11. August 2014

Jugendstil zum Anfassen: Trauer um Erika Messner

Am 22. Juli 2014 starb Erika (Eri) Messner 87-jährig in ihrer geliebten Villa in Seewalchen am Attersee. Das historische Anwesen mit dem Bootshaus im türkisblauen Wasser war lange ein Geheimtipp für Sommerfrischler und heimlicher Mittelpunkt des Klimt-Tourismus. Die Kinder der Verstorbenen werden das Haus im Sinne ihrer Mutter weiterführen.
Villa Paulick war eine Zeitmaschine. Wer sie betrat, fand sich im Halbdunkel der eichengetäfelten Diele unversehens in die gute alte Kaiserzeit versetzt, als man noch auf Sommerfrische fuhr und Wellness ein Fremdwort war. Auf dem Tisch mit der handbestickten Leinendecke empfing einen stets ein Strauß frischgepflückter Gartenblumen, und daneben lag für den Gast schon ein schnörkliger Schüssel bereit, der von einer alten Kirchentür hätte stammen können. Phlox verströmte seinen süßlichen Duft und in der Dämmerung stimmte eine Nachtigall ihr Liedchen an. Keine Frage, die Villa Paulick am Attersee war ein Schloss Pelesch en miniature und ein Mekka für Klimt-Pilger von Amerika bis Japan gleich dazu.
Eri Messner mit einem Porträt von Trude Flöge ...
Eri Messner mit einem Porträt von Trude Flöge (1912), aufgenommen im Juni 2003. Das Kinderbildnis ist eines der wenigen, das von Gustav Klimt bekannt sind. Foto: Konrad Klein
Hier, im großen Salon mit der berühmten Intarsiendecke von der Weltausstellung von 1873, hing auch jenes anmutige Bild der Vorbesitzerin der Villa, Trude Flöge (gest. 1971), das Gustav Klimt gezeichnet hatte – aus Sicherheitsgründen natürlich nur als Kopie (siehe Foto). Trude, eine Nichte der renommierten Wiener Modeschöpferin Emilie Flöge, der langjährigen Lebensgefährtin Gustav Klimts, hatte sich auf dem Sterbebett entschlossen, dem freundschaftlich verbundenen Ehepaar Eri und Jakob Messner, die Villa mit all ihren Kunstschätzen zu schenken. Trude hatte die Menschen um Klimt und Emilie Flöge noch alle persönlich gekannt und viel davon Eri erzählt. Natürlich auch so manches vom „schlamperten Verhältnis“ von Gustl mit Emilietante, wie die Beziehung der beiden von den Einheimischen gesehen wurde.

Eri Messner in ihrem Schlafzimmer beim Bügeln ...
Eri Messner in ihrem Schlafzimmer beim Bügeln (2011). Die Lampe wurde von Josef Hoffmann entworfen. Für Trude Flöge, der Vorbesitzerin, war sie einfach die „Kuheuterlampe“. Foto: Konrad Klein
Die Freundschaft mit dem siebenbürgischen Ehepaar geht noch auf die schweren Jahre der Nachkriegszeit zurück, als Jakob beim Ausfahren von Kartoffeln auch Trude mal einige davon schenkte – sie hatte ihn Straße angesprochen, ihr welche zu verkaufen. Vergleichsweise früh verwitwet, musste sich Eri Messner alleine um die Erziehung der drei Kinder kümmern und gleichzeitig viel Geld und Arbeit in die Instandsetzung der Villa investieren (die Villa wurde von der in Wien lebenden Trude nur als Sommersitz genutzt). Die rettende Idee war, die noch mit ihrem Mann renovierte Villa als Pension zu betreiben, was ihr bei Stammgästen und auch Künstlern, für die Messner stets ein Herz hatte, schnell einen guten Ruf einbrachte. Auch davor hatte Eri schon einiges durchgemacht: Die Kronstädterin, eine geborene Hauser - ihr Vetter war der Schriftsteller Arnold Hauser -, war 1945-47 in der Russlanddeportation. Danach verschlug es sie zunächst nach Deutschland und erst 1950 nach Österreich.

