2. Juli 2014

Brauchtum zum Thema Hanf und Flachs begeisterte in Dinkelsbühl

110 Aktive aus Baden-Württemberg haben in der Brauchtumsveranstaltung des Heimattages das Singspiel „Honnef uch Floß (Hanf und Flachs)“ uraufgeführt. Die Premiere am Pfingstsamstag, dem 7. Juni, wurde von rund 600 begeisterten Zuschauern im Schrannenfestsaal in Dinkelsbühl mit tobendem Applaus bedacht. Das Stück in siebenbürgisch-sächsischer Mundart, das Hilda Femmig eigens für den Heimattag verfasst hat, vermittelte anschaulich, wie die Bauern früher Hanf und Flachs bearbeiteten. Regie führten Gerlinde Zekel und Christa Andree, es moderierte Jutta Caplat. Auf sehr großes Interesse stieß auch die Ausstellung „Gesponnen uch gedreht, gewirkt uch geneht – Hanf und Flachs im Bauernhaus“, die zu Pfingsten im Konzertsaal des Spitalshofs gezeigt wurde. Christa Andree, die dafür verantwortlich war und in die Ausstellung einführte, berichtet.
Die Landesgruppe Baden-Württemberg unseres Verbandes hatte sich vorgenommen, beim Heimattag 2014 das Thema „Hanf und Flachs in Siebenbürgen“ sowohl in der Brauchtumsveranstaltung als auch in einer Ausstellung umfassend darzustellen. Der Erfolg der Ausstellung „De vedderscht Stuw“ beim Heimattag 2011, wo viele Exponate aus der Sammlung von Werner Förderreuther gezeigt wurden, gab den Anstoß zur Gestaltung der Ausstellung „Gesponnen uch gedreht, gewirkt uch geneht – Hanf und Flachs im Bauernhaus“. Werner Förderreuther hat nämlich in seiner Sammlung alle Geräte, die zu diesem Thema benötigt werden.
Frauen der Theatergruppe Aalen beim ...
Frauen der Theatergruppe Aalen beim Flachsbrechen, links die Enkelin (Tamara Gall) und Großmutter(Senta Wonner), beide Theatergruppe Heilbronn. Foto: Uwe Esswein
Für die Brauchtumsveranstaltung wurde die Mundartautorin Hilde Femmig (Heilbronn) angesprochen, und sie sagte sofort zu, das Drehbuch aus ihren schon vorhandenen Gedichten zu schreiben. In den Kreisgruppen Schwäbisch Gmünd und Aalen war zugleich die Idee geboren, in einer Brauchtumsveranstaltung an die Singtänze zu erinnern, die in Siebenbürgen im Schulhof oder auf dem Ball getanzt wurden. Es war ein Leichtes, beide Elemente zu einer Einheit zu vereinigen.

