1. März 2014

Mărțișoare aus sächsischer Hand

Frappierend, wie unbeschwert und heiter die Trachtenpüppchen, Krüglein und Väschen aus spätstalinistischer Zeit mit ihren sächsischen, rumänischen und ungarischen Motiven wirken, frappierend auch ihr friedliches Miteinander – zumindest in ihrem mit grünem Filztuch bespannten Schaukasten. Die hier versammelten mărțișoare (rumänisch für „Märzchen“ oder „Märzlein“) befinden sich heute in Heilbronn und stammen aus der Werkstatt von Erwin und Roswitha Etter, die die beiden in den 50er Jahren in Hermannstadt betrieben. Die von Erwin Etter (1916-2010) gedrechselten Objekte wurden von seiner Frau Roswitha – vielen besser als Keramikerin bekannt – bemalt, woraufhin Etter, mit den Schätzen im Koffer, von Stadt zu Stadt fuhr, um sie über Zwischenhändler auf den Markt zu bringen.
Der Brauch des Verschenkens von mărțișoare am Morgen des 1. März an einer rot-weiß verzwirbelten Schnur ist bei den Rumänen und Aromunen seit Ende des 19. Jahrhunderts nachweisbar, geht aber auf uralte Überlieferungen zurück, die den Tag mit Baba Dochia (= hl. Eudokia) und in manchen Gegenden auch mit deren Sohn Dragobete in Verbindung bringen. Die Entdeckung der Marktlücke durch Erwin Etter – eigentlich einem gelernten Buchhändler – ist insofern bemerkenswert, als hier ein Sachse seine handwerkliche Begabung dazu nutzte, einem rumänischen Frühlingsbrauch eine neue Formensprache zu verleihen.
„Märzlein“ (mărțișoare) und andere ...
„Märzlein“ (mărțișoare) und andere kunstgewerbliche Artikel aus der Werkstatt von Erwin und Roswitha Etter in Hermannstadt (Sammlung Ursula Hergesell). Foto: Konrad Klein
In seinen Erinnerungen „Erlebtes, Erdachtes, Erträumtes und Erstrebtes“ schildert Etter, wie er die Holzdrechslerei „viele Jahre mit Glück“ als Nebenerwerb betrieb: „Ich drechselte auf einer Schirmspitzen-Drehbank mit großem fußbetriebenen Schwungrad eine Unmenge allerkleinster Drechsler-Artikel, die reißend Absatz in Hermannstadt, Kronstadt und Bukarest fanden. Die Bemalung dieser Winzig-Gegenstände besorgte meine liebe Frau. Sie boten uns, als Zusatzeinkommen für die Großfamilie, in schweren Zeiten, eine große Erleichterung.“

Die Etters, pardon: die Etterischen betrieben ihre kleine Werkstätte im Transsylvania-Gebäude in der Heltauergasse. Im Hausdurchgang, der auch zum Fotoatelier von Emil und Josef Fischer führte, hatten sie sogar einen eigenen Schaukasten. 1962 wanderte das Ehepaar Etter aus und eröffnete eine eigene Keramikwerkstatt in Heilbronn (1967), die noch heute von der 71-jährigen Tochter Ursula, verheiratete Hergesell, betrieben wird (vgl. "Siebenbürgische Majolika"). Sie erinnert sich noch genau, wie sie bereits als Sechsjährige beim Bemalen der auf einen Holzspieß gesteckten Figürchen mithelfen durfte, wofür ihre kleine Hände natürlich von Vorteil waren. Auf meine Frage hin, wie sich das Drechseln von Trachtenfiguren bewerkstelligen ließ, verriet mir die Künstlerin, dass die filigranen Ärmchen separat gedrechselt, gespalten und dann angeklebt wurden.
Roswitha Etter (links) mit Juliana Fabritius ...
Roswitha Etter (links) mit Juliana Fabritius-Dancu und Ruth Czetto (rechts), aufgenommen im Oktober 1984 in Heilbronn. Foto: Erwin Etter (Sammlung Ursula Hergesell)
Roswitha Etter geb. Möckesch (1919-2007), zu deren Vorfahren auch der bekannte Deutschkreuzer Möbelmaler gleichen Namens gehörte, hatte die Technik der Holzmalerei 1939 bei dem aus Keisd stammenden, später in Agnetheln lebenden Prediger-Lehrer Michael Ehrlich (1899-1966) gelernt. Er war es auch, der bei ihr den Sinn für die dekorative Wirkung der Farben weckte. Etters Malereien stehen noch ganz in der Tradition des sächsischen Sebastian-Hann-Vereins (SHV), der sich die Wiederbelebung des heimischen Kunstgewerbes zum Ziel gesetzt hatte. Viele der Vorlagen für sächsische Ziermotive, die seinerzeit in den (Töpfer-)Werkstätten des SHV in Hermannstadt und Petersdorf bei Mühlbach verwendet wurden, gehen übrigens auf die Maler Walter Widmann und Gisela Seiche zurück. Was Wunder, dass sich auch das Ehepaar Etter erstmals bei einer Ausstellung des Sebastian-Hann-Vereins begegnete.

Zu Roswitha Etters Freundinnen zählte auch die bekannte Kirchenburg- und Trachtenmalerin Juliana Fabritius-Dancu. Wenn diese in Deutschland auf Besuch weilte, war sie immer auch Gast in Heilbronn. In der Familie wird heute noch ein von Dancu kunstvoll bemalter Majolika-Bierkrug mit Motiven aus Hermann Kirchners Liedklassiker Bäm Hontertstreoch aufbewahrt. Damals (1984) entstand auch nebenstehende Aufnahme – keine zwei Jahre vor ihrem frühen Tod in Bukarest.

Konrad Klein

Schlagwörter: Kunsthandwerk, Keramik

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