15. Juni 2016

Daheim in Drabenderhöhe

Im Juni 1966 wurde die Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Drabenderhöhe feierlich eingeweiht. Das 50-jährige Bestehen soll vom 17. bis 19. Juni 2016 gefeiert werden. Neben der Siedlung gibt es seit 50 Jahren die Kreisgruppe Drabenderhöhe des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, die Nachbarschaften, das Blasorchester Siebenbürgen-Drabenderhöhe, den Honterus-Chor, den Siebenbürgischen Frauenverein, das Alten- und Pflegeheim Haus Siebenbürgen-Drabenderhöhe sowie den evangelischen Kindergarten. Gleichzeitig findet am oben genannten Wochenende das traditionelle Musikertreffen der Vereinigten Trachtenkapellen aus Nordrhein-Westfalen und Wolfsburg statt, zu dem 120 Musiker, darunter die siebenbürgischen Blaskapellen Elixhausen und Munderfing aus Österreich, erwartet werden.
Die in Deutschland angekommenen Siebenbürger Sachsen hatten einen Krieg mit seinen schrecklichen Folgen mitgemacht, hatten Evakuierung, Flucht, Deportation und Diktatur erlebt. Am meisten schmerzte der Verlust der Heimat. Die Menschen waren im Irgendwo gelandet, wo sie keiner haben wollte.

Hier in Drabenderhöhe gab es nun die Chance, wieder ein neues Zuhause zu finden. Als vor mehr als 50 Jahren die ersten Baumaßnahmen begannen, ahnte bestimmt keiner, wie sehr sich das Dorf verändern würde. Es entstand die weltweit größte Siedlung der Siebenbürger Sachsen, die heute 2 500 Einwohner zählt.

Wohn- und Lebensraum für fast 3 000 Menschen mit Gemeinschaftsbauten und Einrichtungen für Handel und Gewerbe wurden nach und nach geschaffen. Durch den Zuzug der vielen neuen Bewohner veränderte sich nicht nur das Bild des Dorfes, das vorher nur 500 Einwohner gezählt hatte, sondern auch das Leben im Dorf, in der Kirchengemeinde, in den Vereinen und in der Schule. Neue Gemeinschaftsbauten wie Kindergarten (später kam ein zweiter dazu), ein Altenheim, ein Kulturhaus mit Jugendbereich und ein Gemeindehaus prägten das neue Aussehen des Ortes.
Kronenfest im Robert-Gassner-Hof, 2012. Foto: ...
Kronenfest im Robert-Gassner-Hof, 2012. Foto: Christian Melzer
Viele prominente Gäste, darunter die Bundespräsidenten Carl Carstens (1980), Richard von Weizsäcker (1986), Roman Herzog (1995) und Johannes Rau (2004) waren zu Gast in Drabenderhöhe und wurden von der Bevölkerung begeistert empfangen. Zahlreiche Politiker, fast alle „Patenminister“ von Nordrhein-Westfalen (das Land hatte 1957 die Patenschaft über die Siebenbürger Sachsen übernommen), Besuchergruppen aus dem In- und Ausland, besonders auch aus Amerika und Kanada, kommen immer wieder gerne nach Drabenderhöhe.

Heute leben Siebenbürger Sachsen nicht nur in dem ursprünglich festgelegten Siedlungsgelände, sondern auch im Dorf und den rund um Drabenderhöhe neu entstandenen Wohngebieten: Hillerscheid, Dahl, Brächen, Im Pferdefeld/Steinbreche und Kahlhambuche. Viele sogenannte Mischehen wurden geschlossen.

„Ein ganz besonderer Dank gilt allen Menschen, die sich für das Zusammenwachsen und ein gegenseitig respektvolles Zusammenleben in dem einzigartigen Dorf ‚Auf der Höh‘ engagiert haben“, betont Enni Janesch, Vorsitzende der Kreisgruppe Drabenderhöhe des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, in der Festschrift, die zum 50-jährigen Jubiläum herausgegeben wird.

Jochen Hagt, Landrat des Oberbergischen Kreises, betont in seinem Grußwort für die Festschrift, dass die Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen Mitte der 60er Jahre ein Geschenk für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung von Drabenderhöhe war. Hier sei es gelungen, eine wichtige Stätte der Begegnung zu schaffen. Das wurde bereits 1991 mit einer Goldmedaille im 1. Bundeswettbewerb für vorbildliche Integration von Aussiedlern in der Bundesrepublik 1991 gewürdigt.