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Die Bearbeitung des Hanfs von der Aussaat bis zum fertigen Gebrauchsgegenstand wurde von 110 Aktiven auf die Bühne gebracht. Das Jugendorchester der Landesgruppe Baden-Württemberg eröffnete die Veranstaltung mit einem flotten Stück. Anhand von Fragen, die eine Enkeltochter stellte, erläuterte deren Großmutter, wie der Hanf und Flachs von der Aussaat bis zu den fertigen Textilien bearbeitet werden. Die Frauen der Kreisgruppen Schwäbisch Gmünd und Aalen stellten die Antworten anschaulich dar, indem sie den Hanf zum Rösten ins Wasser einlegten, dann auswuschen, zum Trocknen in Pyramidenform (zur Freude der Kinder) aufstellten, die getrockneten Reisten brachen, hechelten und zum Spinnen vorbereiteten. Dazwischen sang der Chor aus Schwäbisch Gmünd die passenden Lieder. Die Kinder der Kreisgruppe Schwäbisch Gmünd, die Jugendtanzgruppe Heilbronn und die Tanzgruppe Schwäbisch Gmünd und Aalen tanzten dazu.
Die Kindertanzgruppe Schwäbisch Gmünd (Leiterin ...
Die Kindertanzgruppe Schwäbisch Gmünd (Leiterin Herta Terschanski) bei der Brauchtumsveranstaltung. Foto: Uwe Esswein
In der Rokenstube wurden den Mädchen gekochter Mais und gebratene Kartoffeln serviert, dazu gab es „Gech“ (Krautlake) zu trinken. Der Webertanz zeigte tänzerisch die einzelnen Vorgänge am Webstuhl. Das Publikum war begeistert, es gab Szenenapplaus. Zum Abschluss wurde der bekannte Tanz „De Reklich Med“ dargeboten. Jutta Caplat führte durch das Programm in Deutsch, so dass auch Besucher, die kein Siebenbürgisch-Sächsisch sprechen, die Handlung verstehen konnten. Die Zuschauer nahmen regen Anteil am Geschehen, indem sie die bekannten Lieder mitsangen. Berührt von den hervorgerufenen Erinnerungen, wischten sie manch eine Träne ab. Am Ende sang der ganze Saal das Lied „Af deser Ierd“ stehend mit, und der Applaus wollte kein Ende nehmen.
Das große Finale der Brauchtumsveranstaltung zum ...
Das große Finale der Brauchtumsveranstaltung zum Thema Flachs und Hanf. Foto: Uwe Esswein
Zum Erfolg der Brauchtumsveranstaltung haben die niveauvollen Darbietungen des Chors, der Tanzgruppen, der Schauspielern sowie die Tatsache beigetragen, dass sehr viele aus früheren Zeiten bekannte Lieder gesungen wurden, wie z.B. das Lied „Grünes Gras, grünes Gras unter meinen Füßen ….“. Die Schauspieler nutzten Kopfmikrofone (headsets), so dass der gesprochene Text über Lautsprecher in jeder Ecke des großen Schrannensaals zu hören war.

Ausstellung im Konzertsaal

Der eine Teil der Ausstellung „Gesponnen uch gedreht, gewirkt und geneht“ im Konzertsaal des Spitalshofs ergänzte die Brauchtumsveranstaltung. Man konnte die Hanf- und Flachskörner, die gewachsenen Reisten, eine Breche, eine Hechel, einen Bändelwebstuhl, zwei Stoffspanner mit sehr schönen Schnitzereien aus den Jahren 1727 und 1826, den Hanfzopf und die fertigen Produkte sehen.

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Als besondere Attraktion erwies sich der Webstuhl, an dem Pfarrer i.R. Wilhelm Lienerth genau zeigte, wie man webt. Den komplizierten Vorgang des Werfens (so nennt man die Vorbereitung des Garnes für den Webstuhl) konnte man auf einem großen Bildschirm sehen. Im Wechsel wurden noch zwei weitere Kurzfilme über den Hanf- und Flachsanbau gezeigt.
Christa Andree (1. von links) und Pfarrer i.R. ...
Christa Andree (1. von links) und Pfarrer i.R. Wilhelm Lienerth (Bildmitte) bei der Ausstellungseröffnung. Foto: Siegbert Bruss
An den Stellwänden um den Webstuhl konnte man Erzeugnisse aus Hanf sehen: einen ca. 150 Jahre alten Wandbehang mit brauner Schafwolle gestickt, Frauen- und Männerhemden, eine noch ganz neue Männerhose, einen Busenkittel, eine Guib aus dem Jahr 1868, alte Tischdecken aus 1857 und 1868, mit Kreuzstichmuster oder eingewebten Mustern verziert. Man konnte aber auch Erzeugnisse sehen, die Wilhelm Lienerth in den letzten Jahren gewebt hat. Mit großer Begeisterung wurde die alte Seilmaschine betrachtet, die das Ehepaar Lienerth bediente, und die Kinder freuten sich, wenn sie ein Stück des gedrehten Seiles mitnehmen durften.
Pfarrer i.R. Wilhelm Lienerth am Webstuhl. Foto: ...
Pfarrer i.R. Wilhelm Lienerth am Webstuhl. Foto: Brigitte Mrass
Im zweiten Teil der Ausstellung wurden Schürzen gezeigt. Anlässlich der 50-Jahrfeier der Kreisgruppe Mannheim hatte Anna Wester eine Schürzenausstellung gezeigt. Sie stellte einen Teil der Schürzen für die Ausstellung Dinkelsbühl zur Verfügung. Hinzu kamen Schürzen aus dem Besitz von Ines Wenzel, Werner Fördereuther und Christa Andree. Insgesamt konnte man 94 Schürzen bewundern, darunter Schürzen aus den Jahren 1845, 1853, 1890, 1904, 1911, 1913, 1914, 1917. Bei allen Schürzen, egal ob mit Flachstichen oder Kreuzstichen verziert, ob tamburiert, ob es Kirchen- oder Congréschürzen, ob die Spitzen genetzt, gehäkelt, gestrickt oder frivoliert (Occhi) waren, musste man mit Hochachtung an die Frauen (in den meisten Fällen waren es Bäuerinnen) denken, die diese Kunstwerke geschaffen hatten. Auf einer Stellwand waren in den letzten Jahren gefertigte Schürzen ausgestellt. Vielleicht hat ihr Anblick manche Betrachterin auch zum Handarbeiten angeregt.
Schürze aus der Hermannstädter Gegend mit ...
Schürze aus der Hermannstädter Gegend mit Flachstickerei und Filetspitze, in die Tiere, Menschen und Blumen eingearbeitet sind, 1845, Sammlung Förderreuther. Foto: Christa Andree
Auf einem Foto konnte man eine junge Trachtenträgerin sehen, die eine Schürze aus 1889 trug, die von ihrer Mutter auf dem Sperrmüll gefunden und gerettet wurde. Ich hoffe, dass man durch diese Ausstellung verhindern kann, dass Trachtenteile auf diese Weise entsorgt werden.

