27. Dezember 2011

Wie das Burzenland 750. Geburtstag feierte

Ein ereignisreiches Jubiläumsjahr 2011 nähert sich dem Ende. Mit zahlreichen Kulturveranstaltungen und einem gelungenen Sachsentreffen in Kronstadt ist das Burzenland zu seinem 800. „Geburtstag“ in der Öffentlichkeit aufgetreten. Nun, kurz vor dem Jahreswechsel, blickt man gerne auf die vielen Fotos und Presseberichte zurück. Man fragt sich aber, wie diese schöne, geschichtsträchtige siebenbürgische Gegend vor nicht einmal so vielen Jahrzehnten ihre 750. Jahresfeier beging. Wie sah der Advent vor 50 Jahren aus? Ein Einblick in alte Zeitungen beantwortet so manches... Überraschend für die Jüngeren, die das Jahr 1961 nur aus den Erinnerungen ihrer Eltern und Großeltern kennen, jedoch bekannt für Letztere: Die „Volkszeitung“, das damalige Wochenblatt in deutscher Sprache, erwähnt weder ein Burzenland-Jubiläum noch den Advent.
Schon am Untertitel der Zeitung, „Organ des Regionskomitees der RAP und des Volksrates der Region Kronstadt“ (RAP steht für Rumänische Arbeiterpartei), merkt man, dass das Burzenland damals eine andere Zeit (und Welt) erlebte. Es fällt auch bei den Titeln auf: „Plenum des Regionalparteikomitees mit dem Aktiv aus der Industrie“, „Kommunisten besprechen ihre Arbeitsergebnisse“, „Mit Hilfe der breiten Massen / Die Tätigkeit der Volksräte unserer Region war auch 1961 ersprießlich“ oder „Ein Bauer steht am Rednerpult“. Die Dezember-Ausgaben sind voll von Betrieben, die den Jahresplan für 1961 erfüllt haben und „seither Erzeugnisse für das Jahr 1962 liefern“: „Jede Kurbelwelle, jeder Motor, jeder Radschlepper“, den die Arbeiter in dieser Zeitspanne herstellen, „ist ihr zusätzlicher Beitrag zur großen Aufgabe, die Vollendung des sozialistischen Aufbaus in unserem Vaterland“.

In der Ausgabe vom 30. November 1961, dem Donnerstag vor dem 1. Advent, erfahren wir bereits mehr über den Winteralltag: „In diesen Tagen begannen auch in unserer Region die Beratungen der Bestkollektivbauern, wo die bisher erzielten Erfolge in der wirtschaftlich-organisatorischen Festigung der Kollektivwirtschaften als auch die Entwicklungspläne besprochen wurden.“ Weniger seriös (zum Glück!) klingt die kurze Rubrik „Ertappt und Festgehalten“: „Am 25. November fuhr der Traktorist Vasile Perneș in angeheitertem Zustand mit seinem Traktor 66466 BV an der Straßenecke Kalinin-Morilor in Kronstadt am helllichten Tag einen Lichtmast an. So komm’s, wenn man Kreise sieht,/ wenn es gluckst im Ranzen,/ wenn die Straße wird zu eng/ und die Masten tanzen.“ Die „Kultur-Notizen“ informieren, dass die Klubbibliothek der Kronstädter „Steagu Roșu“-Werke bereits 5000 Leser zählt. Selbstverständlich: „Der Großteil davon ist Arbeiter.“ Was damals im Kino lief? In der Zinnenstadt konnte man u.a. den Film „Mein letzter Tango“ sehen, in Rosenau hingegen „Katja Katjuscha“. Reich an Ereignissen ist die Sportseite, hervorgehoben wird ein Sportfilmfestival: Drei Filmkarawanen „suchen die Gemeinden und Dörfer unserer Region auf.“ In Brenndorf, Heldsdorf, Wolkendorf, Tartlau und anderen Ortschaften des Burzenlandes werden Spiel- und Dokumentarfilme zu Sportthemen gezeigt.

