20. Mai 2013

Gabe der Vermittlung, Empathie und Menschlichkeit

Karl Teutsch gratuliert dem herausragenden und unermüdlich aktiven Musiker Peter Szaunig zum Achtzigsten, den der gebürtige Kronstädter heute begeht.
Seit 1995 gibt es den Internationalen Carl-Filtsch-Wettbewerb in Hermannstadt, eine sowohl lokal und regional als auch rumänienweit herausragende musikalische Veranstaltung, deren Ruf in die Welt hinaus geht und dazu beiträgt, nicht nur Namen und Gestalt des 1830 im siebenbürgischen Mühlbach geborenen, seinerzeit überall in Europa bewunderten und gefeierten pianistischen Wunderkinds und Komponisten Carl Filtsch – er starb knapp vor seinem 15. Geburtstag in Venedig an einer damals unheilbaren Krankheit –, sondern auch den Namen der Stadt Hermannstadt, des Landstrichs Siebenbürgen und vielleicht auch etwas aus Leben, Geschichte und Kultur der Siebenbürger Sachsen in Musikerkreisen und in der Kulturwelt bekannt zu machen. Die wenigsten wissen jedoch, wie es zu diesem Wettbewerb kam – die offizielle Bezeichnung lautet Internationales Klavier- und Kompositions-Wettbewerbsfestival „Carl Filtsch“ – und wo sein Ursprung liegt: Er ist in der Initiative, im Durchsetzungsvermögen und im Organisationstalent von Peter Szaunig zu suchen, der am 20. Mai seinen 80. Geburtstag begeht.

Auf Szaunig gehen Idee, Vorstellung, Konzeption, Realisierung und Gestaltung dieser nicht hoch genug einzuschätzenden Einrichtung zurück. Man kann sie als sein Lebenswerk betrachten, das nach fehlgeschlagenen Anläufen bei nationalkommunistisch agierenden rumänischen Behörden in den 1970er und 1980er Jahren erst 1995, fünf Jahre nach der politischen Wende, Wirklichkeit werden konnte. Szaunig war 1973 in die Bundesrepublik Deutschland ausgesiedelt und unternahm von hier aus die nötigen Schritte, um den Wettbewerb mit eingeschlossenem Festival auf die Beine zu stellen und erfolgreich und regelmäßig durchzuführen. Die Hermannstädter Veranstaltung umfasst, wie erwähnt, nicht nur den eigentlichen Wettbewerb – international ausgeschrieben für jugendliche Pianisten und Komponisten –, sondern auch Konzerte, Vorträge, Ausstellungen und Symposien. In jedem Frühherbst dreht sich das Kulturleben Hermannstadts um Musik, Musikjugend, Filtsch – und Peter Szaunig.

Peter Szaunig in der Bibliothek des Rumänischen ...
Peter Szaunig in der Bibliothek des Rumänischen Kulturinstituts in Venedig, 2007. Foto: Dagmar Zink
Dieser ist nach wie vor Gestalter und Leiter des Wettbewerbs und Festivals, gleichzeitig Vorsitzender der international besetzten Jury. Unterstützt vom in München ansässigen siebenbürgischen Pianisten und Musikpädagogen Walter Krafft und einigen rumänischen Musikerpersönlichkeiten in Hermannstadt und Bukarest, bereitet Szaunig alles vor und sorgt vor Ort für entsprechendes Profil und reibungslosen Ablauf. Für ihn selbst läuft in dieser Sache nicht alles (auf)reibungslos ab, denn er muss die nicht unerheblichen finanziellen Mittel auf- und eintreiben, was er unter Mithilfe von Walter Krafft jedes Mal angehen muss. Dass es doch immer wieder gelingt, ist natürlich den Institutionen und Behörden zu verdanken, die Szaunig und Krafft unterstützen, indem sie finanzielle Engpässe beseitigen helfen: die Siebenbürgisch-sächsische Stiftung (München), das Kulturreferat des Verbandes der Siebenbürger Sachsen (München), das Haus des Deutschen Ostens (München), das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien, die Hermannstädter Staatsphilharmonie, die Stadt Hermannstadt (sie stellt u.a. die Räumlichkeiten im Sitz der Philharmonie, dem früheren Stadttheater, zur Verfügung), der Rumänische Komponistenverband, das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland und das deutsche Konsulat in Hermannstadt.

