10. Juli 2014

Von der Faszination Siebenbürgens: Gespräch mit dem Fotografen Martin Eichler

Der über die Kreise Siebenbürgens hinaus bekannte Fotograf Martin Eichler feiert am 10. Juli seinen 60. Geburtstag. Grund genug, sich mit dem fotografischen Hüter der Kirchenburgen zu einem Gespräch zusammenzusetzen. Nach seinem Abschluss als Diplom-Theologe reiste Eichler, der in Mecklenburg geboren wurde, 1982 in die Bundesrepublik aus. Von 1983 bis 1987 studierte er Kommunikationsdesign-Fotografie an der Fachhochschule in Darmstadt. Martin Eichler achtet auf Details, nimmt sich Zeit für seine Bilder. Stundenlang kann er warten, bis sich für ihn das perfekte Verhältnis von Licht, Landschaft und Objekt ergibt.
Seine Arbeitsschwerpunkte sind vor allem die Architektur-, Museums- und Reisefotografie. Auftragsarbeiten führte er beispielsweise für die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, das Hilton Hotel in Hermannstadt oder Automobile Bavaria durch. Sein Schaffen beschränkt sich aber nicht nur auf Siebenbürgen und das Banat, sondern er arbeitete auch schon in der Ukraine, Ungarn oder Kasachstan. Er ist in zahlreichen Ausstellungen präsent, wie z.B. „Bewahren für die Zukunft – Deutsches Kulturerbe in Rumänien“ im Museum Cotroceni, Bukarest, und veröffentliche verschiedene Bildbände und vor allem siebenbürgische Kalender in seinem eigenen Verlag in München, wo er heute mit seiner Frau Friederike lebt. Sarah Hummler sprach mit Martin Eichler über die Liebe zu Siebenbürgen und sein Engagement für die Kulturlandschaft.

Martin Eichler im Juli 2014. Foto: Friederike ...
Martin Eichler im Juli 2014. Foto: Friederike Eichler
Ihr Studium der Theologie haben Sie als Diplom-Theologe abgeschlossen. Heute arbeiten Sie als Fotograf. Wie kam es zu dem „Sinneswandel“?

Schon als Schüler habe ich fotografiert und mir durch Ernteeinsätze das Geld für eine Praktica MTL verdient. Nach der Schulzeit wollte ich Fotograf werden, aber das staatliche Arbeitsamt der DDR hat mir die Lehrstelle nicht genehmigt. So lag es nahe, dass ich als Pfarrerssohn Theologie studiert habe. Nach meinem Diplom habe ich in der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit gearbeitet. 1982 kam ich in die Bundesrepublik und habe erst als Praktikant in einem Fotostudio gearbeitet und anschließend in Darmstadt an der Fachhochschule Fotografie studiert.

Wie sind Sie auf den Kulturraum Siebenbürgen aufmerksam geworden?

Ich habe keine siebenbürgischen Wurzeln, aber wenn man 18 oder 19 Jahre alt ist, dann möchte man an die Grenzen der Welt. Diese Grenzen waren zu DDR-Zeiten eng gesteckt, Rumänien und Bulgarien, weiter ging es nicht. 1973 bin ich an die bulgarische Schwarzmeerküste getrampt und auf diesem Weg auch durch Rumänien gekommen. Das Land faszinierte mich. Vielleicht hing es auch damit zusammen, dass ich an der Schule nicht nur Russisch, sondern auch Latein hatte. Dadurch konnte ich mich in Rumänien gleich gut zurechtfinden. Seit 1973 bin ich wirklich jedes Jahr im Land gewesen, von den guten bis zu den schlechten und den allmählich wieder besser werdenden Zeiten.

Woher kommt Ihre Faszination für Rumänien?

