9. Februar 2013

Carmen-Sylva-Renaissance

„Der Aphorismus ist wie eine Biene: mit Beute beladen und mit einem Stachel versehen“ (Carmen Sylva) – Gleich drei Bücher von und über die Königin Elisabeth von Rumänien, besser bekannt unter dem Dichterpseudonym Carmen Sylva (Waldgesang), sollen hier vorgestellt werden, die alle im ibidem-Verlag Stuttgart erschienen sind. Es sei darauf hingewiesen, dass wir in dieser Zeitung bereits ein Buch von Silvia Irina Zimmermann besprochen haben, siehe „Dichtende Königin Elisabeth, Prinzessin zu Wied“. Zieht man auch sonstige Veröffentlichungen der letzten Zeit über Carmen Sylva in Betracht, so kann man von einer Renaissance in der Rezeption ihres Werkes sprechen, nachdem sie in den 1930er Jahren in Vergessenheit geraten war und im kommunistischen Rumänien totgeschwiegen wurde. Man kann auf weitere Veröffentlichungen, vor allem auf ihre Märchen hoffen, um ihrem Werk gerecht zu werden, das zu ihren Lebzeiten breite Anerkennung in Rumänien und im Ausland fand.
Carmen Sylva war, wie Gabriel Badea-Puan schreibt, in der „Belle Époque“ vor 100 Jahren ein Star, der des Öfteren auf Titelseiten der französischen Presse erschien, und es bildete sich ein wahrer Mythos um die in französischer, deutscher, englischer und rumänischer Sprache schreibende Königin von Rumänien. Neben übertriebenen Lobgesängen über ihre Persönlichkeit und ihr Werk erschienen schreckliche Verunglimpfungen. Sie besaß das Temperament einer wahrhaften Diva, so Badea-Paun, geboren, um bewundert zu werden, sei es im Glanz oder Leid. Sie begnügte sich nämlich nicht mit dem „goldenen Käfig des Königinnendaseins“, von dem man, wie sie selbst in einem Aphorismus schreibt, bloß Schönheit, Güte, Fruchtbarkeit erwartete, sie wollte auch als Dichterin anerkannt werden. Trotzdem kam sie auch ihren höfischen Verpflichtungen nach, ohne darin aber aufzugehen. Sie war äußerst pflichtbewusst. Einer ­Umfrage des „Berliner Tageblattes“ von 1905 zufolge zählte Carmen Sylva zu den fünf bedeutendsten Frauen ihrer Zeit, nach Bertha von Suttner die zweitbedeutendste Persönlichkeit.

Wir weisen kurz auf ihre Vita hin. Geboren wurde sie als Prinzessin zu Wied am 29. Dezember 1843 in Neuwied am Rhein als älteste Tochter des Fürsten Hermann zu Wied und seiner Frau Marie von Nassau, Fürstin zu Wied. Im Jahre 1869 wurde Elisabeth mit Karl von Hohenzollern-Sigmaringen, seit 1866 Fürst und ab 1881 König Karl I. von Rumänien, vermählt. Es war, wie sie selbst schreibt, keine Heirat aus Liebe, trotzdem eine standhafte Ehe, deren einziges Töchterchen Maria im Alter von drei Jahren an Diphterie und Scharlachfieber starb. Der Tod stürzte Elisabeth in eine tiefe und anhaltende Depression, die vor allem in ihrer Dichtung Ausdruck gefunden hat. Als Kronprinz wurde der Neffe des Königs, Prinz Ferdinand, auserkoren. Königin Elisabeth ist 1916 verstorben und in der als Königsgruft eingerichteten Klosterkirche von Curtea de Argeș beigesetzt, wo auch Karl I. seit 1914 ruhte.

Dichterische Versuche treten bei Elisabeth bereits in ihrer Kindheit auf, wurden aber von ihrer strengen und verständnislosen Mutter unterdrückt. Erst ab den 1880er Jahren konnte sie ihr dichterisches Talent entfalten. Sie hat ein umfangreiches Werk hinterlassen, das aus Märchen, Versepen, Lyrik, Ballladen, Novellen, Erzählungen, Romanen, Theaterstücken, Aphorismen, Epigrammen u.a. besteht. Hinzu kommen Übersetzungen aus und in die vier Sprachen, die sie mit Leichtigkeit beherrschte. Mehrere Werke hat sie gemeinsam mit Mite Kremnitz, einer deutschen Schriftstellerin, und ihrer Hofdame verfasst und veröffentlicht. Aus diesem umfangreichen Schaffen liegen nun in zwei Bänden Aphorismen und Epigramme in deutscher und französischer Sprache auf, die von S. I. Zimmermann ausgewählt, herausgegeben und mit einem Vor- oder Nachwort versehen sind. Der umfangreichere Band enthält in französischer und deutscher Sprache mehrere hundert Aphorismen und Epigramme.

Das zweite Bändchen enthält nur deutsche Aphorismen, die in folgende Abschnitte gegliedert sind: das Leben, die Menschheit, die Liebe, die Freundschaft, das Glück, das Leid, der Geist, die Kunst, die Pflicht, die Eitelkeit, die Politik, Vermischtes. Dieser Teil ist auch in dem vorhin genannten Band aufgenommen, wobei die Aphorismen auch in französischer Übersetzung wiedergegeben sind.

