30. Mai 2013

Preisverleihungen 2013 in Dinkelsbühl

Zu den diesjährigen Preisverleihungen begrüßte der Vorsitzende des Kulturpreisgerichts, Prof. h.c. Dr. Stefan Sienerth, am Pfingstsonntagvormittag in der voll besetzten Sankt-Pauls-Kirche zu Dinkelsbühl die Preisträger, ihre Laudatoren sowie die mitwirkenden Musiker. Die bei diesem Heimattag vergebenen Preise verteilten sich auf die Bereiche Jugendarbeit, Literatur und Musik. Mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis 2013 wurden Prof. Heinz Acker und Franz Hodjak ausgezeichnet, den Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreis erhielt Pfarrer Wolfgang Rehner.
Über die erstmalig beim Heimattag in Dinkelsbühl überreichte Honterus-Medaille, die das Demokratische Forum der Deutschen in Siebenbürgen verleiht, in diesem Jahr an die Präsidentin des Bayerischen Landtags Dr. h.c. Barbara Stamm, MdL, wird gesondert berichtet.

Die musikalische Umrahmung der festlichen Veranstaltung gestalteten Dieter Wagner (Tenor) und Johanna Boehme (Sopran), begleitet von Prof. Heinz Acker (E-Piano), Gerhard Zank (Violoncello) und Andrea Kulin (Flöte), mit Liedern aus Heinz Ackers Zyklus „Stilfreveleien“ sowie mit dem Epilog („Gotte der Vater wohn uns bey“) aus „Carmina Selecta - Südöstlicher Divan“, einer CD-Einspielung der Uraufführung bei den Löwensteiner Musiktagen.

Prof. h.c. Dr. Stefan Sienerth stellte die diesjährigen Preisträger und ihre Laudatoren kurz vor. Der dotierte Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis, die höchste Auszeichnung der Siebenbürger Sachsen, wird seit 1968 von den Verbänden der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und in Österreich verliehen, 2013 an Franz Hodjak und Prof. Heinz Acker, dessen 2006 verstorbener Bruder, der Komponist Dieter Acker, bereits 2005 den Kulturpreis erhalten hatte. Am Vortag der Preisverleihungen hatten die diesjährigen Kulturpreisträger im Evangelischen Gemeindehaus referiert bzw. gelesen.

Wenn man nur den Mut hat, die eigenen Schwingen zu entfalten

Das Kulturpreisgericht würdigt Prof. Heinz Acker in der Preis-Urkunde wie folgt: „Als Komponist hat er dem Kanon siebenbürgischer Musiktradition seine ganz eigene Stimme hinzugefügt“, diese Musiktradition „in seinem Werk aufgehoben“ und „sie der musikinteressierten Öffentlichkeit ebenso nahegebracht wie als Dirigent unzähliger Aufführungen im In- und Ausland“. Acker habe als Forscher und Autor „nicht nur mit seiner ‚Modulationslehre‘ entscheidende Beiträge zur Musikwissenschaft erbracht“. Überdies habe er „als Pädagoge und Universitätsprofessor Generationen von Studenten geprägt“.

