2. Mai 2007

Interview mit Wilhelm Roth: "Spiegelbild der Lebenszeit"

Wilhelm Ernst Roth ist 1937 in Kronstadt geboren und lebt seit 1982 in Augsburg. Seit 1989 engagiert er sich ehrenamtlich als Kulturreferent der Kreisgruppe Augsburg. Bereits in Rumänien wurde Willi Roth als Kunstschaffender auf Landesebene ausgezeichnet. Für seine hiesigen Leistungen hat er den Ehrenwappen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Silber und Gold verliehen bekommen. Seine Projekte präsentiert Roth seit 2002 auf seiner Homepage unter www.wilhelm-roth.de. Internetreferent Robert Sonnleitner hat den engagierten Siebenbürger Sachsen interviewt.
Willi, an welchem Projekt arbeitest du gerade?

Im Moment versuche ich den Grabstein Johann Lukas Hedwigs, des Vertoners unseres Siebenbürgen-Liedes, auf dem Friedhof in Kronstadt erneuern zu lassen. Der jetzige Grabstein, der 1924 aus Kunststein angefertigt wurde, hat der Witterung nicht standgehalten. Mehrere fast fingerbreite Risse gehen durch den Stein. Einer zerteilt sogar die Grabinschrift (siehe Artikel in der Siebenbürgischen Zeitung Online).

Wie soll der neue Grabstein aussehen?

Zunächst einmal ist es sehr wichtig, dass keine Kopie des alten Grabsteines erstellt wird, da diese wiederum nicht von langer Lebensdauer wäre. Der neue Grabstein soll aus Granit angefertigt werden, damit er Jahrhunderte überstehen kann. Er soll quaderförmig sein und eine Höhe von 1,50 Metern haben. Über die Grabinschrift möchte ich ein Strichbild Lukas Hedwigs, das ich nach seinem Bild aus Heldsdorf erstellt habe, sowie die Noten des Auftaktes des Siebenbürgen-Liedes eingravieren lassen.

Wie möchtest du das Projekt finanzieren?

Aus Spenden von Landsleuten. Der jetzige Grabstein ist ebenfalls aus Spenden finanziert worden. Dabei werde ich meine Erfahrungen, die ich mit der Bronzerelieftafel des Honterusdenkmals gemacht habe, einbringen. In den letzten Jahren haben mir verschiedene Landsleute erzählt, dass sie in Kronstadt beim Honterusdenkmal vor der Bronzerelieftafel gestanden sind und aus ihren Erzählungen wurde deutlich, dass sie sich darüber freuen, seit ihrer Spende einen persönlichen Bezug zu Honterus zu haben. Das Gleiche soll auch am Grabdenkmal Johann Lukas Hedwigs geschehen. Im Moment warte ich auf Kostenvoranschläge.

Wilhelm Roth mit der von ihm erstellten neuen Tafel des Honterusdenkmals in Kronstadt.
Wilhelm Roth mit der von ihm erstellten neuen Tafel des Honterusdenkmals in Kronstadt.

Du stellst deine Arbeit auf einer Homepage vor. Wann hast du begonnen, dich mit dem Internet auseinanderzusetzen, und was hat dich dazu bewegt?

Meinen ersten Kontakt mit dem Internet hatte ich 2001 bei einer Kulturreferententagung in München, wo Robert Sonnleitner die Möglichkeiten des weltweiten Datennetzes präsentierte. Im Dezember 2002 habe ich meine Homepage einrichten lassen. Damals war ich 65 Jahre alt und hatte bereits fünf Jahre qualvoller Auseinandersetzung mit dem Computer hinter mir. Mit der gesammelten Erfahrung habe ich mich dann den neuen Herausforderungen gestellt.

Seit 1973, als ich noch in Rumänien lebte, werden meine Aktivitäten im „Siebenbürgischen Künstlerarchiv“ auf Schloss Horneck in Gundelsheim gesammelt. Rolf Schuller, der Gründer des Archivs, hatte mich gebeten, ihm alles, was über meine Aktivitäten publiziert wurde, zuzuschicken. Die Unterlagen sind ein Spiegelbild der Lebenszeit eines Menschen, der 45 Jahre, bis 1982, in Kronstadt gelebt hat und seitdem sein Leben in Augsburg verbringt. All das kann nun jeder Interessierte im Internet einsehen.

Wie sollte man deiner Meinung nach Rentner dazu ermuntern, sich mit dem Internet auseinanderzusetzen?

Es ist wirklich sehr wichtig, den Rentnern den Umgang mit dieser Plattform beizubringen. Es ist nun einmal so, dass ältere Menschen oft den Partner verlieren und vereinsamen. Die Freundschaften, die sie noch haben, sind meistens weit verstreut. Das Internet ist eine sehr gute Plattform, um eine globale Kommunikation zu ermöglichen und Freundschaften zu pflegen. Wenn man sich dazu noch eine eigene Homepage einrichtet, auf der man seine persönlichen Erlebnisse präsentiert, und ein Interesse an diesen Erfahrungen erkennt, dann ist dies noch ein zusätzlicher Gewinn.
Begrüßenswert wäre es, wenn sich Jugendliche der Rentner annehmen und ihnen vielleicht alle zwei Monate einen Lehrbesuch abstatten würden.

