. Januar 1993 wirkte Dr. Wolfgang Bonfert als Ministerialrat und Leiter des Veterinärwesens im Saarland im Gesundheitsministerium. Von 1975 bis 1989 nahm er zudem einen Lehrauftrag in seinem Fachgebiet Lebensmittelhygiene an der Universität in Saarbrücken wahr. Im Rahmen der Zugehörigkeit zur Tierärztekammer des Saarlandes war er in vielen Gremien ehrenamtlich tätig, zuletzt als Vorsitzender des Sozialausschusses bis Juli 2010.

In 22 beruflichen, kulturellen und sozialen Vereinigungen war Wolfgang Bonfert als Mitglied und oft auch im Vorstand aktiv. Seit einiger Zeit hat er angefangen, sich aus einigen Positionen zurückzuziehen. Doch hofft der rüstige und frisch wirkende Jubilar sehr, dass er noch teilhaben darf an dem, was er mit aufgebaut hat: in der Landsmannschaft oder in der Tierärztekammer. Seinen Freundeskreis will er pflegen, Erinnerungen niederschreiben, lesen, reisen und das Leben noch genießen: „Ich war immer Optimist. Das Leben ist abwechslungsreich, aufregend und schön.“ Diesen inneren Reichtum hat Wolfgang Bonfert an seine Landsleute über Jahrzehnte weitergegeben. Dafür gilt ihm ein großer Dank. Herzliche Glückwünsche zum Geburtstag und noch weitere erfüllte Jahre!

Siegbert Bruss

Schlagwörter: Verbandsleben, Verband, Föderation, Jugendarbeit, Wolfgang Bonfert

Bewerten:

34 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.