Zuerst interessierte ich mich für die antiken Stätten am Schwarzen Meer. Damals war ich per Autostopp mit dem Rucksack unterwegs, habe bei fremden Leuten übernachtet und so auch Siebenbürgen kennengelernt. „Komm mit“ war mein Reiseführer. Vor allem die Architektur der Kirchenburgen faszinierte mich. Ich glaube, 1980 sind das erste Mal Bilder von mir erschienen, nämlich die Farbaufnahmen in Hermann Fabinis „Kirchenburgen in Siebenbürgen“. Nach dem Abschluss meines Fotografie-Studiums gründete ich den Bilderdienst Siebenbürgen, jetzt Bildverlag Eichler. Das war der Schritt in die Professionalität. Unter dem Dach des Bildverlages publiziere ich meine Kalender, Postkarten, Fotoeditionen und Ähnliches.

Im Frühjahr war Ihre Ausstellung „Straßen der Trauer. Kreuze am Straßenrand – Eine Ausstellung zum Innehalten“ in Hermannstadt zu sehen. Wie sind Sie auf die Idee zu dieser Ausstellung gekommen?

Ich bin beruflich sehr viel unterwegs und üblicherweise mindestens vier Mal im Jahr in Rumänien. Da sind mir die Kreuze am Straßenrand aufgefallen. Irgendwann hielt ich an so einem Rast- und Trauerplatz, wie man das nennen kann. Ich stellte mir vor, wie die Angehörigen dort sitzen und um ihr verlorenes Kind trauern. Das ist mir nahe gegangen, so dass ich mich fortan intensiver damit beschäftigt habe. Oft habe ich angehalten, die Kreuze fotografiert und mich bemüht, Stimmung und Landschaft mit in das Bild aufzunehmen. Diese Bilder auszustellen, war zunächst schwierig, da man mit dem Thema Trauer und Tod nicht gerne konfrontiert wird. Jetzt wird die Ausstellung im November aber auch in München zu sehen sein.

Engagieren Sie sich immer noch für die Kirche?

Ja. Das Leben macht eigenartige Wendungen. Ich habe nach der Wende zehn Jahre lang in Dresden gelebt und für die Diakonie die Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Auch in München sind wir Teil der Kirchgemeinde und regelmäßige Gottesdienstbesucher. Jahrelang war ich in der Konfirmandenarbeit engagiert und darüber hinaus bringe ich mich mit meiner Fotografie ein. Und dann gibt es eine Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Siebenbürgen, zunächst natürlich, weil die Kirchen meine Motive sind. Darüber hinaus stelle ich nun bereits im dritten Jahr einen Kalender für das Bischofsamt her, für das Jahr 2014 zum Thema „Jahr der Diakonie“, mit Portraitfotografien aus diakonischen Einrichtungen. Daraus entstand eine Wanderausstellung. Es wird gezeigt, dass in Rumänien nicht nur Not und Elend herrschen, sondern dass vor Ort etwas für die Schwachen, Alten und Bedürftigen getan wird. In Dinkelsbühl war die Ausstellung zum ersten Mal zu sehen, dann Ende Juni im Generalkonsulat Rumäniens in München und bis zum 17. Juli im Wolf-Ferrari-Haus in Ottobrunn bei München. Dann geht sie weiter durch verschiedene Kirchengemeinden und Institutionen in Deutschland und hat ihren Abschluss in Siebenbürgen.

Ich habe auf Ihrer Homepage gelesen, dass Sie „den Menschen die Augen für die schönen Seiten öffnen“ wollen. Haben Sie noch weitere Projekte für dieses Jahr geplant?

