27. Juli 2014

250 Jahre seit der ersten Erwähnung des Kronenfestes in Siebenbürgen

Vor 250 Jahren erwähnte der Heltauer Pfarrer und spätere Hermannstädter Stadtpfarrer Martin Felmer erstmals den siebenbürgisch-sächsischen Brauch des „Baumsteigens“ in Großscheuern. Diesem Thema widmet die Siebenbürgische Zeitung mehrere Sonderseiten in Folge 12 und 13.
Vor etwas mehr als fünfzig Jahren schrieb der Volkskundler Josef Hanika bezüglich des Erbes, welches die Aussiedler im geistigen Gepäck aus ihren Herkunftsregionen mitgebracht und hier schon in der ersten Generation sinnstiftend ins kulturelle Leben in der Bundesrepublik einfügten: „Es geht dabei nicht in erster Linie um das Volksgut als solches und seine Geschichte, sondern um seine Funktion im Leben der Gemeinschaft, […] um seine Rolle und seinen Wert als Hilfe beim Neuaufbau materieller und geistiger Existenz, […] um die Wandlung des Erbes, der Ausgleichvorgänge, der wechselseitigen Angleichung, der Herausbildung einer neuen Gemeinsamkeit.“

Dass dieses Erbe auch für die nachfolgenden Generationen sinnstiftend geblieben ist, zeigt sich unter anderem am Kronenfest. Mit seinen spektakulären, vielschichtigen rituellen und zeremoniellen Elementen, getragen von jugendlichen Akteuren in einer mit Blumen und Farben gesegneten Jahreszeit, eignet es sich wie kaum ein anderes für das Gemeinschaftserlebnis im Zeichen siebenbürgischer Traditionspflege und Herkunft. Zugleich bietet es den Kindern und Enkeln die Möglichkeit der Neuverwurzelung in einer alten Kultur, die die hier Geborenen in ihrer ursprünglichen Ausformung in „der alten Heimat Siebenbürgen“ nicht mehr erleben können. Letztlich verleitet es jeden Besucher, das Pathos eines Festbrauches für einen Moment im eigenen Erleben mitschwingen zu lassen.

Kronenfest in Trappold, Juni 1979: Tanz unter der ...
Kronenfest in Trappold, Juni 1979: Tanz unter der Krone.
Es mag daher interessant sein, die zahlreichen Berichte zu den Kronenfesten in diesem Jahr und die damit verbundenen Erwartungen und Erlebnisse mit dem Ablauf eines solchen Festes von vor hundert Jahren zu vergleichen, wo es seine ganz bestimmte Rolle im agrar-ländlichen Brauchtum spielte: die Burschen, die sich in männlich strotzender, für einen erfolgreichen Landwirt unabdingbaren Kraft vor der Gemeinschaft als die zukünftigen „Hauswirte“ präsentierten; die ihnen zugeneigten „Mägde“, mit ihrer jugendlichen Schönheit und Geschmeidigkeit im Tanze für den einen werbend, der sie zur Vorsteherin einer „Wirtschaft“, d. h. eines Hausstandes machen konnte; die Erwachsenen mit dem Bilde der Jugend vor Augen, das das Überkommene würdig weiterzuführen versprach.

Dr. Irmgard Sedler

So wurde der Brauch vor hundert Jahren gepflegt

Auf „Pfingsten“, zum Teil auch auf das große Sommerschulfest, den „Gligori“ (Gregorius, 9. Mai), ebenso auf den Peter- und Paulstag (29. Juni) haben sich zumeist die Festbräuche der Sommersonnenwende übertragen, die noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts dem „Johannisfeste“ eigen waren. In verschiedener Ausgestaltung aber doch in den Grundzügen übereinstimmend wird die „Krone“ aufgestellt. Am Vortag schon bringt die Bruderschaft die schönste und höchste junge Eiche aus dem Wald, schält sie, macht an ihrer Spitze ein Wagenrad fest und stellt sie auf dem Platz vor der Kirche auf. Die Mägde winden unterdessen aus Blumen vom Feld (und Garten) eine Krone. Nach dem Vespergottesdienst des Johannistages versammelt sich die gesamte Jugend im Kirchenkleid beim Altknecht. Von hier gehen sie, voran die Knechtväter und der Altknecht, der die Krone trägt, in geordnetem Zuge, abwechselnd je zwei Mägde und zwei Knechte, unter dem Gesang des „Herr Gott, wir loben dich“ zur Eiche. Hier wird ein Kreis geschlossen und noch während des Gesangs steigt der Altknecht auf einer langen Leiter zum Rad hinauf und stellt die Krone darauf. Nun steigt er hinab und der Jungaltknecht klettert am glatten Stamm empor, setzt sich auf das Rad unter der Krone (oder auf Querstangen, die es vertreten) und hält von da „seine Predigt“, indem er Glückwünsche auf das Herrscherhaus, den Pfarrer, Prediger, Lehrer, das Ortsamt usw. ausbringt. Bei jedem Wunsch langt er zur Flasche, die in der Krone hängt, und zum „Klotsch“, der ebenso dort für ihn bereitet ist. Von unten wird das Vivat! laut wiederholt. Nun steigt der Jungaltknecht herunter und es beginnt der Tanz, wobei der Held des Tages, der Jungaltknecht jedes Mädchen einmal dreht und es sodann einem Tänzer zuführt. Weiter ausgeschmückt wird die Feier des Johannistages, wenn, wie früher in Leblang, die Bruderschaft zuerst ins Kornfeld hinausreitet und mit dem „Leuchter“ aus gewundenen Kornähren zurückkehrt, oder wo die „Königin gemacht“, d.i. eine Magd zur Königin gewählt, festlich geschmückt und im festlichen Zug zur „Krone“ geleitet wird. In Streitfort pflegten die Mägde beim „Kränzeschütteln“ am Johannistag ein kleines sächsisches Liedchen zu singen: Et flug e kli wält Vijeltchen/ Vu Mebrich flug ed aus.
Kronenfest in Trappold, Juni 1979: Bursche ...
Kronenfest in Trappold, Juni 1979: Bursche predigt aus der Peter-und-Paul-Krone. Fotos: Konrad Klein
Das Vöglein lockt einen Burschen herbei, der wollte die Rosen brechen, die „längst“ dem Wege stehen. Doch ihm werden nur die „Hidernesteln“ (Brennesseln) zum Kränzchenbinden versprochen. Heitere Scherzverse schließen sich daran an. Aber in einigen Orten geben sich die Burschen als Abgesandte des lieben Sankt Johannes aus, die den „lichten Tag zu scheiden“ gekommen sind.

An verschiedenen Orten, auch wenn das Fest auf Peter und Paul verlegt wird, muss die Krone aus Blumen gewunden werden, die am Johannistag gepflückt sind und bis zum Fest im Keller aufbewahrt werden. Das knüpft alle diese Züge an den Tag der Sommersonnenwende und erklärt sie als Nachklänge der irdischen Feier der himmlischen Hochzeit. Darum ist vor Johanni bis zur Ernte „heilige Zeit“. Da darf von der Jugend nicht getanzt werden. (Deutsch-Zepling)

Adolf Schullerus

(Aus: Siebenbürgisch-sächsische Volkskunde im Umriß, Leipzig, 1926)

Schlagwörter: Kronenfest, Brauchtum, Siebenbürgen, Jubiläum, Geschichte

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