14. August 2015

„Wem gute Jugendarbeit gelingt, dem gelingt fast alles“

Eine Schülerzeitung, eine Theatergruppe, Ausflüge, Wettbewerbe und Workshops, aber auch die regelmäßige Suche nach Partner-Institutionen und das Netzwerken mit anderen siebenbürgischen Jugendvereinen – das alles gehört zur „Alltagsarbeit“ des Deutschen Jugendforums Kronstadt (Webseite: http://djkronstadt.ro) hinzu. Die 2010 gegründete Einrichtung, die von Schülern und Absolventen des Johannes-Honterus-Gymnasiums sowie anderen deutschsprachigen jungen Menschen aus Kronstadt und dem Burzenland betrieben wird, hat in den vergangenen zwei Jahren u. a. mit einer anspruchsvoll gestalteten Honterus-Absolventengala auf sich aufmerksam gemacht, die mehr Vernetzung der Mitglieder untereinander sowie eine engere Verbindung zur deutschen Kultur herstellen möchte. Zum Gelingen des Ereignisses hat maßgeblich Paul Binder (26), der Vorsitzende des Kronstädter Jugendforums beigetragen. Er ist selber Honterus-Absolvent, hat in Klausenburg Kommunikationswissenschaften und Öffentlichkeitsarbeit studiert und seinen Mastertitel in Projektmanagement in Bukarest erworben. Zurzeit arbeitet er für eine deutsche Firma in Kronstadt und nutzt Pausen gerne, um Projekte des Jugendforums voranzutreiben. Kronstadt war „schon immer“ sein Zuhause. Der Hobby-Reiseleiter weiß von wunderschönen Orten in Siebenbürgen zu berichten, für die er gerne auch andere begeistert. Mit Paul Binder sprach in Kronstadt unsere Korrespondentin Christine Chiriac.
Welches sind die aktuellen Projekte des Kronstädter Jugendforums?

Unsere Schülerzeitung „Clique“ hat den Generationswechsel gut überstanden, nachdem das ehemalige Team die zwölfte Klasse abgeschlossen hat. Die Freude am Zeitungschreiben ist zwar kein Massenphänomen, aber es gibt einige zuverlässige und engagierte junge Menschen, die sehr selbständig arbeiten. Unsere Theatergruppe „ImPuls“ haben wir im Frühjahr neu gründen müssen, da wir mit der alten Besetzung einige „Verhaltensschwierigkeiten“ hatten. Wir wollten somit ein stärkeres Engagement unter den Mitgliedern erzielen. Zurzeit wird „ImPuls“ von einer theaterbegeisterten Studentin, Petra Antonia Binder, geleitet – und bereitet sich für die Teilnahme an einem Theatertreffen in Kronstadt vor. Zu unseren jüngsten Projekten gehörte im Juni ein Workshop für jene, die sich für Jugendarbeit im Kreis Kronstadt interessieren. Das Treffen wurde von dem Programm You.Pa und der Otto Benecke Stiftung mitgefördert. Es ging uns darum, gemeinsam eine Vision herauszuarbeiten, wie die Jugendarbeit in unserer Region in 20 bis 30 Jahren aussehen sollte.


Die bisher zweimal stattgefundene Absolventengala der Honterusschule hat sich als Erfolg des Jugendforums erwiesen. Was gab den Impuls für diese Veranstaltung?

Es gab schon seit Jahren ein informelles Treffen der Honterus-Absolventen, eine Party zwischen Weihnachten und Neujahr. 2013 haben wir zum Jahresende eine Finanzierung vom Haus des Deutschen Ostens in München erhalten und hatten somit die Möglichkeit, eine anspruchsvollere Veranstaltung ins Leben zu rufen. Das Ziel der Gala ist es, die verschiedenen Generationen von Honterus-Absolventen zusammenzubringen und den jetzigen Schülern zu zeigen, wie wertvoll und zukunftsträchtig es sein kann, an dieser Schule zu lernen. Heutzutage ist es leider oft so, dass vornehmlich die Eltern sich wünschen, dass ihre Kinder Deutsch lernen – und die Kinder selbst betrachten dementsprechend Deutsch als eine Sprache, die sie lernen „müssen“ und nicht als ihre „eigene“ Sprache. Wir möchten die jungen Menschen dabei unterstützen, einen eigenen Bezug zur deutschen Kultur zu finden.


Inwiefern gelingt es, diesen Bezug herzustellen?

