5. Mai 2015

Zum 80. Geburtstag von Kurt Egon Franchy, dem langjährigen Vorsitzenden des Hilfskomitees

Er hat sich ausdrücklich gegen die – wie er selber betont – üblichen Lobeshymnen in der Zeitung anlässlich runder Geburtstage verwahrt. Was aber kann man anderes schreiben als eben Positives zu seinem 80. Geburtstag, hat er doch seine unnachahmliche Handschrift in der alten und auch neuen Heimat hinterlassen, ob als Stadtpfarrer von Bistritz, als nordsiebenbürgischer Bezirksdechant, Pfarrer in Drabenderhöhe oder Vorsitzender der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD e.V. (Hilfskomitee).
Geboren am 5. Mai 1935 in Bukarest, aufgewachsen im intellektuellen, familiären Umfeld (drei Geschwister in entsprechenden Beschäftigungen und Funktionen), Schulbesuch in Bistritz, Klausenburg, Rottenschachen (während der Evakuierungsphase im Zweiten Weltkrieg) und ab 1945 Lyzeum und deutsche Handelsschule in Bukarest mit Fachabiturabschluss 1953. Nach zwei Jahren der Interimszeit als Büroangestellter und Fernstudium machte er Abitur am humanistischen Gymnasium in Bistritz und erwirkte so die Voraussetzung zur Fortsetzung des schon früher begonnenen Theologiestudiums in Hermannstadt, das er mit der Befähigung, Vikar und Pfarrer zu werden, beendete.

Zu seiner Vita gehören auch einige Eindrücke aus der Studentenzeit. Da waren z. B. die täglichen Morgenandachten, welche von Studenten und den Professoren im bischöflichen Festsaal gestaltet wurden. Für Freund Franchy war das schon damals kein Problem, beherrschte er doch in souveräner Weise das Metier der freien Predigt. Dass er zum Studentenkurator (dem verantwortlichen Leiter der Studierenden) gewählt wurde, ergab sich von selbst. Eine bleibende Erinnerung knüpft sich an die Ereignisse um die Verhaftungen und Schauprozesse vieler Intellektueller, nicht zuletzt Theologiestudenten und Pfarrer, denen Landesverrat zur Last gelegt worden war. Für den Prozesstag hatte Franchy die Studenten des Theologischen Instituts zur Gebetsgemeinschaft den ganzen Tag hindurch aufgerufen. Diese Gebetskette funktionierte auch, so dass an jenem Tag durchgängig für die Betroffenen und deren Familien, aber auch für die Kläger und Richter gebetet worden ist.

Nach der Ordination und dem Pfarrvikariat im nordsiebenbürgischen Wallendorf ehelichte er im Oktober 1959 die Zeidner Pfarrerstochter Renate, geborene Bell. Die staatliche Reglementierung, derzufolge ordinierte Geistliche mit Erfüllung des 26. Lebensjahres vom Militärdienst befreit wären, wurde willkürlich außer Kraft gesetzt. Er wurde als so genannter Arbeitssoldat nach Călan einberufen und musste, ohne Bezüge, in dem – auf Grund der Geschehnisse um die Vertreibung der Nordsiebenbürger – baufälligen Pfarrhaus für ein knappes Jahr seine schwangere Frau zurücklassen. Von 1961 bis August 1965 amtierte er als Pfarrer in Wallendorf mit den Filialen Pintak, Mettersdorf und Tschippendorf. In dieser Zeit wurden die beiden Töchter Ortrun (Germanistin) und Agnes Beate Franchy Kruppa (Theologin) geboren. In der Rückschau war es, nach eigenen Aussagen, trotz Beobachtung durch die Securitate und ärmlichen Gemeindeverhältnissen eine erfreuliche Zeit für die junge Familie mit viel erfahrener Hilfe seitens der Gemeindeglieder und der Möglichkeit des geistlichen Wiederaufbaus durch Verkündigung, Chorarbeit, Gründung einer Theatergruppe usw.