Szaunig ist also vermutlich weit davon entfernt, aufzuhören. Das Für und Wider, das in der Vokabel „aufhören“ steckt, wird in der Regel schon unter den Sechzigjährigen zur Lebensfrage und Lebensgestaltung. Manche wollen und können aufhören, andere nicht. Szaunig gehört mit achtzig glücklicherweise zu jenen, die es weder wollen noch können, aber aus physischen Gründen auch nicht müssen. Man begegnet selten einem Achtzigjährigen, der so agil, aktiv, unternehmungsfreudig, tatkräftig, leistungsfähig und zukunftsorientiert ist wie Peter Szaunig. Das betrifft nicht nur seine Tätigkeiten rund um die Hermannstädter Veranstaltung, sondern alle weiteren Disziplinen, die er vertritt. Denn seine Vielseitigkeit als Musiker – auch wieder eine traditionell siebenbürgische Eigenschaft – und seine in mehrere Richtungen weisenden Tätigkeiten behält er bei. Vielseitigkeit mag ihre Vor- und Nachteile haben: Wenn wir den kulturell-geistigen Ansatz zugrunde legen, ist es ein deutlicher Vorteil. Nach wie vor tritt Szaunig als Pianist auf, wobei auch die heute weitgehend ausgestorbene Gabe der Improvisation zum Tragen kommt, ist pädagogisch tätig, liefert musikjournalistische Beiträge, ist Filtsch-Biograph und -forscher (er veröffentlichte zwei monographische Schriften über Filtsch und gab dessen Klavierkompositionen heraus, die zu den Pflichtstücken des Wettbewerbs gehören), ist aktiv vor allem als Herausgeber von CDs und Notenveröffentlichungen sowie als Verfasser von Beiträgen zur musikalischen Interpretation und Rezeption im Rahmen der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa (GDMSE) und der Europäischen Gesellschaft für Klavierpädagogik (EPTA), ist Juror bei internationalen Wettbewerben, veranstaltet Gesprächskonzerte, komponiert, hält Vorträge, ist Mitglied im Internationalen Arbeitskreis für Musik (IAM), befasst sich, seiner spirituellen Begabung entsprechend, mit geistigen Aspekten in Musik, Kunst und Leben, wobei er Einsichten gewinnt, die vielen Künstlern verborgen bleiben.

Fast alles in seinem Tun und Schaffen trägt dabei nicht nur den Stempel des Bedeutenden, sondern auch des Seltenen, Außer- und Ungewöhnlichen. Das trifft beispielsweise auf originelle und bemerkenswerte schöpferische Werke zu wie die „Klangstein-Meditationen“ für Sprecher, Flöte, Klavier, Schlagzeug und Klangsteine (Letztere vom Bildhauer Elmar Daucher gemetzt) und die „Trio-Variationen“ für Flöte, Vibraphon und Klavier auf ein Klangsteinthema von E. Daucher, Kompositionen, die bei ihrer Uraufführung 1980 bzw. 1987 in Lahr beim Publikum, in Fachkreisen und in der Presse (auch als Kompositionen an sich unter rein musikschöpferischem Aspekt) besondere Aufmerksamkeit und Anerkennung fanden. Sie wurden vom Südwestfunk aufgezeichnet und gesendet. Ungewöhnlich und originell ist auch schon nur die Idee eines internationalen Musikwettbewerbs zu Ehren von Carl Filtsch, ebenso der Gedanke, eine Komposition, also eine eigene schöpferische Leistung der Bewerber, in die Wertung des Wettbewerbs einzubeziehen, oder den Wettbewerb mit festspielartigen Veranstaltungen zu kombinieren, abgesehen davon, dass besondere Fähigkeiten vonnöten sind, das alles in die Tat umzusetzen. Als Komponist schrieb Szaunig noch Lieder, Kammermusikwerke, Bühnen- und Ballettmusiken. An Auszeichnungen erhielt er die Musikpreise der Stadt Offenburg für 1986 und der Stadt Achern für 1988 und 1992.

