18. November 2013

Der Schatz vom Silberbach

Die Vernissage der Ausstellung „Jenseits des Verschwindens. Aus dem fotografischen Nachlass der Gebrüder Fischer“ vom 10. November 2012 in den Räumen des Teutsch-Hauses in Hermannstadt liegt nun gut ein Jahr zurück. Mittlerweile wurde die als Wanderausstellung konzipierte Bilderschau auch auf dem Heimattag in Dinkelsbühl gezeigt. Bis zum 6. Dezember 2013 ist die Ausstellung im Rumänischen Generalkonsulat in München zu sehen. Als Begleitbuch gaben der Fotohistoriker Konrad Klein und Kustos Christian Lindhorst einen Katalog heraus.
Die Vernissage der Ausstellung „Jenseits des Verschwindens. Aus dem fotografischen Nachlass der Gebrüder Fischer“ vom 10. November 2012 in den Räumen des Teutsch-Hauses in Hermannstadt liegt nun gut ein Jahr zurück. Mittlerweile wurde die als Wanderausstellung konzipierte Bilderschau auch auf dem Heimattag in Dinkelsbühl gezeigt. Bis zum 6. Dezember 2013 ist die Ausstellung im Rumänischen Generalkonsulat in München zu sehen. Als Begleitbuch gaben der Fotohistoriker Konrad Klein und Kustos Christian Lindhorst einen Katalog heraus.

Vor fünf Jahren wurde auf dem Dachboden des evangelischen Pfarrhauses in Michelsberg/Cisnădioara ein „Schatz“ entdeckt, der in fotografischer Hinsicht einer Sensation gleichkommt. Der Fund besteht, wie man mittlerweile weiß, aus mehr als 12000 fotografischen Objekten aus dem Nachlass der Brüder Emil und Josef Fischer. Die Digitalisierung der fotografischen Sammlung durch die Archivarin Julia Moldenhawer zeigte, dass der Hauptteil der Bilder von Josef Fischer stammt. Nur wenige sind dem älteren Halbbruder Emil Fischer zuzuschreiben. An der Identifizierung und Datierung der Fotos haben der Hermannstädter Architekt und Fotograf Hermann Balthes und der bekannte Experte für siebenbürgische Fotogeschichte Konrad Klein maßgeblichen Anteil. Rätsel gaben jene Fotos auf, die nicht die Stilmerkmale der beiden Brüder tragen. Unter diesen konnte Klein einen „Schatz im Schatz“ entdecken und dem Hermannstädter Zeichenlehrer, Amateuerfilmer und -fotograf Oskar Pastior zuordnen.

Kriterium für die ausgestellten Aufnahmen war, „dass die Bilder aus sich selbst identifizierbar sind und in ihrer narrativen Symbolik von ­einem breiten Publikum interpretiert werden können“ (Lindhorst). Der Katalog enthält 65 Aufnahmen, davon auch jene 44 Aufnahmen, die Lindhorst für die Ausstellung ausgewählt hatte. Der Textteil enthält informative Ausführungen von Konrad Klein mit vielen bislang unbekannten Fakten über die Brüder Fischer und Oskar Pastior. Im Katalog ist auch das bis Anfang der 1960er Jahre bestehende Glasatelier von Emil Fischer in der Heltauergasse abgebildet. Leider ist vom Atelier nichts mehr erhalten, sogar der schöne gläserne Jugendstil-Türeinsatz am Eingang ist spurlos verschwunden.

Zwischen den Brüdern Fischer gab es zeitlebens so etwas wie eine ungeschriebene Arbeitsteilung: Josef (von allen stets „Pepi“ oder „Fischer-Pepp“ genannt), durfte nur Bergbilder, Land und Leute fotografieren, während sich Emil Stadtaufnahmen, Porträt-, Gesellschafts- und Ereignisfotografie vorbehielt. Erwähnt seien hier als Beispiele für Emil Fischers Bildjournalismus die jährlichen Maifeste, die Jubelfeier des Männergesangsvereins (1910), die Aurel-Vlaicu-Flüge (1911), der große Schneefall von Januar 1923, der Zeppelin über Hermannstadt (1929) die Bischofsinstallation von Dr. Viktor Glondys (1933), die Überschwemmung des Reußbachs (1934), die Eröffnung des Strandbades (1936), die Einweihung des Heltauer Lutherheims (1939), der Besuch von Korpsführer Adolf Hühnlein (1939, S. 69) sowie die Ankunft der deutschen Lehrtruppen und die Platzkonzerte der Deutschen Wehrmacht auf dem Großen Ring (1940).
Josef Fischer: Abends in einer Sennhütte. ...
Josef Fischer: Abends in einer Sennhütte. Fotopostkarte von 1941, Sammlung Konrad Klein. Eine Variante der Aufnahme gibt es auch im Nachlass Fischer im besprochenen Katalog.
Den Hauptteil des Nachlasses bilden Aufnahmen von Josef Fischer (1898-1985), des zweifellos bekanntesten siebenbürgischen Gebirgsfotografen. Pepi Fischer scheute keine Mühe, die entlegensten Dörfer seiner siebenbürgischen Heimat aufzusuchen, um Kirchen, Wehranlagen und Klöster, Häuser und Bauernstuben festzuhalten. So entstand ein schier unerschöpflicher Bilderfundus, der seinen Ruhm als Altmeister der siebenbürgischen bzw. rumänischen Heimatfotografie begründet.

