25. Juni 2014

"Verantwortung von klein auf und das lebenslange Lernen in der Gemeinschaft ..."

Am 31. Mai und 1. Juni fand im Haus des Deutschen Ostens in München die 14. Jahrestagung der Sektion Schulgeschichte des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) statt, an der 30 Personen teilnahmen. Wie auch bei früheren Tagungen standen Berichte und Mitteilungen auf dem Programm, die Aspekte der Schulvergangenheit aus verschiedenen Zeiträumen beleuchteten. Die Bayerische Staatsregierung unterstützte auch dieses Jahr die Veranstaltung aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen.
Auf der Veranstaltung, die von Dr. Erwin ­Jikeli, Leiter der Sektion Pädagogik und Schulgeschichte, vorbereitet und moderiert wurde, trugen sieben Referenten, Lehrer, ehemalige Lehrer und an gesellschaftlichen Entwicklungen Interessierte ihre Arbeiten traditionsgemäß an zwei Tagen vor.

Als erste Referentin ging Dr. Erika Schneider (Rastatt) der „Entwicklung des naturwissenschaftlichen Unterrichts am Hermannstädter Gymnasium vom 18. bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts“ nach. Sie erläuterte, wie siebenbürgisch-sächsische Absolventen der Gymnasien nach ihren Studien im deutschsprachigen europäischen Raum den Grundstein für die Aufnahme der Naturwissenschaften als Lehrfächer an siebenbürgischen Gymnasien vorbereiteten und wie beispielsweise Martin Arz 1772 zum ersten Mal die Fächer Geographie, Naturgeschichte und Physik als „besondere Lehrgegenstände“ am Gymnasium einführte. Ausgehend vom Siebenbürgischen Verein für Landeskunde, stießen spätere Schulförderer und Wissenschaftler weitere Reformen an. Sie forderten neue Lehrbücher und praxisbezogenen Anschauungsunterricht, was letzten Endes dazu führte, dass die Akzeptanz der Naturwissenschaften in Siebenbürgen wuchs und der naturwissenschaftliche Unterricht ein hohes Niveau erreichte. In den sogenannten Gymnasialprogrammen wurden regelmäßig auch wissenschaftliche Arbeiten der Lehrer veröffentlicht.

Über drei die siebenbürgischen Schulgeschichte prägende Persönlichkeiten referierte Waltraud Hermann (Backnang) in ihrem Vortrag „Das humanpädagogische Wirken von Stephan Ludwig Roth und Franz Obert“, wobei sie vom Wirken des Johannes Honterus ausging. Dabei beleuchtete die Referentin besonders Stephan Ludwig Roths humanpädagogische Überzeugungen und Verdienste und seine Forderung nach Bildung als Gemeingut „der ganzen Menschheit“. Franz Obert (1828-1908) stellte das Wesen der Bildung als „eifriges Streben“ an uns selbst heraus. Auf ihn gehen wegweisende Neuerungen wie der siebenbürgische Lehrertag, Schulzeitschriften, die Schulordnung von 1870, die Einführung des Kindergottesdienstes und der Lehrer-Eltern-Gespräche zurück. Die bereits von Honterus, dann später von Roth und Obert ­angestoßenen Entwicklungen fanden ihren Niederschlag im siebenbürgisch-sächsischen Schulwesen, das Selbstorganisation und Selbstverwaltung, eine starke Gemeinschaft mit klarer Ordnung und klaren Rollen, gegenseitige Achtung, die Verantwortung von klein auf und das lebenslange Lernen in der Gemeinschaft anstrebte.

Über die Lehrerjahre seines Urgroßvaters Georg Bretz (1862-1947) referierte Heinz Bretz (Köln). Er begab sich auf Quellensuche, um herauszufinden, was das Leben seines Urgroßvaters u.a. in seiner fünfzigjährigen Laufbahn als Lehrer in verschiedenen Dorfgemeinschaften und als Rektor in Marktschelken auszeichnete.

Gudrun Schuster (Hardegsen) kommentierte in einer Power-Point-Präsentation Ernst Buchholzers (1866-1935) 1908 erschienene Publikation „Der Mädchenschule entwachsen. Ein Wegweiser für Frauenbildung und Frauenberufe“. Buchholzer begründete eine gezielte Mädchenbildung als sozialen Imperativ der Zeit, indem er auf die Benachteiligung der Mädchen im Schulsystem der Zeit und daher im Hinblick auf Bildungschancen von Frauen, aber auch auf diesbezügliche Reformen in Deutschland hinwies. Sein „Wegweiser“ bot eine umfassende Übersicht über vorhandene Bildungsmöglichkeiten für Frauen in Hermannstadt, Schäßburg und Kronstadt im Jahre 1908, die um die Zeit allerdings weit hinter denen männlicher Bildungsaspiranten zurücklag.

Nach vielen positiven Schlüssen über die Erziehungswirkung des siebenbürgisch-sächsischen Schulwesens im Laufe der Geschichte brachte Hans Fink (Gießen) in seinem Vortrag „Der dogmatische Schulunterricht im kommunistisch regierten Rumänien als Hauptfaktor der Verbildung“ diesem Bild eine andere Facette bei. Ohne die positiven Aspekte zu unterschlagen, benannte er negative Folgen des ideologielastigen Schulunterrichts während des rumänischen Nationalkommunismus. Fink beklagte u.a. den fehlenden Zugang zur Information, die Bildung und Propagierung von Mythen im Zusammenhang mit der rumänischen Geschichte sowie die Tatsache, dass die Geschichte der Minderheiten aus den Geschichtsbüchern ausgeschlossen war. Politischer Druck und verordnete Unfreiheit der Menschen habe letzten Endes zu illegaler und legaler Auswanderung geführt. Dass die Siebenbürger Sachsen nicht ganz ohne Geschichtsbewusstsein ausgewandert seien, sei nicht zuletzt das Verdienst des von der evangelischen Kirche organisierten Religionsunterrichts, der deutschsprachigen Medien („Neuer Weg“, „Karpatenrundschau“ und „Die Woche“) und des Familienzusammenhalts.