Einer der anerkanntesten Musiker Hermannstadts und Siebenbürgens


Den Weg zur Musik hat der am 20. Mai 1933 in Kronstadt mit Bistritzer und Fogarascher Wurzeln geborene Szaunig nicht unmittelbar gefunden. Er ging Umwege über sportliche Aktivitäten, technische Ausbildungen und Ingenieurwissenschaften. Sobald ihm die Berufung zum Musiker, zum Pianisten, klar geworden war, suchte er sich die in jenen Jahren in Rumänien bestmögliche Ausbildungsstätte: die Musikhochschule in Bukarest und darin die vortrefflichsten Klavierpädagogen und Pianisten jener Jahre, Silvia Serbescu, Dagobert Buchholz und Alexander Demetriad, nachdem er in Martha Fritsch, Eva Plattner, Mitzi Klein-Hintz und Franz Xaver Dressler schon in Hermannstadt, wo er das Brukenthal-Gymnasium besuchte, hervorragende Musik- und Klavierlehrer, Wegweiser und Vorbilder gefunden hatte. Nach entsprechender erstklassiger akademischer Ausbildung (1957 bis 1962) und nach Erfolgen als Pianist in der Öffentlichkeit wurde ihm 1965 die Funktion eines „Staatssolisten“ an der Hermannstädter Philharmonie und seit 1971 die eines Musikinspektors („Regionalinspektor“) anvertraut. Außerdem erhielt er eine Lehrstelle am Hermannstädter Musikgymnasium. Das einstige rege und intensive siebenbürgisch-sächsische Musikleben mit seiner jahrhundertealten Tradition war nach dem Zweiten Weltkrieg zwar zerschlagen worden, für sächsische Musiker gab es aber gute Möglichkeiten, sich in die neue, niveauvolle, rumänisch geführte und staatlich zum Teil großzügig geförderte Musikszene einzubringen. So nahm der arbeitsfreudige und leistungsorientierte Szaunig in Hermannstadt alle noch bestehenden Chancen wahr und wurde als Konzertpianist, Kammermusiker, Musikpädagoge, Journalist, Rezensent und Musikforscher einer der anerkanntesten Musiker Hermannstadts und Siebenbürgens.

Nach seiner Aussiedlung übernahm Szaunig 1974 die Stelle eines Klavier- und Kammermusiklehrers sowie Korrepetitors an der städtischen Musikschule im badischen Lahr, einer der besten Musikschulen Deutschlands. Dass er dabei – in der Tradition siebenbürgischer Erziehungspraxis stehend – Hervorragendes leistete, ist so gut wie selbstverständlich. Seine Gabe der Vermittlung, seine empathischen Fähigkeiten und seine aufrechte, offenherzige, warme Menschlichkeit (Eigenschaften, die bis heute auch in sein sonstiges soziales Umfeld ausstrahlen) trugen reiche Früchte. Unter anderem errangen seine Schüler Jahr um Jahr Preise (zumeist erste) bei der großen Musikolympiade der deutschen musikalischen Jugend, dem Wettbewerb Jugend musiziert, wobei nicht nur die spieltechnischen Voraussetzungen stimmten, deutlich wurde auch das geistige Rüstzeug, das er ihnen mit auf den Weg gegeben hatte. Nicht wenige seiner Schüler haben die Musik zum Beruf gewählt.

Keineswegs zu kurz kamen während dieser Zeit die Konzerttätigkeit Szaunigs, seine journalistischen und musikhistorischen Beschäftigungen, sein Engagement als Dozent bei den Musikwochen des Instituts für Ostdeutsche Musik – Arbeitskreis Südost oder seine Arbeit als Herausgeber von CDs und seine Veröffentlichungen.

1998 trat Szaunig offiziell, aber nicht de facto in den Ruhestand und ließ sich zuerst in München, danach in Bad Wörishofen und jüngst in Bamberg nieder. Zur „Ruhe“ wird sich Szaunig, wie man ihn kennt, niemals begeben, noch weniger sich „aufs Altenteil“ zurückziehen. An ihm bewahrheitet sich der Spruch: Wer etwas als Kunst und aus Leidenschaft tut, kann nicht aufhören. Das sei ihm gegönnt, und so bringen wir, begleitet von den besten Wünschen, seinem Arbeitseifer, seiner freudigen Leistungsbereitschaft, aber natürlich auch allem bisher Geleisteten, nicht zuletzt dem Künstler und Menschen Hochachtung, Anerkennung, Bewunderung und Dankbarkeit entgegen.

Karl Teutsch

Schlagwörter: Porträt, Musiker, Geburtstag, Carl Filtsch

Bewerten:

25 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.