19. April 2014

Vom Siegeszug und Vergessen eines Meisterwerks / Konzert am 26. April 2014 in Heilbronn

Keine zweite siebenbürgische Operette konnte im In- und Ausland solche Erfolge erzielen wie das Werk des Komponisten Richard Oschanitzky (1901-1971) „Mädel aus dem Kokeltal“. Vielleicht war es sogar die erfolgreichste Operette überhaupt, die jemals im Rumänien der Zwischenkriegszeit entstanden ist. Allein die politischen Verhältnisse Europas im Jahre 1938, als diese Operette in Hermannstadt zum ersten Mal aufgeführt wurde, der Beginn des Zweiten Weltkriegs mit all seinen grausamen Folgen besonders für die deutsche Bevölkerung Rumäniens und die danach einsetzende kommunistische Diktatur führten dazu, dass dieses Meisterwerk in Vergessenheit geraten ist. Umso spannender ist es für uns heute, mehr als 75 Jahre später, etwas mehr über dieses Werk zu erfahren und auch diese Musik zu hören.
Erst kürzlich konnten Teile der handschriftlich vorhandenen Partitur in Temeswar entdeckt und das Aufführungsmaterial vom Verfasser dieser Zeilen erstellt und im Münchner Verlag EDITION MUSIK SÜDOST veröffentlicht werden. Der ­Temeswarer Dirigent Peter Oschanitzky, der jüngere Sohn des Komponisten, hat den verlorengegangenen Teil der Partitur anhand des erhaltenen Klavierauszugs vervollständigt und orchestriert. Für das bevorstehende Konzert hat er dieses Material freundlicherweise der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa (GDMSE) zur Verfügung gestellt. Am 26. April 2014 um 19.00 Uhr werden die wichtigsten Teile dieser Operette im Maybach-Saal der „Harmonie“ in Heilbronn erklingen, dargeboten von den Solisten, dem Chor und Orchester der 29. Musikwoche der GDMSE.

In der Zwischenkriegszeit sind in Rumänien fast gleichzeitig zwei bedeutende deutsche Operetten entstanden, die inhaltsmäßig viele Gemeinsamkeiten aufweisen: der Banater Komponist Emmerich Bartzer schrieb seine Operette Grüßt mein Banat und Richard Oschanitzky schrieb seine siebenbürgischen Operette Mädel aus dem Kokeltal. Beide Komponisten stellten meisterhaft ihre Heimat in den Mittelpunkt, mit ihren Menschen, ihren Liedern und ihrer Geschichte. Durch diese beiden inhaltlich unpolitischen Werke sollte die Heimat der Banater Schwaben und der Siebenbürger Sachsen auch im Ausland vorteilhaft präsentiert werden.

Richard Oschanitzky (1901-1971) ...
Richard Oschanitzky (1901-1971)
Als Oschanitzky im Januar 1938 an der Operette mit seinem Ensemble geprobt hat, gab er für die Bühnenblätter des Deutschen Landestheaters in Rumänien ein Interview. Auf die Frage, ob sein Werk nun eine Oper, eine Operette oder ein Singspiel sei, antwortete er: „Das muss das Publikum entscheiden. Eine Oper ist es nicht, denn dazu ist das Ganze doch zu heiter. Ein Singspiel ist es nicht, denn dazu ist die Musik, so glaub ich wenigstens, doch zu gehaltvoll. Eine Operette nach Schema F ist es auch nicht, obwohl natürlich auch Schlager darin vorkommen. Ich habe versucht, etwas Neues zu schaffen.“ Auf die Frage, weshalb Oschanitzky gerade ein siebenbürgisches Motiv für seine Operette gewählt hat, antwortete er: „Ich wollte schon lange einen heimischen Stoff vertonen und wollte beweisen, dass auch in unserem ernsten Siebenbürgenland Frohsinn und Heiterkeit zu Hause ist.“

Die Orte der Handlung könnten auch ins Banat oder anderswohin verlegt werden. Dem Dirigenten Peter Oschanitzky nach, war ursprünglich Wien als Ort der Handlung im zweiten Akt vorgesehen. Und auf einem anderen Programm wird nur Siebenbürgen als Handlungsort genannt. Mit seiner Operette hat Richard Oschanitzky jedenfalls dem siebenbürgischen Kokeltal ein bleibendes Denkmal gesetzt. Auch der für diese Gegend typische Wein des Kokeltals kommt im Berliner Fest zur Geltung. Thea aus Berlin ist eines der ehemaligen „Ferienkinder“, wie sie in der Nachkriegszeit im Banat und in Siebenbürgen in vielen Sommermonaten anzutreffen waren. Diese kamen in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in Scharen aus dem Deutschen Reich in diese deutschsprachigen Gegenden Rumäniens, wo sie bei Gastfamilien Erholung fanden. Und als Thea sich an ihren ersten Besuch in Siebenbürgen erinnert, erklingt im Hintergrund das vom Chor gesungene Volkslied Af deser Jerd, das bis heute fast jeder Siebenbürger Sachse kennt. Oschanitzky sagte darüber: „Ich habe nur ein originalsiebenbürgisches Volkslied verwendet und zwar ‚Af deser Jerd do äs en Land‘. Die musikalische Grundlage der Sachsen ist der Choral. Unsere ganze innere musikalische Einstellung geht von ihm aus, ebenso wie unser Leben sich auf die Kirche stützt, und so habe ich viele Chöre aus dieser Stimmung heraus für mein ‚Mädel aus dem Kokeltal‘ geschrieben.“

