14. Dezember 2015

Nürnberg: „So viele Kirchenburgen … das gab es bei uns nicht!“

… sagte Olga Vetter, die aus Friedental (Russland) stammt und seit 1995 in Nürnberg lebt. Sie hat die Siebenbürger Sachsen erst im Haus der Heimat getroffen und bis jetzt schon viele Besonderheiten unserer Landsleute kennengelernt. Dass in jeder Ortschaft solche mächtigen Kirchen mit Ringmauern stehen, ist ja auch einmalig. Die Ankündigung „Einblicke ins Zwischenkokelgebiet – Eine Kulturlandschaft in Siebenbürgen“ mit dem Plakat von Hans-Werner Schuster und die musikalische Umrahmung der Nadescher Adjuvanten wurden begeistert im Raum Nürnberg zur Kenntnis genommen. Etwa 120 Leute kamen und haben am 15. November im Gemeindehaus der Nikodemuskirche Nürnberg einen äußerst fundierten Vortrag des Historikers Martin Rill erleben können. Die präsentierten Fakten und Daten wurden aufmerksam verfolgt und die besonderen Ortsschätze in Bilderform bewundert.
Die Vorstellung der 46 Ortschaften verlief nach dem gleichen Prinzip. Zuerst sahen wir Aufnahmen der Orte, die zwischen der Kleinen und Großen Kokel liegen. Diese zeigten die Landschaften und die Anordnung der Häuser und Straßen sowie die Ortskerne, meistens mit Kirche und Schulgebäude. Dann folgten Fotos der Außen- und Innenansichten der Kirchen mit Orgel, Altar und Gelände sowie ihre Schätze, wie zum Beispiel Taufbecken, Holzdecke, Kirchenstühle, Flügelaltare, Fresken, Kirchenportale, Sakramentshäuschen, Gewölbe und Gemälde. In Bonnesdorf waren sogar die zwei Wappen des moldauischen Herrschers Stefan des Großen an der Kirchenburg verewigt, da das Dorf sein Eigentum war. Auch die größten Schulgebäude (Schönau, Baaßen, Taterloch, Durles, Maldorf-Hohndorf) wurden gezeigt, die auf eine Vielzahl an Kindern im Ort hinwiesen. Manchmal unterschieden sich auch die typischen Häuserfassaden durch einige Unikate wie in Schönau und in Puschendorf, wo ein altes Holzhaus mit Lehmbewurf noch heute bewohnt wird. Leider gab es auch Ortschaften zu sehen, die uns wehmütig machten. Da erfuhr man über Vertreibung, Verlassenheit oder Vandalismus (Felldorf, Irmesch). In Belleschdorf überwuchert der junge Wald den ehemaligen Friedhof mit den einzelnen Grabsteinen. Doch auch Erhaltungsprojekte finden die notwendigen Unterstützer, so wie in Großalisch, wo man auf eine neu renovierte Kirche blicken kann. Das Kirchendach in Felldorf wurde neu gedeckt. Kirtsch, Bogeschdorf, Bulkesch, Baaßen, Rode sind Kirchenburgen, die durch finanzielle Unterstützung restauriert wurden. Und sie werden in den Sommermonaten immer häufiger von interessierten Touristen besucht und bewundert. Groß ist der Einsatz der vor Ort lebenden Burghüter und Wächter, ihnen gebührt ein herzlicher Dank.
Der Referent Martin Rill (Bildmitte) mit den ...
Der Referent Martin Rill (Bildmitte) mit den Moderatoren der Veranstaltung, Inge Alzner und Hans-Werner Henning, im Gemeindehaus der Nikodemuskirche. Foto: Hermann Depner
Geschichtlich betrachtet waren diese Gebiete alle Grundherrschaften des siebenbürgischen Adels, der Städte oder des siebenbürgischen Patriziertums (Haller). Den Alltag bestimmten Leibeigenschaft und Knechtschaft und das nicht nur in den dreizehn hörigen Dörfern des Zwischenkokelgebietes. Nach 1848 änderte sich die Lage und die Selbstverwaltung wurde eingeführt, die Gemeinden erlebten einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung.

Mit ihrem Applaus dankten die Zuhörer Herrn Rill für den gelungenen Einblick in eine Region, der auch vielen gebürtigen Zwischenkokeltalern aus dem Saal nicht bekannt war. Auch die 21 Bildtafeln, die als Ausstellung für den Heimattag 2015 vorbereitet wurden, hatte Herr Rill mitgebracht. Die Zuhörer nutzen die Gelegenheit, diese intensiv zu betrachten und das Gehörte nochmals zuzuordnen. Zur Stärkung boten die Sän- ge­rinnen des Nadescher Chores eine köstliche Auswahl an Kuchen und Torten sowie an kalten und warmen Getränken an. Nochmals herzlichen Dank an die fleißigen Bäckerinnen.

Der zweite Teil des Nachmittags war dem Beitrag der Mitausrichter des diesjährigen Heimattages gewidmet. Aktiv hatten sich zehn HOGs aus dem Zwischenkokelgebiet beteiligt. Die Beiträge wurden von Hermann Depner, gebürtiger Tekeser, für die Dokumentation gefilmt. Er zeigte den Zuschauern Auszüge vom Trachtenumzug sowie die vorbereitete Ausstellung, die hauptsächlich den Wein und Weinanbau thematisierte. Viele Zuschauer konnten somit auch auf diesem Wege Fotos von der Weinlese, den Werkzeugminiaturen sowie der Vielfalt und Schönheit der mitgebrachten Trachten und Handarbeiten sehen.

Zum Schluss erfreuten uns die Nadescher Musikanten unter der Leitung von Michael Barth mit Blasmusikstücken. Die Kreisverbandsvorsitzende Inge Alzner und Hans-Werner Henning als Kirchenvorstand der Nikodemuskirche, die uns durch den Nachmittag führten, bedankten sich bei allen, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben. Dank gebührt auch dem Verband der Siebenbürger Sachsen und dem Haus des Deutschen Ostens München, die dieses Projekt gefördert haben.

Annette Folkendt

Schlagwörter: Nürnberg, Kirchenburgen, Vortrag, Rill

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