Auch andere seiner Berufskollegen haben siebenbürgische Motive festgehalten, Josef Fischers Aufnahmen sind jedoch „siebenbürgischer“, weil sie mehr „siebenbürgische Seele“ enthalten, wie Klein treffend anmerkt. Seine Volkstypen- und Trachtenbilder sind von menschlicher Wärme erfüllt und bleiben in ihrer Natürlichkeit klassisch-zeitlos, frei von der damaligen NS-Ästhetik; was insofern verwundert, weil Josef Fischer engagiertes Mitglied der Auslandsorganisation der NSDAP (AO) war. Seine multiethnischen Motive vom sächsischen Bauern im Kirchenpelz bis zum zerlumpten Kesselflicker lassen nichts vom damaligen Zeitgeist spüren.

Für Konrad Klein waren die interessanteste Entdeckung jene ca. 300 Negative, die er Oskar Pastior (1898-1954) zuschreiben konnte. Die qualitätsvollen, aus den 1930er Jahren stammenden Bilder weisen diesen als führenden Vertreter der Heimatfotografie in Siebenbürgen aus. Auch wenn Pastior im Umfeld der sogenannten Erneuerungsbewegung um Fritz Fabritius als „Lichtbildner des Landesamtes der Nachbarschaftswesens“ wirkte, zeigen viele seiner Fotos, dass er der modernen sozialdokumentarischen Fotografie nahestand. Beeindruckend insbesondere seine Fotos von kinderreichen Familien aus dem Nachlass von Julius E. Gyurgyevits, die 2011 unter dem Titel „Armut in Siebenbürgen 1936“ ins Netz gestellt wurden (S. 77).

Bei Professor Oskar Pastior standen eindeutig die Menschen seiner Heimat im Mittelpunkt, wie auch seine Bilder von schulischen Veranstaltungen in Hermannstadt aus den Jahren um 1939 bis 1942 zeigen: ein Maifest von 1939, Reigentänze von Mädchen in DJ-Uniform auf dem Turnschulgrund (1941), Turnfest in der von der Wehrmacht in Beschlag genommenen Turnschule des Knabengymnasiums am Hundsrücken (1940/41), die letzte Konfirmationsfeier der Jungen im Flaus (1947). Pastiors Fotos aus der „Volksgruppenzeit‘„ stellen eine Rarität dar, die der Vernichtung nach August 1944 durch eine glückliche Fügung entgangen sind, denn sein sorgfältig archiviertes Bildmaterial wurde eigentlich, wie Konrad Klein herausfand, von seinen Söhnen Oskar und Peter Pastior in einer tagelangen Verbrennungsaktion vernichtet – ein großer Verlust aus heutiger Sicht.

Auch wenn aufgrund der Masse an Bildmaterial ein repräsentativer Überblick über den gesamten Nachlass der Gebrüder Fischer kaum möglich ist, geben die Ausstellung und der Katalog einen ersten Einblick in die umfangreiche Sammlung. Sie wecken Neugierde und sensibilisieren für einen achtsameren Umgang mit fotografischen Bildzeugnissen.

Helmut Wolff, Benningen a. N.




Zum Ausstellungskatalog „Jenseits des Verschwindens. Aus dem fotografischen Nachlass der Gebrüder Fischer“. Schiller Verlag, Hermannstadt und Bonn 2012. 14,90 Euro, erhältlich in der Erasmus-Buchhandlung.

Schlagwörter: Ausstellung, Katalog, Fotografie

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