Wir präsentieren die deutsche Kultur nicht unbedingt im traditionellen Sinne – über siebenbürgisch-sächsische Tänze, Bräuche oder geschichtliche Ereignisse –, sondern vornehmlich als etwas Lebendiges und Modernes, mit dem man sich als Jugendlicher identifizieren möchte und das Spaß macht.
Paul Binder leitet seit 2012 das Kronstädter ...
Paul Binder leitet seit 2012 das Kronstädter Jugendforum. Foto: Christine Chiriac
Dabei achten wir auch auf den generationsübergreifenden Aspekt, wie zum Beispiel im Rahmen unserer zweiten Gala im Dezember 2014, als wir den Organisten Hans-Eckart Schlandt mit unserem Preis ausgezeichnet haben. Wenn eine bekannte und geschätzte Persönlichkeit wie er auf die Bühne steigt, finden gewiss viele Honterus-Schüler einen persönlichen Bezug zur deutschen Minderheit. In meiner Abschlussrede habe ich hervorgehoben, dass der Name Honterus für vieles steht: für die historische Persönlichkeit, unsere Schule, die Druckerei, aber für mich ist das vor allem mein Zuhause. Ich glaube, dass viele es genauso empfunden haben: Honterus-Absolvent zu sein ist etwas Besonderes.


Nach dem Erfolg des Kronstädter Forums bei den vergangenen Kommunalwahlen macht ihr 2016 wieder im Wahlkampf mit? Natürlich! Es hat recht viel gebracht, sowohl für das Forum, als auch für uns. Anfangs war ich mir nicht sicher, ob man die Jugendlichen überhaupt für die Politik animieren soll. Aber wir haben beschlossen, den Wahlkampf nicht als Politikum aufzufassen, sondern primär als Möglichkeit für uns, eine Kampagne aus unmittelbarer Nähe mitzuerleben. Das war ein guter Ansatz, denn wir haben sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, und 30 bis 40 Jugendliche haben tatkräftig mitgemacht. Der Arbeitsaufwand von rund 200 Stunden war bemerkenswert – und hat sich gelohnt, wie die Ergebnisse zeigen.


Ist es im Zeitalter von Facebook einfacher geworden, Jugendliche zu erreichen?

Sie verwenden Facebook gerne, aber nicht immer sinnvoll. Sobald der Freundeskreis überschritten wird, sind sie schüchtern, vielleicht weil der Facebook-Auftritt des Jugendforums öffentlich ist und sie auf die korrekte deutsche Sprache achten müssen. Unsere Online-Gruppen haben viele Mitglieder, der Newsletter wird gelesen, aber wie in jeder Art von Öffentlichkeitsarbeit sind wenige aktiv, wenn es darum geht, Inhalte zu erstellen. E-Mails finden die Jugendlichen sowieso zu offiziell – es funktioniert immer noch am besten, wenn man sie direkt anspricht.


Wo liegen die Herausforderungen deiner Tätigkeit im Jugendforum?

Es ist nicht einfach, ehrenamtlich tätig zu sein, weil man eben keine Bezahlung dafür bekommt – aber noch schwieriger ist es, mit Jugendlichen ehrenamtlich zu arbeiten. Man muss am Ball bleiben, ihnen stets spannende Programme anbieten, sie zum Mitmachen anregen und auch den Anschluss herstellen, wenn eine Schülergeneration absolviert. Wer es schafft, ehrenamtliche Jugendarbeit langfristig aktiv zu betreiben, der kann problemlos überall und mit jedem arbeiten! Was mich selbst betrifft: dadurch, dass ich jetzt eine Familie und einen Vollzeitjob habe, wird das Ehrenamt zeitlich zur Herausforderung. Ich wünsche mir, dass sich noch mehr junge Leute für das Jugendforum engagieren, und deshalb wollen wir es versuchen, ab Herbst auch bei der Kronstädter Transilvania-Universität einzusteigen und die deutschsprachigen Studierenden anzusprechen.


Welches ist deine Motivation für das Engagement?

Ich versuche etwas zurückzugeben, denn schließlich habe ich von der Gemeinschaft sehr viel bekommen. Ich möchte nicht unbedingt die „Lokomotive“ im Forum sein, sondern meinen Beitrag zum Erhalt und zur Kultur der deutschen Minderheit leisten. Außerdem finde ich die Arbeit spannend und habe bereits sehr viel gelernt. Dass ich Projektmanagement studiert habe, ist zum Teil auch dem Jugendforum zu verdanken. Ich wollte erfahren, wie man Aktivitäten noch effizienter koordiniert und Visionen umsetzt. Das macht großen Spaß.

Schlagwörter: Jugendforum, Kronstadt, Binder, Interview, Jugendarbeit

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