Auf Betreiben von Bischof Friedrich Müller wurde Kurt Franchy im September 1965 Stadtpfarrer von Bistritz und ab 1973 nordsiebenbürgischer Bezirksdechant bis zum Zeitpunkt der Auflösung der Dienststelle 1977 wegen Dezimierung der Gemeindegliederzahl im Zuge der Familienzusammenführung. Nach ordnungsgemäßer Freistellung durch das Landeskonsistorium erfolgte die Aussiedlung. Vorübergehend ist er Internat-Erziehungshelfer am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Hilden in NRW und von November 1978 bis zum Eintritt in den Ruhestand im November 1994 Pfarrer in Drabenderhöhe.
Kurt Egon Franchy ...
Kurt Egon Franchy
Die Umstellung von der siebenbürgischen auf die in Deutschland gängige Gemeindeatmosphäre war nicht einfach. Es galt, die Einheimischen mit den ansässig gewordenen Siebenbürgern zu e i n e r Kirche zusammenzuschließen. Das hieß, den vorfindlichen reformierten Pietismus der linierten Kirche mit der siebenbürgischen Glaubenstradition zu harmonisieren. Schul- und Konfirmandenunterricht mussten der durch die 68 Jahre geprägten Erziehungssituation in Deutschland Tribut zollen. Das unterschiedliche Amtsverständnis der drei Kollegen vor Ort und ihr ­Arbeitsstil kollidierten gelegentlich mit siebenbürgischem Muster. Sein umfangreicher Dienstauftrag umfasste neben Gottesdienst- und ­Kasualienverantwortung die Seelsorge im Altenheim und im großen katholischen Krankenhaus in Engelskirchen. Die Vorbereitung und Durchführung von Rüstzeiten und Freizeiten führte zu besserem Verstehen und gegenseitiger Akzeptanz der zwei Gemeindegruppierungen. Dabei war die Hilfe der Pfarrfrau Renate in ihrer freundlich verbindenden Art sehr willkommen. Die Berufung einer jungen Theologin und deren Arbeit mit verschiedenen Kreisen der Gemeinde und das Wirken eines jungen siebenbürgischen Pfarrers, der später in einer eigenen Kirchengemeinde eingesetzt wurde, führten zu lebhaftem Miteinander. Auch gelang es Franchy, in den kirchlichen Räumen, hervorgehend aus einer Kinderbetreuungsgruppe für Aussiedler aus Russland und Rumänien, einen regulären Kindergarten zu gründen, der unter der Verwaltungsregie des „Hilfsvereins der Siebenbürger Sachsen Adele Zay e.V.“, dem Franchy von 1989 bis 2014 vorstand, geführt wurde.

Die vielen Maßnahmen, Verantwortungsgebiete, Bauvorhaben, die er in Drabenderhöhe initiiert hat, aufzuzählen, ist fast nicht möglich. Einige seien genannt: Erweiterung des Altenheims, Bau einer Kapelle, die von der Rheinischen Kirchenleitung als zweite Predigtstätte genehmigt wurde, Einweihung des „Turms der Erinnerung“ 2004, der mit einer Glocke aus der Heimatkirche zur Andacht einlädt, Mitbegründer und von 2005 bis 2013 Vorsitzender des Stiftungsrats der von Dr. Ernst Weisenfeld benannten „Stiftung Elena Mureșanu“, die das Schülerwohnheim „Haus Weisenfeld“ in Hermannstadt verantwortet, Gründung der Karl-und-Ilse-Eisenburger-Stiftung und seit 2005 ­deren Vorsitzender, zur Begleitung Demenzkranker in Drabenderhöhe.

