21. Juli 2013

Wanderung auf den Spuren der Landler im Salzkammergut

„Die Urheimat erwandern“ lautete das Motto dieser Wanderung auf den Spuren der Geheimprotestanten, evangelischen Vertriebenen und Vorfahren der Landler aus Siebenbürgen. Schon seit vier Jahren findet alljährlich am ersten Wochenende im Juli diese Wanderung statt. Dazu eingeladen hat das Evangelische Bildungswerk aus Oberösterreich und die Gemeinde Gosau am Dachstein. Nach Bad Goisern am Hallstädter See, Hallstadt und Obertraun war nun Gosau an der Reihe, seine Spuren zu offenbaren. Über 50 Wanderfreunde nahmen teil.
Eine weitere Etappe auf dem „Weg des Buches“ bzw. der Bibel- und evangelischen Bücherschmuggler durch Österreich sollte erwandert werden. Dieser Weg wurde 2008 eröffnet und geht mittlerweile von Ortenburg, einer evangelischen Enklave im ansonsten streng katholischen Niederbayern, über Passau in Bayern nach Schärding in Oberösterreich, auch durch das schöne Salzkammergut, bis weit in den Süden Kärntens nach Arnoldstein/Agoritschach an der slowenischen Grenze. Diese Wanderung war für alle Interessierten gedacht, gemeinsam mit Landlern aus Neppendorf, Großau und Großpold.

Einige Wanderfreunde waren am Freitagabend angereist, so dass alle Teilnehmer am Vormittag um 9 Uhr bei der evangelischen Kirche in Gosau waren. Es kamen Freunde aus Bad Ischl, Bad Goisern und Gosau dazu, insgesamt mehr als 50 Personen. Viele von ihnen waren schon in den Landlergemeinden in unserer alten Heimat zu Besuch gewesen. Wir versammelten uns in der evangelischen Kirche, wo uns Altkurator Franz Lechner, der auch unser Wanderführer war, herzlich begrüßte. Seinen ersten Worten konnte man schon entnehmen, dass er ein guter Kenner Gosaus und ein engagierter Christ, aber auch ein passionierter Wanderer war. Nun in Pension, forscht er in den Chroniken und der Geschichte Gosaus.

Pfarrer Strohriegel feierte mit uns „evangelischen Pilgern“ eine kleine Andacht unter dem Motto der diesjährigen Losung „ Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“ (Hebr. 13,14). Also, unterwegs sein zu Gott. So wie es unsere Vorfahren auch waren, insbesondere die der Landler aus Siebenbürgen, als sie 1733/1734 und später aus dem Defereggental, dem Salzburger Land, später Steiermark und Kärnten und nicht zuletzt im Jahre 1837 noch auch aus Tirol aus ihrer Heimat vertrieben wurden, nur wegen ihres evangelischen Glaubens. Aus Gosau wurden 27 Personen vertrieben und in Neppendorf angesiedelt. Auch sie hatten sich auf den Weg gemacht.

Nach dem Hinweis, dass sogar das bekannte „Exulantenlied“ im österreichischen Gesangbuch aufgezeichnet ist, beendeten wir die Andacht mit drei Strophen des Liedes „Großer Gott wir loben Dich“. Vor der Kirche wurde uns das sogenannte Kirchenviertel Gosaus vorgestellt, mit Volksschule, Brigitta Altenheim und Pfarrhaus, Kirche, evangelischem Kindergarten, Haus der Begegnung (Familienerholungsheim), evangelischem Friedhof. Die evangelischen Einrichtungen waren und sind immer noch prägend für die Geschicke dieser Gebirgsgemeinde. So erfuhren wir, dass es in Gosau derzeit ca. 1500 Evangelische gibt, was ungefähr 75 % der Bevölkerung ausmacht. Es ist somit die Gemeinde mit dem prozentuell höchsten Anteil an Evangelischen in Oberösterreich.