Unvergessen ist Robert Gassner, der als „Vater der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung“ bekannt wurde. Er sprach nicht nur von Integration, sondern lebte sie. „Wir sind daheim“, sagte Gassner aus vollem Herzen 1966 bei der Einweihung der Siedlung. Diese Worte werden oft zitiert und haben auch 26 Jahre nach seinem Tod eine besondere Bedeutung.

„Die Siebenbürger Sachsen sind angekommen, um zu bleiben“, sagt Enni Janesch, die seit 13 Jahren als Vorsitzende die Geschicke der Kreisgruppe lenkt. Die Siebenbürger haben hier Heimat gefunden, pflegen ihre mitgebrachte Kultur, bekennen sich zu den Wurzeln ihrer Herkunft und prägen das Gemeinschaftsleben im Ort mit. Die Älteren erinnern sich gerne und mit Wehmut an ihre Heimat, die sie verlassen mussten – trotzdem möchte keiner mehr hier weggehen.
Luftbild der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in ...
Luftbild der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Drabenderhöhe. Foto: Christian Melzer
Noch funktioniert alles gut: Die siebenbürgischen Vereine pflegen ihre Traditionen und ihr Brauchtum, Veranstaltungen und die Heimatstube (ein kleines Museum) werden gut und gerne besucht. Im Wohnbereich wird sich in Zukunft gewiss einiges verändern, so Janesch. Viele Menschen, die in den Siedlungshäusern wohnen, sind über 70 Jahre alt. Aber verwaiste Häuser stehen nicht lange leer, sie werden schnell wieder verkauft, oft an nicht-siebenbürgische Familien.

Die jüngeren Menschen, die nicht in Siebenbürgen geboren wurden, haben nicht mehr eine so enge Bindung zum Geburtsland der Eltern und Großeltern. Sie identifizieren sich stärker mit Drabenderhöhe, und ihre Zugehörigkeit zum Verband der Siebenbürger Sachsen ist nicht mehr selbstverständlich. Die in der zweiten und dritten Generation in Oberberg Geborenen sehen sich weniger in der Pflicht, das kulturelle Erbe ihrer Vorfahren zu pflegen. Trotzdem sei es nach wie vor wichtig, das hierher mitgebrachte Kulturerbe zur Wahrung der siebenbürgisch-sächsischen Identität weiter zu erhalten, betont Janesch.

Der ehemalige Wiehler Bürgermeister Werner Becker-Blonigen, der während seiner 36-jährigen Amtszeit die Entwicklung der Siedlung mit viel Empathie begleitet hat, schrieb in seinem Grußwort zum 40-jährigen Bestehen der Siedlung: „Heute lässt sich feststellen, dass die Siebenbürger Sachsen in die einheimische Bevölkerung hineingewachsen sind. Sie stellen jetzt gut zwölf Prozent [heute sind es 15 Prozent – Anmerkung der Verfasserin] der Stadt Wiehl und bilden einen wichtigen integralen Bevölkerungsanteil, auf den wir alle stolz sind.“

Noch wichtiger sei ihr kultureller und gesellschaftlicher Akzent, der heute noch sichtbarer sei als in den ersten Jahren der Eingewöhnung. Ob Musik, Theater, Gesang oder bildende Kunst, alle diese Bereiche werden durch die Siebenbürger in der Stadt Wiehl personifiziert, gefördert und gestaltet.“
Seit den ersten Planungen begleitet die ...
Seit den ersten Planungen begleitet die Siebenbürgische Zeitung die Entwicklung in der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung
Im Januar 2014 wurde der Siebenbürgisch-Deutsch-Rumänische Freundeskreis Wiehl-Bistritz gegründet. Im August 2015 unterzeichneten die Bürgermeister beider Städte einen Partnerschaftsvertrag.

Bürger und Bürgerinnen aus der Siedlung haben sich als Stadtverordnete in der Stadt Wiehl und als Kreistagsmitglieder im Kreistag des Oberbergischen Kreises engagiert und werden es auch weiter tun. 2004 wurde Hagen Jobi, ein Drabenderhöher mit siebenbürgischen Wurzeln, zum Landrat des Oberbergischen Kreises gewählt. Während seiner Tätigkeiten als stellvertretender Bürgermeister der Stadt Wiehl, stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, Landtagsabgeordneter und Landrat des Oberbergischen Kreises (bis 2015) war ihm das Zusammenwachsen der Dorfgemeinschaft stets ein besonderes Anliegen.

Ursula Schenker




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Schlagwörter: Drabenderhöhe, Siedlung, Jubiläum

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