Zwei Schwerpunkte ergeben sich im Hinblick auf seine ehrenamtlichen Aktivitäten. Es sind dies die Wahrnehmung von Verantwortung für die Heimatkirche und, Hand in Hand damit, die Arbeit in und mit der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD e.V., dem damaligen Hilfskomitee. Hier sollten insbesondere die Namen der Brüder Hans und Paul Philippi sowie Gerhard und Andreas Möckel nicht vergessen bleiben. Nach anfänglichen Irritationen zwischen den seither Verantwortlichen und der jüngeren, ausgesiedelten Generation ist es der behutsamen Herangehensweise von Kurt Franchy – als späterer Vorsitzender des Hilfskomitees (von 1983 bis November 2004) – mit zu verdanken, dass ein erfreuliches Miteinander stattfindet, diakonische Hilfen ohne Behinderungen geschehen und Besuche hin und her von Gruppen oder Einzelpersonen selbstverständlich geworden sind. Zehn Jahre lang führte er Regie bei der Herausgabe des Jahrbuchs und des Monatsgrußes „Kirche und Heimat“ (zuvor „Licht der Heimat“). Ein Anliegen waren ihm die Mitgestaltung der zweijährlich stattfindenden Siebenbürgischen Kirchentage und die Durchführung von 20 Tagungen auf dem Sambachshof.

Seinem Arbeitsstil entsprechend war Kurt Franchy auf Ausgleich bedacht. Wir finden ihn häufig bei den von Land und Bund geförderten Eingliederungsmaßnahmen für Aussiedler. Der dabei von ihm getätigte Hinweis auf die Arbeit des Hilfskomitees erhöhte die seit seiner Zeit nicht mehr überbotene Mitgliederzahl auf rund 600. Schon vor dem Tod Ceaușescus und erst recht danach ermöglichte das Diakonische Werk der EKD Hilfspaketsendungen nach Rumänien. Deren praktische Durchführung oblag u. a. Organisationen der Aussiedler. So war es für Franchy als Gemeindepfarrer und Hilfskomitee-Vorsitzender selbstverständlich, tatkräftig mitzuwirken, dass Hilfssendungen ostwärts fuhren, um die Heimatkirche sowie Alte und Kranke als Einzelpersonen zu unterstützen. Eine der Hilfsmaßnahmen war auch ein Gebäudeneubau im Elimheim in Michelsberg.

Sein Verhältnis zur Heimatkirche war ambivalent. Zunächst war er nach seiner Ausreise an der Kritik gegenüber der Kirchenleitung in Siebenbürgen, so wie sie einige ausgesiedelte Pfarrer formuliert hatten, beteiligt. Später bedauerte er die Rigorosität jener Kritik, fand den brüderlichen Ausgleich mit den leitenden Personen der Kirche und erfreute sich in der Folge an der hilfreichen Nähe zu den kirchlichen Verantwortungsträgern. Sein Haus stand offen für die häufigen Besuche aus der Heimatkirche und manche spontane Hilfsmaßnahme, die wegen Dringlichkeit nicht über den üblichen Dienstweg gehen konnte, nahm ihren Weg über das Pfarrhaus in Drabenderhöhe. Sein Abschied aus der Verantwortung des Hilfskomitees fiel ihm schwer und war ihm verleidet, weil sein Gesundheitszustand zum Kürzertreten zwang, aber auch weil harsche und unberechtigte Kritik an seinem Führungsstil Wunden verursachte. Allerdings sind Anerkennung und Würdigung seiner mannigfachen Aktivitäten für die siebenbürgische Gemeinschaft nicht ausgeblieben. Gelegentlich seiner offiziellen Verabschiedung aus dem Amt des Vorsitzenden erhielt er als hohe kirchliche Auszeichnung das Diakoniekreuz in Gold. Einige Abzeichen der Landsmannschaft gehören ebenfalls zum Bestand seiner Ehrungen, nicht zu vergessen die Stephan-Ludwig-Roth-Medaille, zudem der Silberne Wiehltaler der Stadt Wiehl. Es sind mit Sicherheit eine ganze Menge Leute, die sich dem Wunsch an seinem 80. Geburtstag anschließen: Gott gebe ihm noch Jahre der Gesundheit und Freude im Kreise der Familie und Freunde und erhalte ihm die Spannkraft, per Wort, Tat und Schrieb für seine Siebenbürger einzutreten.

Wieland Graef, Ehrenvorsitzender des Hilfskomitees

Schlagwörter: Franchy, Hilfskomitee, Jubilar, Diakonie

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