Weiter ging es ins Haus der Begegnung, in dem auch viele unserer Landler Anfang der 1990er Jahre zur Erholung verweilten. Fleißige Gosauer Frauen warteten auf uns mit Kaffee und Mehlspeise. Franz Lechner erzählte uns weitere Details zu den Geheimprotestanten und auch zu unserer Wanderung. Dabei zeigte er uns Dias aus Gosau und Umgebung, mit „protestantischen“ Anhaltspunkten.

Das Brigitta-Altenheim hat seinen Namen nach der tapferen Glaubenszeugin in und nach der Zeit des Geheimprotestantismus in Oberösterreich, Brigitta Wallner. Von ihr wird gesagt, als am 26 Dezember 1781 in Gosau das Toleranzpatent Josefs II‘ verlautbart wurde, bekannte sie sich als Erste zum Luthertum mit den Worten: „Von mir weis es jedermann, dass ich a Lutherische bin. Dreimal bin ich schon wegen meines Glaubens eingesperrt gewesen, müßst´s mich halt ein Viertesmal einsperren, wenn nicht wahr ist, was ihr da sagt!“ Darauf folgten ihr 1085 Personen im Bekennen zum lutherischen Glauben. Brigitta Wallner ist übrigens die Namensvetterin des ältesten Teilnehmers an dieser Wanderung, Andreas Wallner, 90 Jahre alt, vormals Großpold. Danach begrüßte uns alle herzlich der Bürgermeister Gosaus, Gerhard Gamsjäger. Er freute sich über unseren Besuch, wünschte uns eine schöne Wanderung und einen angenehmen Aufenthalt in Gosau. Von Seiten des OÖ-Bildungswerkes begrüßte uns die Vorsitzende, „unsere“ Renate Bauinger-Liebhardt. Sie schenkte dem Bürgermeister ein Buch über Neppendorf und bedankte sich für die Organisation der Wanderung bei den Gosauern. Der ehemalige Kurator aus Bad Goisern, Herbert Kefer, begrüßte uns ebenfalls und lud uns alle abends zu einem gemütlichen Beisammensein mit Zielstock- bzw. Taferlschießen nach Goisern ein.
Evangelische „Pilger“, Landler und Freunde am ...
Evangelische „Pilger“, Landler und Freunde am Gosausee. Foto: Mathias Kufleitner
Der Himmel hellte auf, die ersten Sonnenstrahlen kamen zum Vorschein. Der erste Weg führt uns in die kath. Kirche. Hier berichtete unser Wanderführer im Beisein des schon über 70 Jahren alten katholischen Pfarrers Jakob Hammerl über die gute Ökumene und die gegenseitig vielseitigen Hilfeleistungen der Kirchen untereinander. Danach führen uns etliche Stufen hinauf zum Kalvarienbergkirchlein. Nun wanderten wir am Gosauer Waldrand, dem Panoramaweg, entlang. Nach einigen Minuten ergibt sich der Blick hinunter zum Geburtshaus des in Arbeitsnot, Armut und Glaubensdrangsal im Jahr 1772 mit 17 Jahren samt seinem 19-jährigen Bruder Johann ausgewanderten Georg Hubmer. Letzterer wurde durch seine gewaltigen Pionierleistungen in der Holzbringung für die Stadt Wien und für die Hammer- und Eisenwerke entlang der Mürz und Mur als der „Raxkönig“ bis zum Kaiser berühmt und bekannt. Nicht zu vergessen sein Kampf für und seine Treue und zum evangelischen Glauben. Er baute, nach dem Toleranzpatent 1781 ein Bethaus in der Ortschaft Nasswald. Nach ca. einer Viertelstunde kamen wir zum „Schüttanger“. Hier befand sich einst ein Urnenfriedhof. Auslöser für diesen Friedhof war ein sehr gespanntes Verhältnis zwischen dem dominanten evang. Senior Dr. Hans Eder (übrigens, der erste evangelische Bischof Österreichs) und dem damaligen sozialdemokratischen Bürgermeister Josef Posch. Leichenverbrennung war damals neu. Dr. Eder war damit nicht einverstanden. Beim ersten Todesfall mit Verbrennung verweigerte Eder das Begräbnis am evangelischen Friedhof. So kam es 1932 zur Gründung dieses Urnenfriedhofes. In späteren Jahren wurde dieser aufgelassen und einige Urnen in den evangelischen Friedhof übersiedelt.

