26. Juli 2011

Geschichtsbücher über Schäßburg

Zeittafeln, Übersichten, Hexenprozesse und Sprachdenkmäler aus Urkunden und Chroniken: Im Folgenden sollen drei Bücher über die Geschichte von Schäßburg kurz vorgestellt werden.
Friedrich Karl Johann Mild: Schäßburger Chronik mit Reproduktionen aus dem Privatarchiv des Julius Misselbacher und Anmerkungen von Gernot Nussbächer. Schiller-Verlag Hermannstadt – Bonn 2010, 106 Seiten

Gernot Nussbächer: Aus Urkunden und Chroniken. Beiträge zur siebenbürgischen Heimatkunde. Schäßburg. Neunter Band, aldus-Verlag Kronstadt 2010, 285 Seiten

Hagenthurn Endre (Herausgeber): Segesvári boszorkányperek/Schäßburger Hexenprozesse. Balassi-Verlag Budapest 2010, 279 Seiten

Bei der Chronik von Mild handelt es sich um eine aufzählende Zeittafel mit den wichtigsten Geschehnissen in der Geschichte von Schäßburg, angefangen mit der in alten Chroniken erwähnten Gründung der Stadt an der Kokel im Jahr 1191 und fortfahrend mit ihrer Entwicklung bis 1966. Der Hobbyhistoriker Mild (1861-1974) hat die Zeittafel, wie er selbst angibt, aus Chroniken und Urkunden erstellt. Das von ihm hinterlassene Manuskript wird nun erstmals veröffentlicht und jede Seite mit einer Illustration aus dem ­Fotoarchiv von Julius Misselbacher ergänzt. Es entstand so ein Nachschlagwerk, das einen Überblick über die wichtigsten Daten aus der Geschichte von Schäßburg vermittelt.

Der Band des Archivars Gernot Nussbächer bietet zu der „Chronik“ von Mild eine ebenfalls Urkunden und Chroniken umfassende Materialsammlung, die aber nach Sachgebieten geordnet ist und in Aufsätzen ausführlicher auf die Fakten eingeht. Es handelt sich dabei nicht um eine geschichtliche Gesamtschau, sondern um zusammenfassende Aufsätze mit Daten und Gescheh­nissen, die für die Schäßburger Vergangenheit charakteristisch und von Bedeutung sind. Das Faktenmaterial ist in fünf Kapitel geordnet: Schäßburg im Wandel der Jahrhunderte, Schäßburger Baudenkmäler, Zünfte und Zunfttürme, Kulturgeschichte, Schäßburger Persönlichkeiten. Daran schließt sich ein chronistischer Jahreszahlenüberblick von 1191 bzw. 1198 bis 1980. Um eine Vorstellung zu vermitteln, was die einzelnen Kapitel bzw. Aufsätze bieten, hier einige konkrete Beispiele: die ältesten Urkunden von Schäßburg, Schäßburg Anno 1580, der große Brand am 30. April 1676, die Schäßburger „Schülertreppe“, der Goldschmiedeturm, „Stundenmacher“ (Uhrenmacher) im 16. Jahrhundert, Schäßburger Studenten im 15. und 16. Jahrhundert. Von den Schäßburger Persönlichkeiten werden präsentiert: Christian Schesäus, Martin Eisenburger, Georg Kraus, Georg Rodius, Andreas Teutsch, Wilhelm Wenrich, Carl Seraphin und Fritz Schuster.

Der in Budapest von Hagenthurn Endre herausgegebene deutsch-ungarische Dokumentationsband veröffentlicht Texte aus dem Schäßburger Archiv über Injurien- und Hexenprozesse. Ein Großteil der Akten wurde bereits von Friedrich Müller (1854) und von Andor Komáromy (1910) veröffentlicht. Sie werden nun hier zusammengefasst und ergänzt. Die Prozessakten werden in lateinischer oder in deutscher Sprache, in der sie verfasst wurden, wiedergegeben. Da sich der Band an deutsche und ungarische Leser wendet, sind Einleitung, Vorwort und Transkriptionsrichtlinien in beiden Sprachen abgefasst, während der Inhalt der Prozessakten in ungarischer Zusammenfassung geboten wird. Ein Glossar mit einigen heute unverständlichen Wörtern zu den Texten, ferner ein Register und ein Verzeichnis der in Akten erwähnten Personen- und Ortsnamen und schließlich eine Liste mit Fachliteratur ist im Anhang zu finden.

Die Herausgabe dieses Bandes gehört zu einem umfangreichen Projekt des Budapester Instituts zum Studium der ungarischen Hexerei, das sich zum Ziele setzt, die Hexenprozessakten aus dem mittelalterlichen Ungarn ausfindig zu machen und zu publizieren. Eine Serie umfasst die Akten der Komitatsgerichte, eine zweite die der Städte. Im ersten Band der stadtgeschichtlichen Serie wurden die Hexenprozessakten von Frauenbach (Baia Mare) herausgegeben. Die Prozesskaten des Schäßburger Archivs erschienen nun als zweiter Band der Serie. Die Edition ist durch die Kooperation zwischen der Abteilung der Sprachwissenschaft vom Germanischen Institut der Westfälischen Wilhelm-Universität Münster und dem Ethnologischen Forschungsinstitut der Ungarischen Wissenschaftlichen Akademie in Budapest zustande gekommen.

In den Gerichtsverhandlungen, die vom Königsrichter und Stuhlsrichter geführt wurden, denen auch ein Dorfrichter beistehen konnte, ging es um Beleidigungsprozesse (Injurienprozesse) oder um Anklage auf Hexerei. Insgesamt werden 30 Prozessakten aus der Zeit von 1666 bis 1748 mit Vernehmung des Angeklagten, des Anklägers und der Zeugen aus Schäßburg, ferner aus Großschenk, Keisd, Neithausen, Denndorf, Trappold und anderen Ortschaften veröffentlicht. Dabei werden über 600 Zeugenaussagen verzeichnet. Angeklagt waren meist Frauen, bloß in zehn Prozent der Fälle waren es Männer, in Schäßburg von 29 Angeklagten bloß drei Männer. Die Urteile reichten von Ermahnung, Landesverweis bis zu Todesurteilen, die meistens durch „Feuertaufe“ vollzogen wurden. Wir kennen allerdings in den hier aufgezeichneten Fällen nicht das Urteil, denn dieses wurde auf Grund der Prozessakten vom Magistrat und dem Senat der Stadt nach geltendem Recht gefällt.

Die veröffentlichten Materialen widerspiegeln nicht nur verschiedene Aspekte des Alltagslebens, sondern sind zugleich wertvolle Sprachdenkmäler für den Sprachforscher über das im 17. und 18. Jahrhundert gebräuchliche Schrifthochdeutsch, in dem sich auch siebenbürgisch-sächsische mundartliche Einflüsse bemerkbar machen.

Michael Kroner

Schlagwörter: Rezension, Schäßburg, Geschichte

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