In der Villa Paulick verbrachten Emilie Flöge und Gustav Klimt ihre Sommermonate bis zu dessen frühen Tod 1916 und hier, beim Bootshaus der Villa, entstanden auch einige von Klimts schönsten Atterseebildern. Auf dem Bootssteg sind auch jene anrührenden Fotografien entstanden, die die kleine Gertrude Flöge zeigen, wie sie sich an den dicken Bauch des Malers schmiegt. In dem Album mit den Originalaufnahmen blättern zu dürfen, gehört für den Verfasser zu den beglückendsten Momenten seiner Aufenthalte in der Villa.
Eri Messner steuerte immer wieder hochkarätige Exponate für Ausstellungen bei. Allein die Ausstellung „Klimt persönlich“ im landesweit gefeierten Klimt-Jubeljahr 2012 vereinte weit über hundert Objekte aus ihrer Sammlung – vom Gartenmöbelensemble bis zur Josef-Hoffmann-Brosche und dem von Künstlerhand geschnitzten Hausgott war alles dabei. Das Meiste davon zählt längst zum Kernbestand der Klimt-Ikonographie.
Besonders eifrige Klimt-Pilger waren stets die ...
Besonders eifrige Klimt-Pilger waren stets die Japaner. Zu Mesners Lieblingskarten zählt die hier abgebildete, die ihr Japaner mit einigen Fotografien zusandten (2008). Foto: Konrad Klein
Aber die Villa bot auch das perfekte Ambiente für morbid-dekadente Fin-de-Siècle-Sujets. Percy Adlon drehte hier sein Künstlerdrama zu Gustav Mahler („Mahler auf der Couch“) und John Malkovich gab den auf sein amourenreiches Leben zurückblickenden Bohemien („Klimt“). Dass einmal sogar die Soko Donau in den dunklen Winkeln der Villa einen Gruselkrimi drehte, hatte – so Eri Messner - mit der spiritistischen Thematik zu tun („Mord aus dem Jenseits“).
Eri Messner war die beste Quartiergeberin, die man sich vorstellen konnte. Sie war die Seele des Hauses, das über 40 Jahre lang unter ihrer Obhut stand und in dem nichts verändert werden durfte, seit sie es übernommen hatte. In ihr verliert die österreichische Kunstwelt eine wichtige Leihgeberin, aber auch eine Wissensträgerin, die wunderbar schnoddrig von allen mehr oder minder prominenten Gästen des Hauses erzählen konnte.
Bick auf die Villa Paulick vom See aus. Auf dem ...
Bick auf die Villa Paulick vom See aus. Auf dem Bootssteg entstanden auch jene legendären Fotos, die die kleine Trude Flöge auf dem Bauch von Gustav Klimt zeigen. Aufnahme von September 2011. Foto: Konrad Klein
Alle, die sie kannten, schätzten Eri als eine lebenslustige Frau mit großem Herzen und unverwüstlichem Humor. Selbst als sie nach der täglichen Schwimmrunde zunehmend über Schmerzen klagte, war sie noch zu einem Scherz aufgelegt. Leider wurde deren Ursache erst im Januar diesen Jahres erkannt, aber da konnte ihr schon nicht mehr geholfen werden.

Konrad Klein

Mehr zu Eri Messner, Emilie Flöge und Gustav Klimt, einschließlich deren Bezügen zu Rumänien, siehe Konrad Kleins Artikel in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 24. August 2003 und 21. Juli 2012. Zu Messners Verdiensten um die „Kultur der Sommerfrische“ (so der Untertitel des Bildbandes „Der Attersee“ aus dem Christian Brandstätter Verlag von 2008) siehe Siebenbürgische Zeitung vom 14. September 2008.

Schlagwörter: Nachruf, Kunsthistoriker

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