19. Oktober 2014

Gewissenhaft und uneigennützig: Helmut Beer zum achtzigsten Geburtstag

„Gewissenhaft und uneigennützig“ sei er, hieß es in der Begründung für die Verleihung der Goldenen Ehrennadel an Helmut Beer im Jahr 1995. Die knappe Wortprägung umreißt das Charakterbild des am 19. Oktober 1934 in Zeiden geborenen Wolkendorfers, zu dem er durch die Übersiedlung der Familie 1937 so nachdrücklich wurde, dass die Erwähnung der am weitesten im Westen des Burzenlandes liegenden Sachsengemeinde ohne ihn nicht denkbar ist. Der Bildungs- und Berufsweg des in diesen Tagen Achtzigjährigen weist auf eine Reihe weiterer Eigenschaften hin: Unbeirrbarkeit, Hartnäckigkeit, auf alles Technische fokussierte Intelligenz und schier endlos geduldige Arbeitskraft.
Der Sechzehnjährige begann eine Schlosserlehre in den – heute nicht mehr existierenden – Traktorenwerken Kronstadts, besuchte das Abendgymnasium und legte 1959 das Abitur ab. Ebenfalls in Abendkursen studierte er danach an Kronstadts Technischer Hochschule für Maschinenbau und Kraftfahrzeugtechnik und schloss das Studium mit dem Titel eines Diplom-Ingenieurs ab; die Abteilung für Konstruktion und Entwicklung der Traktorenwerke stellte ihn sofort ein. Die rumänischen Kollegen jener Jahre beschreiben ihn als „perseverent, ingenios, harnic“ – ausdauernd, einfallsreich, fleißig.

Als Helmut Beer 1970 sechsunddreißigjährig aus Siebenbürgen auswanderte, war er seit zehn Jahren mit der Rosenauerin Ilse Kuwer verheiratet und Vater dreier Töchter. In Deutschland begann sein Berufsweg als Konstrukteur im Hamburger Flugzeugbau. Beer wechselte nach zwei Jahren zum Shell-Konzern, der ihn bis zur Altersrente 1995 in mehreren, immer verantwortungsvolleren Bereichen beschäftigte: in der Projektabteilung der Raffinerie Hamburg-Harburg, in der Zentrale des Flugdienstbetriebs mit Zuständigkeit für die Shell-Flugbetankungsfahrzeuge auf sämtlichen Flughäfen und -plätzen der Bundesrepublik, in der Abteilung Lagertechnik und Flugdienstbetrieb und der Hauptabteilung Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Ergonomie. 1989 ins Luftfahrtzentrum der Deutschen Shell berufen – mit der Verantwortung für Flugtanklager und Flugbetankungsfahrzeuge auf allen Flughäfen des vereinigten Deutschland –, leistete er so mustergültige Arbeit, dass sich die Konzernleitung über das Rentenalter, 1995, hinaus als Berater seiner bediente.
Helmut Beer. Foto: Christina Reimer ...
Helmut Beer. Foto: Christina Reimer
Verantwortungsvolles Denken und die starke Verwurzelung in siebenbürgisch-sächsischen Traditionen führten den Diplom-Ingenieur bald nach seiner Niederlassung in Deutschland auch ins Gemeinschaftsleben seiner Landsleute; er scheute sich trotz beruflicher Inanspruchnahme nicht, Ehrenämter zu übernehmen. Noch im Jahr seiner Ankunft in Deutschland, 1970, wurde Beer zur Mitarbeit in der Heimatgemeinschaft Wolkendorf vom Vorsitzenden Kurt Zikeli hinzugezogen. 1985 gründete er das „Wolkendorfer Heimatblatt“ und übernahm dessen Schriftleitung. Beginnend mit 1989 war er bis 2002 Vorsitzender der Heimatgemeinschaft. Ebenfalls 1970 trat Beer dem Verband der Siebenbürger Sachsen bei und wurde 1971 in den Vorstand der Landesgruppe Hamburg/Schleswig-Holstein gewählt. 1994 bis 2008 gehörte er als deren Vorsitzender dem Bundesvorstand des Verbandes an. 1998 erschütterte der tragische Tod der ältesten der drei Töchter das Familienleben.

Eine der beachtlichen Leistungen dieses Mannes bleibt – in Zusammenarbeit mit den Mitautoren Wilhelm Beer, seinem Onkel, und seinem Landsmann Richard Gober – die Arbeit an der Chronik Wolkendorfs, die 1990 in Buchform (480 Seiten) erschien, ein Paradebeispiel dieser Gattung siebenbürgisch-sächsischer Literatur, deren Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen ist. Nach dem Tod seines Onkels übernahm Helmut Beer die Leitung des Redaktionsstabs. Vorbildlich nach Gliederung, Aufbau und Gründlichkeit der Datenerarbeitung, erfüllt das umfangreiche Werk alle Maßstäbe der Ortsmonographie vom Hattertplan bis zur demographischen Auflistung, von der Orts- bis zur Wirtschaftsgeschichte etc. An die 700 Manuskriptseiten der Mitarbeiter erfasste Helmut Beer für den Computer, vervollständigte und korrigierte Einzelberichte und gab der grafischen Gestaltung professionelle Züge. Mit der geschulten Gründlichkeit und Präzision des Maschinenbauers kümmerte er sich nicht nur um das geringfügigste Detail, er las auch mit einer an Besessenheit grenzenden Akribie mehr als ein Dutzend mal die Korrekturen des abgeschlossenen Skriptes.

Nicht anders war er einige Jahre vorher verfahren, als er in rund 1200 (!) Arbeitsstunden der Verwaltung der Landesgruppe Hamburg/Schleswig-Holstein ein modernes Gesicht verlieh, indem er ihr – in Zusammenarbeit mit dem derzeitigen Kassenwart Jürgen Hahlbrock – eine elektronische Datenbank erarbeitete. Dank der daraus resultierenden Effizienz steht die zahlenmäßig kleine Landesgruppe besser da als manche der großen. Unter Beers vorbildlicher Leitung war sie z.B. in der Lage, dem Sozialwerk über 10000 Euro und den Kultureinrichtungen auf Schloss Horneck mehr als 6000 Euro zu überweisen. Das Erbe, das er solcherart seinen Nachfolgern hinterließ, war bis auf den letzten Cent makellos. In Würdigung seiner besonderen und wirkungsvollen langjährigen ehrenamtlichen Tätigkeit in über 40 Jahren im Vorstand wurde er 2012 zum Ehrenvorsitzenden der Landesgruppe ernannt.

Ich lernte diesen Mann, den ich einen Freund nenne, als einen Menschen schätzen, der vor allem anderen hilfsbereit und zuverlässig bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit ist. Ich wünsche ihm ein nächstes Jahrzehnt der leiblichen und geistigen Standhaftigkeit.

Hans Bergel

Schlagwörter: Beer, Jubiläum, Hamburg

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