Die Gespräche mit den Besuchern der Ausstellung waren sehr belebend und informativ und ließen nur erahnen, welche Schätze in den Schränken unserer Landsleute noch gelagert sind.

Christa Maria Andree


Anni Markus

Das Brottuch

In Schränken da liegt nun gut aufbewahrt
das Gewebte von Mutters und Großmutters Händen,
Ich stehe gedankenverloren davor –
Ein Abschnitt – er sollt’ alles beenden.

Mein Vater, er streute die Hanfkörner aus
in die frische, duftende Erde;
er schickte dem Samen die Bitte noch nach,
auf dass er gesegnet werde.

Es grünte und blühte der Hanf in Pracht
auf dem Acker, der unser noch war.
Er garte im Wasser, wir fuhr’n ihn nach Haus:
so war das stets Jahr um Jahr.

Es lehnten die Garben zum Trocknen am Tor
in der gleißenden Mittagssonne,
gehackt und gebrochen beim Mondenschein,
uns Kindern zur größten Wonne.

Bis dass man den Hanf um den Rocken nun band,
Da war noch viel Arbeit von Nöten.
Doch jetzt war’s so weit: das Kränzchen begann,
Wo fleißig die Spindeln sich drehten.

Die Schneeflocken stoben, es knirschte der Frost,
ich lief mit an Mutter Hand.
Ich seh sie noch vor mir – die Rockenstube,
die Arbeit und Freude verband.

Bald war es geschafft, es stand schon der
Webstuhl im Stübchen zum Weben bereit.
Was daraus hervor kam – es bleibt uns für ewig
Ein Denkmal vergangener Zeit.

Verloren, vergessen fand ich nach Jahren
Stücke vom Webstuhl und Spindeln verstaubt.
Da stand ich nun wieder, gedankenverloren,
und neigte traurig mein Haupt.

Die Autorin, Anni Markus, wurde 1927 in Hamruden geboren und ist 2008 in Heilbronn gestorben. Sie war die erste Leiterin des Siebenbürgischen Chores in Heilbronn. Ihr Gedicht „Das Brottuch“ wurde bei der Eröffnung der Ausstellung am 7. Juni 2014 von Luise Markus vorgetragen.

Fotoserie: Brauchtumsveranstaltung „Hanf und Flachs“ in Dinkelsbühl

Schlagwörter: Heimattag 2014, Brauchtum, Ausstellung

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  • 03.07.2014, 21:47 Uhr von Melzer, Dietmar: So eine siebenbürgische, kulturelle Veranstaltung auf die Beine war nicht einfach und gebührt allen ... [weiter]
  • 02.07.2014, 14:45 Uhr von orbo: "Verloren, vergessen fand ich nach Jahren Stücke vom Webstuhl und Spindeln verstaubt. Da stand ... [weiter]

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