Die Laudatio auf den 1942 in Hermannstadt geborenen Musiker hielt der Kirchenhistoriker Dr. Ulrich Andreas Wien (Universität Landau), der Vorsitzende des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde. Mit Heinz Acker werde „eine Person und Persönlichkeit ausgezeichnet, deren Wirken in ausgeprägter Weise in den aufgezeigten Dimensionen zu verstehen ist“. Gemeint sind die Dimensionen des schöpferischen Geistes, des Künstlers als homo ludens, des mit Klängen, Sprache, Farben und Gedanken spielenden Menschen, „dessen selbstvergessene Freude den Resonanzraum äußerer und innerer Impulse und Energien in Schwingungen versetzt und neue Resonanzen hervorruft“.
Prof. Heinz Acker (Bildmitte) freut sich über die ...
Prof. Heinz Acker (Bildmitte) freut sich über die hohe Auszeichnung. Neben dem Kulturpreisträger stehen der Laudator Dr. Ulrich Wien (links) und Dr. Bernd Fabritius. Foto: Christian Schoger
Ackers schwere Kindheit (Vater im Krieg gefallen, Mutter nach Russland deportiert) habe seine vielfältigen Begabungen zu einer eigenständigen Persönlichkeit geformt, verschiedene siebenbürgisch-sächsische Pfarrhäuser hätten gleichsam als Elternhaus-Ersatz fungierend Impulse geboten, „die neben seinem Sprachwitz und Humor vor allem Klänge des Volksliedes und der klassischen Musik einprägten und sein eigenes Musizieren und Spielen förderten“. Wie sein Bruder Dieter studierte Heinz Acker in Klausenburg Musik. Der Absolvent fand am neugegründeten Musiklyzeum in Hermannstadt „eine einzigartige, beglückende Chance“, so Wien, „jungen, musikalisch begabten Menschen sowohl praktisch als auch theoretisch den Kosmos der Musik (…) zu erschließen“. In der Folgezeit habe es die „charakterfeste Persönlichkeit“, der „charismatische Künstler“ und „exzellente Pädagoge“ vermocht, Menschen für ihr ganzes Leben zu prägen. Und einer seiner damaligen Schüler, Gerhard Zank, heute einer der führenden Cellisten Münchens, spielte anlässlich dieser feierlichen Preisverleihung mit seinem ehemaligen Lehrer.

Nach „quälenden Jahren“ politischer Schikanen verließ er mit Ehefrau Marianne und den drei Kindern 1977 das kommunistische Rumänien Ceaușescus. An der Jugendmusikschule im badischen Bruchsal fand er eine neue Herausforderung, gab Instrumental- und Theorieunterricht und baute parallel „ein landes- und bundesweit erfolgreiches Jugendsinfonieorchester auf, das jährlich Konzertreisen ins Ausland unternahm“. Zudem unterrichtete er mit einem Lehrauftrag für Musiktheorie an der Staatlichen Musikhochschule Heidelberg-Mannheim. 1987 erhielt er die Professur für Musiktheorie.

Ackers „opus magnum“, seine „Modulationslehre“ habe unter Fachleuten große Anerkennung gefunden“, konstatierte Dr. Wien. Der Laudator würdigte Ackers Herausgabe und Aufführung der Volkslieder Georg Meyndts, seine Komposition der „Carmina selecta – Südöstlicher Divan“, worin er heimatliche Volkslieder „einfühlsam aufgreift, mit ihnen spielt, sie rüttelt und schüttelt, verändert und als Gedanken- und Geistesspiel einem gegenwärtigen – und auch künftigen – Publikum als eigenen Resonanzraum fortwirkend überlässt“.

Eingangs seiner Danksagung erinnerte (sich) der 70-jährige Preisträger an seine Vorfahren, wie den Urgroßvater Carl Reich, den bekannten sächsischen Liederdichter, an prägende Pädagogen, etwa den Hermannstädter Kantor Prof. Franz Xaver Dressler. Heinz Acker dankte den „Schicksalsmächten, dass ich die Hälfte meiner 70 Jahre in einem Land leben durfte, wo man frei atmen darf, sich frei entwickeln kann, wenn man nur den Mut hat, die eigenen Schwingen zu entfalten“. Sein vorrangigster Dank galt Ehefrau Marianne, „Mutter unserer drei Söhne“, „nun bald 50 Jahre meine wichtigste Stütze“.