Odette Fabritius (Germering) stellte in ihren „Gedanken zur siebenbürgischen Schule zwischen 1948-1990“ als prägendes Merkmal die ständigen Änderungen innerhalb des Schulsystems nach dem II. Weltkrieg und bis zur Wende heraus. Sie referierte über die Gründung neuer Schultypen, über deren Gliederungen, über die Selektion der Schüler nach der 8. bzw. 10. Klasse, die Enteignung des Privatbesitzes der Schulen und dessen entschädigungslosen Übergang in den Staatsbesitz.

Als nahezu einzige Konstante des kommunistischen Unterrichtssystems bezeichnete Fabritius die Absicht der gezielten Indoktrination der Schuljugend, während gleichzeitig Schultypen, Schuldauer, Curricula, Schulpläne, Stoffaufbau und -verteilung (mit Ausnahme in den naturwissenschaftlichen Fächern), ständigem Wechsel und Änderungen unterworfen waren. Hinzu kam, dass die Stoffverteilungspläne immer überfrachtet waren. Der wochenlange Einsatz von Schülern und Lehrern in der Landwirtschaft, der auch zu den konstanten Forderungen an die Schulen gehörte, brachte Lehrer und Schüler zusätzlich in Zeitnot. Dass Geschichte und Geographie Rumäniens in rumänischer Sprache unterrichtet werden mussten, war ein Erbe der rumänischen Monarchie, während der Sprachenunterricht bzw. die Wahl der Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Deutsch, Russisch) offensichtlich häufig von der Verfügbarkeit der Lehrkräfte vor Ort abhing.

Trotz der aufgezeigten Unzulänglichkeiten bilanzierte Fabritius, dass das Schulsystem – vor allem in der Vorbereitung der Schüler in naturwissenschaftlichen Fächern – funktioniert und offensichtlich viele gut ausgebildete Schüler hervorgebracht habe.

Die Teilnahme eines Pädagogen/einer Pädagogin aus Rumänien an den Tagungen in München ist inzwischen zur Tradition geworden. So referierte diesmal Dr. Alexandru Szepesi, Direktor im Ministerium für Erziehung und Forschung in Bukarest, über das aktuelle deutschsprachige Schulwesen in Rumänien. Indem er einleitend auf die gesetzlichen Grundlagen und Neuerungen einging, schilderte Dr. Szepesi aktuelle Entwicklungen, Leistungen und Probleme im und rund um das Schulsystem. Übergreifende Schwierigkeiten und Probleme für die deutschen Schulen schafft zur Zeit der Mangel an deutschsprachigen Lehrern, so dass das Lehrerentsendeprogramm der BRD (mit derzeit 35 in Rumänien aktiven Lehrern) weiterhin sehr wichtig und hilfreich sei.

Die regelmäßigen Fortbildungsveranstaltungen des Lehrerfortbildungszentrum in Mediasch, das die Zeitschrift „Zett“ herausbringt, findet breiten Anklang unter den Lehrern deutschsprachiger Schulen und Abteilungen des ganzen Landes. Der Andrang rumänischer Kinder an deutschen Stadtschulen sei weiterhin steigend, und die Möglichkeit, das für ein Hochschul­studium im Ausland erforderliche und gültige Sprachdiplom zu erwerben, trage zur Qualität des Deutschunterrichts bei. Solange ein Abschluss an einer deutschsprachigen Schule in Rumänien den Schülern einen Vorteil im beruflichen Werdegang verspricht und diese Schulen somit der Gesellschaft dienen, werden die deutschen Schulen durch Unterstützung des Ministeriums, des Forums und dank ausländischer Unterstützer erhalten bleiben und bestrebt sein, im Sinne siebenbürgisch-sächsischer Bildungstradition weiterzuwirken, schloss Dr. Alexander Szepesi.

Am Ende der Tagung informierte Dr. Jikeli über die beiden bereits digitalisierten Archiv-Bände mit den Referaten der vergangenen Jahre und über seine derzeitige Arbeit am 3. Band bzw. dem als 4. Band geplanten CD mit den dargebotenen Power-Point-Präsentationen der letzten Jahre. In der Abschlussdiskussion erwiesen sich mehrere neue Themen und Aspekte der Schulforschung als dringlich, die eine Ausweitung des Projektes auf weitere Zeitabschnitte des 20. Jahrhunderts, insbesondere der Zwischenkriegszeit und der Periode des Nationalsozialismus, aber auch darüber hinaus notwendig machen und somit die Arbeiten der Sektion Schul- geschichte des AKSL auch in Zukunft garantieren können. Dafür ist es erforderlich, der Sektion in den nächsten Jahren eine breitere und möglichst auch jüngere Basis zu sichern. Deshalb geht der Aufruf an alle, die sich mit der Schulgeschichte Siebenbürgens befassen oder befassen möchten, Kontakt mit dem Sektionsleiter Dr. Erwin Jikeli, E-Mail: ErwinJikeli[ät]gmx.de, aufzunehmen, um sich mit Forschungsbeiträgen an zukünftigen Tagungen zu beteiligen.

Monika Czika

Schlagwörter: AKSL, Schulgeschichte, Tagung, München

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