Bald sahen wir auf der anderen Talseite das Bauernhaus „Schlögnergut“ in dem Brigitta Wallner (geb. Haslauer) am 7. Januar 1735 geboren wurde. Wir überquerten den Falmbach und sahen gleich darauf ca. 100 m unter uns das Falmgut. Dieses hat Brigitta mit ihrem Mann Andreas 1791, also nach dem Toleranzpatent, übernommen und sie sind dort beide 1799 gestorben.

Nächste Station war das Freilichtmuseum Gosau. Hier wurden alle unsere Pilger mit einer Gulaschsuppe empfangen. Lisl Gamsjäger lud uns alle ein, das Museum gemeinsam zu erkunden. Das 500 Jahre alte Bauernhaus „Schmiedbauern“ ist eines der ältesten Häuser im Ort. Dieser mit viel Liebe zum Detail eingerichtete Paarhof bietet Einsicht in eine längst vergangene Zeit. Unter fachkundiger Führung konnten wir interessante Details zum Haus und seinen Einrichtungen wie Rauchkuchl, Totenbett, Geräten und Gepflogenheiten der früheren Zeit erfahren. Ebenso über die ersten Anfänge des Tourismus in Gosau. Dazu erhielten wir Informationen über die Fam. Faber, Gönner der Gosauer Bevölkerung, und deren kläglichen Untergang, oder das erst in den 70er Jahren gegen den Willen der Bevölkerung aus dem Ort abgetragene Jagdschloss. Zum Schluss spendierte Frau Gamsjäger noch ein Schnapsl.

Um 16 Uhr sammelten wir uns direkt bei der Postbushaltestelle. Gemeinsam fuhren wir hinauf zum Gosausee: ein Eis, Fotos und natürlich ein Gemeinschaftsfoto. Dann brachte uns der Bus wieder nach Gosau zur evangelischen Kirche zurück.

So endete ein schöner, angenehmer, auch emotioneller Tag. Eine Wanderung mit vielen Informationen, Details zur Geschichte und Bevölkerung Gosaus. Gosau hat viel mehr zu bieten als seine Berge und das schöne Tal, mehr als das gemütliche Skigebiet im Winter, vor allem authentische Menschen, die zu ihrer Vergangenheit und ihrem Glauben stehen. So wie es auch unsere Väter einst taten. Was damals im 16. und 17. Jahrhundert in fast ganz Österreich passierte, daran hat heute kein niemand Schuld, auch unsere Eltern und Großeltern nicht. Doch heutzutage sind wir alle verantwortlich, jeder dort, wo er lebt, seinen Beitrag dazu zu leisten, dass solche vor allem religiöse Vertreibungen, Feindseligkeiten und Ausgrenzungen nicht mehr zustande kommen. Vielen Dank und ein großes Lob möchte ich an dieser Stelle allen Organisatoren, auch denen, die im Hintergrund diese Wanderung vorbereitet haben, aussprechen. All unseren Landlern sei gedankt, dass sie sich auf den Weg gemacht haben und dabei waren. Ich hoffe, wir finden irgendwann Zeit, mehrere DVDs, die Herr Lechner uns noch gerne gezeigt hätte, über Gosau, dazu Begegnungen mit unseren Landlern im Salzkammergut und in Siebenbürgen bei einem unseren nächsten Landlertreffen anschauen zu können. Vielleicht sogar in näherer Zukunft…

Euer Georg Kramer

Schlagwörter: Landler, Salzkammergut, Wanderung

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