„Meister der literarischen Groteske“

„Durch sein Werk, sein Wirken und seine Wirkung, die von einer Haltung getragen ist, die sich auch unter widrigsten Verhältnissen nicht verbiegen lässt, ist Franz Hodjak einer der profiliertesten Vertreter der rumäniendeutschen Literatur. (…) Hodjaks umfassendes Œuvres hinterfragt und untergräbt objektive Wahrheit und Realität und inszeniert eine verkehrte Welt. Das Spannungsfeld von Heimat und Fremde, Abschied und Aufbruch, Freiheit und Diktatur, Identität und Existenz durchmisst und verwebt er in allerhöchster Subjektivität. Mit diesem Zerrbild hält er uns, seinen Landsleuten, ebenso den Spiegel vor, wie er uns und unsere Geschichte mit allen Brechungen und Brüchen der Weltöffentlichkeit nahebringt.“ (Kulturpreis-Urkunde)
Der Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius ...
Der Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius (rechts) gratuliert dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreisträger Franz Hodjak. Prof. Dr. Jürgen Lehmann applaudiert. Foto: Christian Schoger
Der Lebensweg des 1944 in Hermannstadt geborenen, heute in Usingen im Taunus lebenden Schriftstellers Franz Hodjak „ist in hohem Maße dominiert von sprachlichem Handeln in verschiedenster Form“, analysierte Prof. Dr. Jürgen Lehmann in seiner Laudatio. Ein sprachliches Handeln, „das Begrenzungen und Normen jeglicher Couleur in Frage stellt, sie transzendiert in Richtung einer vielstimmigen, vielgestaltigen Sprache, die er als eigentliche Lebenswelt zu verstehen sucht“. Seit Anbeginn seines Germanistik- und Rumänistik-Studiums in Klausenburg mit Literatur beschäftigt, ist Hodjak Verfasser von 14 Gedichtbänden, drei Romanen, von Kurzprosa, drei Kinderbüchern und einem Drama, er ist Essayist, Übersetzer und langjähriger Lektor des dreisprachigen Dacia-Verlags in Klausenburg, von 1970 bis 1992, dem Jahr seiner späten Ausreise nach Deutschland. Mit der jahrzehntelangen „Erfahrung von politischer und sozialer Enge“ erklärte der Literaturwissenschaftler Hodjaks Drang und Bedürfnis, „auszubrechen aus der von Repression und Bevormundung geprägten Herrschaftswelt der Ceaușescu-Gesellschaft ebenso wie aus der in Normierungen und Traditionen erstarrten deutschsprachigen Lebenswelt in Rumänien“, sein „unbedingtes Freiheitsverlangen“, seine „unstillbare Neugierde auf Unbekanntes“. Das Motiv der Grenzüberschreitung habe in Franz Hodjaks literarischem Werk prägenden Charakter, befand der Laudator. Sprachlich zeige es sich „in einem bisweilen anarchisch anmutenden, verschiedenste Sprachebenen vermischenden Verletzen einer auf Schönheit und Harmonie bedachten Literatursprache, inhaltlich in der Darstellung des vom Realexistierenden Sozialismus Tabuisierten wie staatlich sanktionierte Willkür, geistige und moralische Verwahrlosung, Bevormundung und Kontrolle im Bereich der Kunst, vor allem aber in der Berücksichtigung des Skurrilen, in der phantastischen Umformung traditioneller Literaturstoffe, beispielhaft in der Gestaltung des Odysseus-Mythos in ‚Ein Koffer voll Sand‘ oder des Klingsohr-Mythos im Roman ‚Der Sängerkrieg‘“. Prof. Dr. Jürgen Lehmann rühmte den Preisträger als „Meister der literarischen Groteske“. Hodjaks Dichtung sei grenzüberschreitend, da sie „ poetologisch reflektiert und überaus kunstvoll die Grenzen einer sog. Minderheitenliteratur ins Weltliterarische, in Richtung eines vielstimmigen Sprachkosmos“ verschiebe. Das Verhältnis des Schriftstellers zu Siebenbürgen charakterisierte der Laudator als ambivalent, als einschnürend enge und zugleich „innige mentale Beziehung“. Sie verleihe Hodjaks Dichtung „ihre Kraft, ihre Aggressivität“, sie erkläre „den diese Dichtung auszeichnenden Reichtum an Gefühlen, von Wut, Verzweiflung, Resignation bis zum Lachen“.

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Der so gewürdigte Kulturpreisträger dankte der Jury für ihre Entscheidung und Prof. Dr. Lehmann „für seine kenntnisreiche Laudatio“. „Siebenbürgen hat mich geprägt, und dafür bin ich dankbar“, offenbarte Hodjak. Vor allem die drei Kulturen und die drei Sprachen, ihr Ineinandergreifen“ hätten ihn fasziniert. Das Andersartige habe er „stets als Bewusstseinserweiterung empfunden“. Dieses „liebevolle und liebenswerte Völkchen war und ist“ (ein wenig) „mittelprächtig schizophren“, diagnostizierte Hodjak augenzwinkernd: „Damals, in Siebenbürgen, sprach es sehnsüchtig von Deutschland, und hier, in Deutschland, spricht es nun sehnsüchtig von Siebenbürgen.“