Das Siebenbürgisch Deutsche Tageblatt, die Deutsche Tageszeitung und das Blatt Süd-Ost wetteiferten im Januar 1938 mit den Nachrichten um die Erfolge Oschanitzkys und der Deutschen Landesbühne mit der Operette Mädel aus dem Kokeltal. Schon wenige Minuten nach der Premiere vom 21. Januar 1938 verfasste der Chronist seine Zeilen: „Für heute sei nur so viel verraten, dass der Komponist und die Mitwirkenden Gegenstand begeisterter Ovationen waren, dass dem Komponisten zwei Lorbeerkränze, eine silberne Lyra und mehrere andere Spenden überreicht wurden. Fast sämtliche Nummern der überreichen Partitur gelangten zur Wiederholung.“ Nach einer weiteren Aufführung berichtete die Zeitung, dass die vielen in Doppelreihen Wartenden vor der Theaterkasse ohne Eintrittskarten abziehen mussten, da der Saal „polizeiwidrig voll“ war. Selbst Stehplätze waren keine mehr vorhanden. Nach jedem Aktschluss wurde Richard Oschanitzky auf die Bühne gerufen, der Vorhang hob sich unzählige Male, und es gab sogar Beifall bei offener Szene.

Schon in den ersten Chroniken, die im Frühjahr 1938 erschienen sind, wurde über die Vorbereitung einer „endgültigen Fassung“ dieser Operette für die bevorstehende Tournee geschrieben. Diese Tournee ließ nicht lange auf sich warten und bereits ein Jahr später kam es dazu. In Wien, Leipzig, Stuttgart, Mannheim, Saarbrücken und auf vielen anderen deutschen Bühnen erklang 1939 die Operette Mädel aus dem Kokeltal. Eine bessere Werbung für Siebenbürgen konnte man sich gar nicht vorstellen. Manche Vorstellungen bekamen über 30 Vorhänge, und der Applaus wollte kein Ende nehmen. Man trat in über 100 Vorstellungen in 30 Städten auf. Das Ensemble bestand samt den Orchestermitgliedern aus über 80 Mitwirkenden. Und das bunte Bild auf der Bühne, mit den vielen sächsischen Trachten, der Blaskapelle, dem für viele Zuhörer exotisch wirkenden Bühnenbild mit Wehrtürmen und alter Stadtmauer, wirkte äußerst erfolgversprechend auf das Publikum. Leider sind die meisten Kritiken und Berichte zu dieser Deutschlandtournee verloren gegangen.

Der Schöpfer der Operette

Wenn wir heute den Namen Richard Oschanitzky hören, denken wir meist an den berühmten Jazzpianisten und Komponisten, der in Temeswar geboren, während seines kurzen Lebens (1939-1979) die Leichtmusikszene Rumäniens grundlegend beeinflusst hat. Der Schöpfer der Operette Mädel aus dem Kokeltal aber war sein Vater, der am 17. Dezember 1901 in Hermannstadt geboren wurde. Nach dem Besuch des Brukenthal-Gymnasiums und dem Musikunterricht mit Johann Leopold Bella studierte er in Wien und Sonderhausen. Vorübergehend war er Kapellmeister am Hermannstädter Stadttheater und Chormeister des Kronstädter Deutschen Liederkranzes (1924-1925). In den Jahren 1925-1927 wirkte er als Lehrer und Organist der deutschen evangelischen Gemeinde in Bukarest wie auch als Dirigent der Bukarester Deutschen Liedertafel. Danach kam Richard Oschanitzky für kurze Zeit als Lehrer an das Realgymnasium in Bistritz. Noch während seines Studiums publizierte der Musikverlag Bote & Bock seine Rosensuite für Klavier wie auch seinen Liederzyklus Japanische Lieder. 1934-1935 war er als Organist in Agnetheln tätig.

Nach der großen Deutschlandtournee 1939 wird Richard Oschanitzky noch im selben Jahr zum Dirigenten des neu gegründeten Deutschen Symphonieorchesters in Temeswar ernannt. Nebenbei wirkte er als Lehrer am Städtischen Konservatorium. Diese Tätigkeit wurde ihm nach dem Krieg von den neuen Machthabern schwer angelastet, und so wurde er mit zehntausenden anderen Deutschen im Januar 1945 nach Russland deportiert. Nach der Entlassung wirkte er als Dirigent der Ungarischen Oper in Klausenburg und kam 1950 zurück nach Temeswar, wo er als Chormeister an der Oper und als Schauspieler am neu gegründeten Deutschen Theater tätig war. Richard Oschanitzky starb am 26. Juni 1971 nach langer schwerer Krankheit in der Gemeinde Billed im Banat.

Dr. Franz Metz

Schlagwörter: Musik, Operette, Komponist

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