4. Dezember 2012

Fachzeitschrift "Der Holznagel" wählt Siebenbürgen zum Titelthema

Die Zeitschrift der Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V. (IGB) "Der Holznagel" widmet sich in Heft 5/2012 erstmalig einer Region ­außerhalb Deutschlands: Siebenbürgen.
Es hat angefangen am 24. April 2010 auf der Jahreshauptversammlung der IGB im niedersächsischen Syke. Der Hausforscher Heinz Riepshoff ist vom Vortrag des Architekten Jan Hülsemann über „Das kulturelle Erbe der Siebenbürger Sachsen“ derart begeistert, dass er beschließt, im darauffolgenden Jahr selbst nach Siebenbürgen zu fahren. Im heurigen Frühjahr war es dann gleich eine sechsköpfige IGB-Gruppe, die eine in ihrer Geschlossenheit und baulichen Harmonie fast einmalige Hauslandschaft im von Sachsen entvölkerten Karpatenbogen erkundet hat. Dabei wurden auch Jahrringuntersuchungen an neun Kirchenburgen, u.a. in Birthälm, Heltau, Alzen, Holzmengen, Reichesdorf und Marpod durchgeführt. Inzwischen haben die Forschungsergebnisse ein Ausmaß erreicht, das das historische Siebenbürgen zum Hauptthema des Holznagel hat aufrücken lassen.

Als erstes Produkt seines zweimaligen Aufenthaltes in Südsiebenbürgen stellt H. Riepshoff den in seiner Konstruktion als mittelalterlich zu bezeichnenden Scheunentyp, so wie er sic h in der sogenannten Querdurchfahrtsscheune zeigt, vor. Anhand der Untersuchungen von ca. zwölf Scheunen in sieben Gemeinden – Deutsch-Weißkirch, Malmkrog, Arkeden, Radeln, Trappold, Deutschkreuz und Meschendorf – die auch dendrochronologische Bohrkernentnahmen umfassten, kommt der Hausforscher zu erstaunlichen Feststellungen.

Typologisch ist die Konstruktion mittelalterlich, auch wenn die Mehrzahl dieser Wirtschaftsgebäude aus Teilen unterschiedlichen Alters (1736-1956) besteht, d.h. diese zweit- oder drittverwendet wurden. Als Verbindungsart der ausschließlich mit dem Breitbeil bearbeiteten Eichen-Bauhölzer ist durchwegs die Verblattung anzutreffen, die etwa im deutschen Raum spätestens vor 200 Jahren zugunsten der Zapfenverbindung aufgelassen wurde. Noch seltener sind in Europa ähnliche Ständerbauten zu finden, bei denen man ohne Schwelle auskommt und die Ständer auf einem Stein stehen. Der Autor vermeint diese jahrhundertelang unverändert gebliebene Bauweise in der Sozialstruktur, konkret im Nachbarschaftswesen der Erbauer auszumachen. Da liegt er zweifellos nicht falsch. Außerdem zitiert er einen älteren Sachsen mit den vielsagenden Worten: „Es soll geschehen wie beim Vater, Großvater und Übergroßvater auch.“

Im 14-seitigen Beitrag sind neben zahlreichen Abbildungen auch einige Aufmaße und sonstige Zeichnungen zu finden. Außergewöhnlich an dem Artikel ist die Tatsache, dass dieser, wie auch ein weiterer (von Jan Hülsemann) auch in rumänischer Parallelübersetzung gebracht wird. Ein Teil der Auflage soll nämlich an Bürgermeister und andere Verantwortungsträger für den ländlichen Raum Siebenbürgens ergehen. Das Oktoberheft enthält überdies einen kurzen historischen Abriss über „Das Land jenseits der Wälder“ sowie eine „Anleitung zum Bau einer Scheune“, eine anhand eines landlerischen Tondokumentes von 1968 verfasste Niederschrift.

Unter der Überschrift „Bedrohungen für die traditionelle Hauslandschaft in Siebenbürgen“ zieht der seit zwölf Jahren dort tätige, sehr verdienstvolle Bremer Architekt Jan Hülsemann Bilanz. Dabei nennt er die Dinge, d.h. die Missstände, schonungslos beim Namen. Außer Zerstörungen mit kriminellem Hintergrund, wie etwa in Radeln sieben angezündete Scheunen innerhalb eines Jahres, sieht Hülsemann in institutionellen und rechtlichen Mängeln die Ursachen für die Bedrohung einer „einzigartigen regionalen Kulturlandschaft.“ Als schlagendes Beispiel führt er u.a. das mit viel Brüsseler Geld geförderte Großprojekt „Neubau“ der Repser Bauernburg an. Fehlende Planungssicherheit habe bei vielen privaten Bauvorhaben zu Willkür und Wildwuchs (knallbunte Fassaden, blaue Dächer, kuriose Aufstockungen) geführt; damit auch zu einer „schleichenden Überformung der traditionellen Architektur“.

Erfreuliches und zugleich Ermutigendes in diesem Heft soll gleichwohl nicht unerwähnt bleiben. Dieses verspricht jedenfalls der Text des Partnerschaftsvertrages zwischen der IGB e.V. und der Stiftung Mihai Eminescu Trust (MET). In dessen Präambel heißt es u.a., gemeinsames Ziel sei, den „Erhalt eines wertvollen kulturellen Erbes mit der Revitalisierung von Dörfern in Siebenbürgen zu verbinden.“

Eine Buchbesprechung rundet schließlich die Siebenbürgen-Thematik ab. Das im IGB-Verlag 2012 erschienene Fachbuch „Das sächsische Bauernhaus in Siebenbürgen. Was wie machen an alten Häusern?“ von J. Hülsemann, möchte laut Rezensent nicht nur den Blick für die „einzigartige Hauslandschaft“ schärfen, es ist auch als praktischer Ratgeber für sämtliche Reparaturen an alten Häusern gedacht. Welchen Multiplikator-Effekt diese Holznagel-Nummer für die bundesweite Bekanntmachung deutscher Hausforscher mit Siebenbürgen haben könnte, lässt sich allein schon daran ermessen, dass der Verein 149 Außenstellen bzw. Kontaktadressen in allen Bundesländern unterhält. Die jüngste und bislang einzige ausländische Stelle wurde nunmehr in Siebenbürgen eingerichtet. Als Geschenk überreichte aus diesem Anlass Heinz Riepshoff, der auch 1. Stellvertretender Bundesvorsitzender des Vereins ist, an Jan Hülsemann einen Dendrobohrer samt Zubehör. In Umkehrung einer lateinischen Spruchweisheit könnte man als Schlussbemerkung vielleicht festhalten: Was in den Büchern steht, muss nicht auch (noch) existieren.

Walter Schuller


Zeitschrift- und Buch-Interessenten können sich an den Herausgeber wenden: IGB, Am Sande 2, 28865 Lilienthal, Telefon: (04792) 7834, E-Mail: mail[ät]igbauernhaus.de, Internet: www.igbauernhaus.de, mit Siebenbürgen-Bezug: www.bauernhausarchiv.de, www.hausforscher.de, www.pressler.com.de.

Schlagwörter: Zeitschrift

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