Herausragend vernetzte Jugendarbeit

Der Siebenbürgisch-Sächsische Jugendpreis wird seit 1993 von der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) und Studium Transylvanicum vergeben. Diesjähriger Preisträger ist Pfarrer Wolfgang Rehner „für seine herausragenden Leistungen im Bereich der evangelischen Jugendarbeit, der Pflege des deutschen Kulturerbes in Siebenbürgen und der Förderung der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft“ (Urkunde). Die Laudatio hielt Christoph Halmen, der einleitend bemerkte, dass Wolfgang Rehner „mein Leben und das Leben sehr vieler anderer junger Menschen in Siebenbürgen (…) entscheidend geprägt“ habe. Der 1974 in Schäßburg geborene, seit 1992 in Bayern lebende ausgebildete Diakon hat eine kirchenmusikalische Ausbildung absolviert und ist zur Zeit freiberuflicher Gitarrenlehrer, Songwriter und Musiker bei verschiedenen Projekten.
Der Siebenbürgisch-Sächsische Jugendpreisträger ...
Der Siebenbürgisch-Sächsische Jugendpreisträger 2013 Pfarrer Wolfgang Rehner (Zweiter von links), flankiert von SJD-Bundesleiter Elmar Wolff (links), Bettina Mai (Studium Transylvanicum) und Laudator Christoph Halmen mit Tochter Ronja. Foto: Christian Schoger
Der Laudator skizzierte wichtige Stationen des Lebenslaufes von Wolfgang Rehner, zurzeit Pfarrer in Ramsau am Dachstein (Österreich), der, 1962 in Hermannstadt geboren, in einer Pfarrersfamilie aufgewachsen ist. Gleich nach seinem Theologiestudium, als Vikar in Kelling, habe Rehner seine „vernetzende Jugendarbeit außerhalb der Kirchenmauern“ begonnen, was der Kommunismus zwar verboten habe, „aber Du gehorchst Gott mehr als den Kommunisten“. Als Diasporapfarrer in Bristritz (1986-1989) habe Wolfgang Rehner Konfirmandenarbeit und Jugendarbeit unter evangelischen Roma in Weilau gemacht und dabei für einen „sprunghaften Anstieg der Gottesdienstbesucher” gesorgt. 1989 kam er nach Kerz und war nun Beauftragter der Landeskirche für Jugendarbeit. Mit dem Wendejahr und dem Exodus der Siebenbürger Sachsen begann Rehner „eine immer stärker vernetzte Jugendarbeit gegen den Trend und gegen die Vereinsamung“. Wie Halmen weiter ausführte, dehnte sich die Vernetzung der Mitarbeitenden von Mediasch, Hermannstadt und Schäßburg aus auf Bukarest, Zeiden und Kronstadt, später auf Heltau. Jugendliche nahmen teil an Begegnungstreffen, an Rüstzeiten und Sommerlagern. Die vernetzte Jugendarbeit sei „eine wesentliche Stütze des ersten evangelischen Kirchentages 1990 in Kronstadt“ geworden. Der Laudator erinnerte sich an prägende Erlebnisse wie das gemeinsame „Wandern, Singen und Beten, die Bibelarbeiten und die große Hoffnung und unbändige Kraft, die darin lag“. Als Ausdruck seiner tiefen Dankbarkeit griff Halmen („weil ich auf diesen Begegnungen immer der Junge mit der Gitarre war“) zur Gitarre, um Pfarrer Rehner ein von ihm selbst geschriebenes Sendungslied zu kredenzen. Der Liedvortrag war ein besonders berührender Moment der Preisverleihungen.

Christ sein bedeute, Teil eines weltweiten Netzwerks zu sein, betonte Pfarrer Wolfgang Rehner in seiner Danksagung. Dies „in dem kleinen Biotop Siebenbürgen“ erlebt zu haben, erfülle ihn mit Dankbarkeit. Die evangelische Jugendarbeit in Rumänien müsse weiter gehen.

Christian Schoger

Schlagwörter: Heimattag 2013, Dinkelsbühl, Preisverleihung

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