In der Volkszeitung vom 7. Dezember 1961 macht die Überschrift „Dung und tiefe Furche“ neugierig: Es geht um die 21 Staatswirtschaften „unserer Region“, die ihre Herbsttiefackerungen beendet haben. Zudem werden Winterkurse am Lande eröffnet, so dass „über 27 000 Kursteilnehmer in 394 agrozootechnischen Lehrkreisen ihre Kenntnisse bereichern“ dürfen. Im Artikel „Sprache der Blumen“, unterzeichnet von einer leitenden Mitarbeiterin des Treibhauses Zeiden, erfahren wir, dass nicht nur „Tausende Blumen der verschiedensten Arten“ auf Käufer warten, sondern ebenso „frische Tomaten oder Gurken“ mitten im Winter – damals noch keine Selbstverständlichkeit. Kulturelle Highlights: Das Kronstädter Staatstheater gibt Gastvorstellungen in Honigberg und in den Biengärten, während in Zeiden ein zehntägiges Dorffilmfestival ansteht. Die Heldsdorfer Schüler rufen alle Gleichaltrigen zum Wettbewerb auf: „Wer wirbt die meisten Volkszeitungs-Leser für 1962?“

Mit der Ausgabe vom 14. Dezember haben wir es (leider!) einfach: Fast die ganze Zeitung ist gefüllt (oder erledigt?) mit dem „Bericht der Delegation der Rumänischen Arbeiterpartei beim XXII. Parteitag der KpdSU, erstattet von Genossen Gheorghe Gheorghiu-Dej auf dem Plenum des ZK der RAP vom 30. November-5. Dezember 1961“ – das Kürzel KpdSU steht für „Kommunistische Partei der Sowjetunion“, ZK bedeutet „Zentralkomitee“. Um das ziemlich graue Bild zu ergänzen, zitieren wir eine Strophe aus dem Gedicht „Neue Siedlung“: „Ein Rohbau wartet/ auf die rote Mütze-/ Auch fehlen noch/ die Mörtelkleider dran./ Doch hockt das Dachgebälk/ schon auf der Balkenstütze,/ der Grubenmund ist kalkvoll aufgetan!“

Unter dem Titel „Rohlinge magern ab“ wird am 21. Dezember, dem Donnerstag vor Heiligabend, berichtet, dass die Belegschaft des „Hidro­mecanica“-Betriebs „seit Jahresbeginn 177,6 t Metall gespart hat.“ Im Artikel „Eine Stadt im Kleinen“ verfolgen wir die Entstehung eines neuen Wohnviertels im bekannten Plattenbauten-Stil: „Helle Arbeiterwohnblocks“ gemäß dem „Systematisierungsplan Kronstadts“ werden anstelle einer „schönen Pappelallee“ gebaut. Endlich auch ein Artikel für Kinder: Als „Welt voller Zauber“ wird der neu hergerichtete Spielwarenladen in der Kronstädter „Republicii-Straße“ beschrieben. Jedoch sind auch hier die Puppen als zukünftige Arbeiter oder Sennerinnen angezogen. „Sie und die vielen schönen Spielsachen, die Väterchen Frost“ – der parteitaugliche Ersatz des Weihnachtsmannes – „für die braven Kinder aufgebaut hat, lassen ihre Augen freudig aufleuchten. Wer möchte nicht mit den hohen Baukränen, Baggern, Traktoren und Autos spielen und stolz damit beweisen: nun arbeite ich genau so wie mein Vati?“ Rückblick und Ausschau vor dem Jahreswechsel 1961-1962 bietet die Zeitungsausgabe vom 28. Dezember. Was „im vergangenen Jahr dazu kam“: 21 Ortschaften wurden elektrifiziert, darunter Radeln, Apața, Deutschkreuz oder Bodendorf. Die Glückwünsche auf Seite vier wiederholen einen Refrain: Nicht nur zum Jahreswechsel wird gratuliert, sondern zuallererst zum „14. Jahrestag der Ausrufung der Rumänischen Volksrepublik“ am 30. Dezember. Man kann sich bei der Lektüre nur freuen, dass 2012 ansteht und nicht 1962!

Christine Chiriac

Schlagwörter: Burzenland

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