Welche Ziele verfolgst du mit deiner Homepage und wen möchtest du damit erreichen?

Meine Homepage richtet sich nach dem Grundsatz der Öffentlichkeitsarbeit: „Tue etwas und rede darüber.“ Ich ermögliche einen Einblick in Begebenheiten aus meinem Leben und zugleich in die Zeit der Selbstauflösung der Siebenbürger Sachsen. Meine Homepage ist für alle gedacht, die Interesse an einer siebenbürgischen Autobiografie haben, die die Jahre ab 1944 beinhaltet.

Kannst du uns die Webseite kurz vorstellen?

Auf der Startseite zeige ich kulturelle Ereignisse, die ich in den letzten Jahren ins Leben gerufen habe. Unter dem Punkt „Verschiedenes“ sind alle auf meiner Homepage publizierten Ereignisse zu finden. Weiterhin kann man sich von der Startseite aus über die aktuellen Vorträge meiner von der Kreisgruppe Augsburg finanziell unterstützten, monatlichen Vortragsreihe „Verständnis für einander“ informieren, die dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert. Es ist eine einmalige Vortragsreihe in Deutschland, in der Themen mit siebenbürgischem Bezug behandelt werden.
Die Homepage hat auch einen Besucherzähler. An meinem 70. Geburtstag, am 28 Mai, wird wahrscheinlich die Besucherzahl von 40 000 überschritten sein.

Was ist das Besondere an deiner Homepage? Was bietet sie, was andere Sites mit ähnlichem Thema nicht haben?

Ich biete keine Geschichten, sondern Begebenheiten, die das Leben schrieb. Alles ist mit Fotografien und Pressemeldungen so detailliert wie möglich belegt.

Wenn man sich durch deinen Internetauftritt klickt, merkt man, dass er ziemlich umfangreich ist. Da ist die Benutzerführung beziehungsweise die Navigation sicherlich noch verbesserungsfähig.

Was die Navigation angeht, habe ich bis jetzt keine bessere Variante gefunden. Vielleicht meldet sich da jemand, der diese Zeilen liest, und greift mir „Grufti“ unter die Arme. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass man im Internet eher nach kurzen Informationen sucht. Ich merke aber, dass auch Interesse an meinen längeren Berichten besteht. Dieses Interesse der Besucher möchte ich weiter fördern, damit sie nach mehr Informationen zu Siebenbürgen suchen.

Wie soll sich die Webseite weiterentwickeln?

In den nächsten Monaten werde ich weiter über siebenbürgisch-sächsisches Brauchtum berichten, das ich zwischen 1979 und 1982 in Ton und Dia festgehalten habe, sowie über die Vorführungen meiner Dia-Tonmontagen in Rumänien und Deutschland.

Momentan arbeite ich daran, diese Dia-Tonmontagen zu digitalisieren und auf DVD zu brennen, um sie als einmalige Zeitdokumente einer deutschen Kultur, die sich gerade im Auflösen befindet, unter die Leute zu bringen. Bisher habe ich den Urzelnbrauch in Agnetheln 1980, Urzeln in Großschenk, Kinderblasi in Pretai 1982, Kronenbaumfeier in Seiburg und die Kronenbaufeier in Zeiden 1979 fertiggestellt. Die Trachtenschau in der Noa 1979, Hochzeit in Deutsch-Weißkirch, Konfirmation in Weidenbach und andere über 30 Feirelichkeiten werden folgen. Hinzu kommen aktuelle Projekte, wie der eingangs erwähnte Grabstein von Johann Lukas Hedwig in Kronstadt.

Hast du vielleicht noch einen Schlusssatz für unsere Siebenbürger weltweit?
Wir, als Angehörige einer sich im Untergang befindenden Minderheit Europas, haben die Pflicht, unser erlebtes Zeitgeschehen der Öffentlichkeit und den nachfolgenden Generationen zugänglich zu machen. Wenn wir nicht mehr sind, werden sich unsere Nachkommen fragen, wieso wir nach 850 Jahren Siebenbürgen verlassen haben. Heute haben wir bald niemanden mehr, der über das Leben während den Jahren 1945- 1950, als man uns das völkische Rückgrat brach, berichten kann.

Einen guten Einblick in die von uns gelebte Zeit ermöglichen wir, indem wir unser Erlebtes ins Internet stellen. Hier kann jeder, der Interesse mitbringt, darauf zurückgreifen. Mehr auf meiner Homepage.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Burzenland, Verbandsleben, Augsburg

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