Gabriel Badea-Pauns Buch ist eine Biographie der dichtenden Königin Elisabeth von Rumänien. Wie er im Vorwort hervorhebt, möchte er angesichts der umfangreichen Literatur über sie den Mythos, der um sie entstanden ist, analysieren, um ausfindig zu machen, was dieser bedeutet und wie er die Zeit überdauert hat. Seine Studie stützt sich auf viele neue Quellen aus rumänischen, deutschen, französischen und englischen Archiven, wobei es sich größtenteils um Briefe von Carmen Sylva an verschiedene Persönlichkeiten oder von ihr empfangene Schreiben handelt. Badea-Paun untersucht in sachlicher Form die verschiedenen, entscheidenden Lebensabschnitte der Königin, ihre Erziehung und traurige Jugend, die lang erwartete Heirat, die schwierigen Anfänge ihres neuen Lebens in Bukarest, 1873 der Tod ihres Töchterchens, ihr Einsatz für die Verwundeten im Unabhängigkeitskrieg Rumäniens von 1877/78, ihr literarisches Debüt und dichterisches Werk, Schloss Pelesch und der Alltag einer Königin, ihre Verbindung zu berühmten Persönlichkeiten des literarischen und künstlerischen Lebens aus Rumänien, Frankreich und Deutschland sowie zu europäischen Königshäusern, ihr Einfluss auf die gehobene Bukarester Damenwelt, der Versuch, ihr Hoffräulein Elena Vacarescu mit dem Thronfolger Ferdinand zu vermählen, was ihr ein „Exil“ einbrachte, um die „Affäre“ zu mildern, ihre Wohlfahrtstätigkeit im Dienst der Armen, Waisen und Blinden (Gründung der Kolonie „Vatra Luminoasa“), die Kriege Rumäniens vom Anfang des 20. Jahrhunderts, der Tod von Karl I. und der Königin.

Die Biographie Badea-Pauns wird ergänzt durch einen Beitrag von S. I. Zimmermann über das geistige Erbe der ersten Königin Rumäniens. Zimmermann erweist sich als profunde Kennerin des literarischen Werkes von Carmen Sylva, wie wir bereits in der Rezension vom 15. April 2011 unterstrichen haben. Die dichtende Königin war zu Lebzeiten eine umstrittene Persönlichkeit und ist es bis heute geblieben. Der literarische Wert ihres Werkes hat nämlich die widersprüchlichsten Einschätzungen erfahren. Einerseits wird die Genialität der dichtenden Königin gelobt, andererseits werden ihrem Werk formale Schwächen, Dilettantismus und Trivialität der um Volksnähe bemühten Texte angekreidet. Zimmermann bemüht sich um eine sachliche Analyse, wobei sie auf den Widerhall hinweist, den das Werk von Carmen Sylva als Kulturvermittlerin bewirkt hat. Das Fazit von Zimmermann lautet: „Nicht als Königin der Dichtung, aber als dichtende Königin, die mit ihrer schriftstellerischen Tätigkeit das Königreich Rumänien weltweit bekannt gemacht hat, bleibt Elisabeth in Erinnerung und ihrem öffentlichkeitswirksamen Dichternamen ‚Carmen Sylva‘ – ihrem geistigen Erbe für Rumänien – gebührt Anerkennung im Pantheon der rumänischen Geschichte. Nichtsdestoweniger verdient auch ein Teil ihres literarischen Werkes veröffentlicht und breiten Kreisen wieder zugänglich gemacht zu werden. Der Band ist reich illustriert und enthält im Anhang eine Liste mit Bibliographie über Carmen Sylva und eine Liste mit einer Auswahl aus ihrem literarischen Schaffen.

„Es gibt nur ein Glück:/ Die Pflicht./ Nur einen Trost, die Arbeit./ Nur ein Genuss: Das Schöne.“ (Carmen Sylva)

Michael Kroner




Carmen Sylva: „Gedanken einer Königin. Ausgewählte Aphorismen der Königin Elisabeth von Rumänien, geborene Prinzessin zu Wied (1843-1916)“, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Silvia Irina Zimmermann, ibidem-Verlag Stuttgart 2012, 186 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978-3-8382-0375-1.

Carmen Sylva: „Gedanken einer Königin. Les pensées d´une reine. Gesammelte Aphorismen in deutscher und französischer Sprache und Epigramme der Königin Elisabeth von Rumänien, geborene Prinzessin zu Wied (1843 -1910)“, herausgegeben von Silvia Irina Zimmermann, ibidem-Verlag Stuttgart 2012, 444 Seiten, 49,90 Euro, ISBN 978-3-8382-0385-0.

Gabriel Badea-Paun: „Carmen Sylva. Königin Elisabeth von Rumänien – eine rheinische Prinzessin auf Rumäniens Thron“, mit einem Vorwort von S. D. Carl Fürst zu Wied, aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Silvia Irina Zimmermann, ibidem-Verlag Stuttgart 2011, 300 Seiten, Preis 32 Euro, ISBN 978-3-8382-0245-7.



Schlagwörter: Dichterin

Bewerten:

20 Bewertungen: o

Neueste Kommentare

  • 10.02.2013, 13:36 Uhr von seberg: Kann man die Überschrift des Artikels "Carmen-Sylva-Renaissance" nicht gewissermaßen auch als ... [weiter]
  • 10.02.2013, 13:27 Uhr von Mynona: @bankban,"professionellen literaturwissenschaftlichen Analyse",ja das macht Zimmermann, und die ... [weiter]
  • 10.02.2013, 13:13 Uhr von bankban: @Mynona: Natürlich ist es möglich, dass Zimmermann mit ihrem Ausdruck ein Lob aussprechen wollte... ... [weiter]

Artikel wurde 8 mal kommentiert.

Alle Kommentare anzeigen.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.