Das ist immer so eine Sache mit den Projekten, man möchte ja nicht über ungelegte Eier reden. Zurzeit fotografiere ich verlassene Häuser, eine Serie von Häusern, die keine Herren mehr haben. Das sind nun gerade nicht die „schönen Seiten“, aber irgendwie ist es bei mir immer so, dass die Bilder ein bisschen schöner werden, als es der erste Eindruck erscheinen lässt. Man hat mir das auch schon zum Vorwurf gemacht, dass ich alles viel schöner zeige, als es sei. Ein anderes Projekt: Ich habe sehr viel mit dem Mittelformat und auch Großformat gearbeitet, technisch also immer relativ aufwendige Sachen. In der Digitalfotografie bin ich auch am oberen Ende, was die Technik angeht. Jetzt bin ich auf ein altes fotografisches Verfahren gestoßen, das etwa vor 150 Jahren Anwendung fand. Dabei ­arbeitet man wieder mit der Plattenkamera, Mattscheibe, schwarzes Tuch über dem Kopf. Ich hoffe, mit dieser Technik und den Schwarz-Weiß-Bildern etwas vom Alter, der Weltabgeschiedenheit und Atmosphäre dieser Dinge zu vermitteln.

Ihre Arbeit trägt auch einen wichtigen Teil dazu bei, die Kulturlandschaft Siebenbürgens zu dokumentieren und auf sie aufmerksam zu machen. Wie schätzen Sie selbst Ihre Arbeit ein?

Das sehe ich auch so, muss ich sagen. Unter rein wirtschaftlichen Aspekten ist es eigentlich eine Nische, die man besser umschiffen sollte. Aber ich bin von diesem Virus Siebenbürgen, wie manche sagen, infiziert worden. Gerade in Zeiten vor der Wende gab es nur sehr wenige, die auf höherem technischem Niveau diese Dinge fotografiert haben. Es gab viele, die Bilder machten, aber meistens waren das doch Urlaubserinnerungen. Ich habe mich damals schon abgeschleppt mit meiner Linhof und der Mittelformatkamera und den Zirkus mit den Grenzkontrollen gehabt, weil ich viel zu viele Filme dabei hatte. Ich war immer bemüht, möglichst gute Bilder zu machen. Oft dachte ich mir, wenn ich es nicht mache, macht es keiner. Auch die Bildbände, die ich zusammen mit Martin Rill gemacht habe, wie z.B. „Hermannstadt und das Alte Land“ und „Das Burzenland“, sehe ich unter diesem Ansatz. Es sind Dokumente der 1990er Jahre, als der Umbruch noch nicht bis in die Dörfer gekommen war. Man konnte noch ein wenig von der alten „heilen Welt“ wahrnehmen.

Wäre es dann nicht an der Zeit diese Dinge, bald 20 Jahre später, erneut zu dokumentieren?

Kann man machen, aber für wen? Die Situation heute ist eine andere. Es gibt viele Institutionen, etwa die Leitstelle Kirchenburgen, rumänische, deutsche und englische Stiftungen, die sich um die Dinge kümmern. Heute ist vieles dokumentiert und ich bin jetzt nicht derjenige, der 100 Häuser in einer Straße fotografiert, nur damit alles dokumentiert ist, wie bei einer Denkmaltopografie. Ich halte mich eigentlich immer sehr lange bei einem Objekt auf, um eben die schöne Seite zu finden.

Was ich im Hinterkopf habe, was ein interessantes Projekt wäre: alle Altäre Siebenbürgens zu erfassen. Nicht nur die gotischen Altäre, die Flügelaltäre, da ist schon viel gemacht worden. Aber gerade in den Dorfkirchen gibt es unendlich viele Altäre aus der Barockzeit und später, die heute oft wenig Beachtung finden – bis zu dem Moment, wo sie gestohlen werden. Das ist aber ein umfangreiches Projekt, das finanziert werden müsste, für das man einen Partner braucht. Mein Interesse wäre, diese Altäre nicht nur einfach abzulichten, sondern auch zu versuchen, die Stimmung des Raumes einzufangen und auf einem höheren Niveau zu fotografieren und sich wirklich die Mühe zu machen, sich dem ganzen liebevoll zu nähern.

Herr Eichler, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Schlagwörter: Kultur, Fotograf, Martin Eichler

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