5. September 2014

Märchen und Geschichten von Carmen Sylva neu herausgegeben

• „Carmen Sylva. Pelesch-Märchen“, Editi Noema, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-8382-0465-9 • „Aus Carmen Sylvas Königreich. Gesammelte Märchen und Geschichten für Kinder und Jugendliche von Carmen Sylva (Königin von Rumänien, geborene Prinzessin zu Wied, 1843-1916)“, Band I: „Rumänische Märchen und Geschichten“, ISBN: 978-8382-0482-0475-8; Band II: „Märchen einer Königin“, ibidem-Verlag, Stuttgart 2013, 978-8382-0482-0485-7. Alle Bände herausgegeben und mit einem Nachwort oder Vorwort versehen von Silvia Irina Zimmermann.
Wir haben in der Siebenbürgischen Zeitung bereits mehrfach auf die Arbeiten von Silvia Irina Zimmermann und anderer Autoren über Elisabeth zu Wied, die Königin Rumäniens (1843-1916), die unter dem Dichternamen Carmen Sylva bekannt ist, hingewiesen. Dabei wurde zusammenfassend festgestellt, dass seit den 1930er Jahren, vor allem in den Jahren der kommunistischen Herrschaft, als das Königshaus der Hohenzollern als volksfeindlich, reaktionär und abwertend oder gar als ein Tabu behandelt wurde, das dichterische Werk der Königin in Vergessenheit geriet. Erfreulicherweise kann man feststellen, dass seit der politischen Wende von 1989/90 eine wahre Renaissance ihr Wirken und Werk erfasste. Es erschien eine Reihe von Abhandlungen in rumänischer und deutscher Sprache und einige ihrer Werke wurden neu aufgelegt. Auch die Herrschaft der Hohenzollern erhielt in zahlreichen rumänischen Werken eine posi­tive Wertung. Auch der Verfasser dieses Beitrages hat ein Buch, „Die Hohenzollern als Könige von Rumänien“ (Heilbronn 2004), und andere Arbeiten über die rumänischen Könige veröffentlicht.

Silvia Irina Zimmermann (geboren 1970 in Hermannstadt) ist zurzeit die bedeutendste Literaturwissenschaftlerin, die sich mit Leben und Werk von Carmen Sylva beschäftigt. Sie hat 1996 an der Universität von Marburg über Carmen Sylva promoviert und seither zahlreiche Bücher über die Dichterkönigin Rumäniens veröffentlicht. Zimmermann ist auch die Initiatorin und Leiterin der 2013 gegründeten „Forschungsstelle Carmen Sylva“ des Fürstlich Wiedischen Archivs von Neuwied, die das Andenken an Elisabeth zu Wied pflegt. Zweck der Forschungsstelle ist die Förderung der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Carmen Sylvas Leben und Werk und ihrer Wirkung im kulturellen Kontext ihrer Zeit sowie die Vermittlung von Forschungsergebnissen an eine breite Öffentlichkeit. Dies geschieht durch wissenschaftliche Tagungen und Veröffentlichungen. Wie bereits 2011 von Zimmermann angekündigt, erschienen nun im Rahmen dieser Vorhaben die Märchen der dichtenden Königin in drei Bänden. Auf diese Veröffentlichungen soll hier eingegangen werden.
Carmen Sylva, Dichterin um 1883. ...
Carmen Sylva, Dichterin um 1883.
In dem Bändchen „Pelesch-Märchen“ begegnet der Leser, der im Prahova-Tal und im Buceci-Gebirge gewandert ist, bekannten sagenumwogenen Motiven, außer dem gesprächigen Pelesch-Bach, dem Gebirgsgipfel „Omul“, den „Vârful cu dor“, die „Piața Arsă“, den „Caraiman“ den „Ceahlău“, der „Ialomitza“-Höhle u.a. Carmen Sylva hat nicht die rumänischen Volkssagen über diese Naturerscheinungen einfach nacherzählt, sondern, wie Zimmermann betont, „kleine Kunstwerke“ geschaffen, in denen sie auf originelle und anschauliche Weise eigene Phantasie mit übernommen Motiven der Volksliteratur verbindet und den Eindruck erweckt, eine rumänische überlieferte Geschichte zu vermitteln.

Der Pelesch-Bach gewinnt dabei an Bedeutung, da nach ihm die an seinem Lauf gebaute Sommerresidenz der rumänischen Könige in Sinaia benannt wurde. Er wurde dadurch zum Symbol der neuen hohenzollerischen Dynastie in Rumänien.

In der Studienreihe „Aus Carmens Sylvas Königreich. Gesammelte Märchen und Geschichten für Kinder und Jugendliche“ sind die Märchen thematisch in zwei Bände aufgeteilt. Band I enthält Märchen, die die rumänische Landschaft, Geschichte, Volksdichtung und Brauchtum vermitteln und das Interesse für das Land wecken wollen. Wer in Rumänien gelebt hat, der kennt diese Sagen zum Teil aus dem Alltag, vor allem aus dem Geschichts- oder Literaturunterricht, so beispielsweise die Sage vom Meister Manole, dem Baumeister der Klosterkirche von Curtea des Argeș, die Sage von der Mutter des moldauischen Fürsten Stefan des Großen, die ihn in die Burg von Suceava nicht einlässt, weil sie meint, ihr Sohn kehre nie besiegt vom Schlachtfeld heim, oder die Ballade vom Hirten und seinem Schäfchen Mioritza. Carmen Sylva ergänzt diese Sagen durch eigene Betrachtungen sowie Verbindungen zum Rheinland und gewährt ihnen dadurch einen besonderen Reiz.
Carmen Sylva in Volkstracht um 1883. ...
Carmen Sylva in Volkstracht um 1883.
Im zweiten Band der hier zu besprechenden Studienreihe betritt man die eigentliche Märchenwelt von Carmen Sylva. Er enthält originelle dichterische Erzählungen, deren Inhalt sich von sonstigen bekannten Märchenwelten unterscheidet. In den Märchen ist die gesamte Umwelt des Menschen personifiziert, die gesamte Natur, Pflanzen und Tiere, die Berge und Gewässer sowie die Unterwelt sprechen und beteiligen sich am Leben des Menschengeschlechts, wobei Kinder eine besondere Rolle spielen. Es gibt sogar eine Welt der Kinder. Eigenschaften oder Zustände wie Geduld, Leiden, Arbeit, Freude, Frieden, Kampf führen ein Eigenleben und begleiten den Menschen als sprechende und personifizierte Gestalten. Auch die Sonne und ihr bezauberndes Töchterchen treten als handelende Gestalten auf. Die gute Fee und ihre Nixen und Elfen sowie der Friede unterstützen die guten Taten von Menschen gegen den unterirdischen Geist des Kampfes. In der Märchenkönigin erkennt man unschwer autobiographische Züge der Dichterin. Im „Märchen von der hilfreichen Königin“ möchte sie alles Leid auf Erden stillen, muss aber feststellen, je mehr sie Gutes tat, desto mehr schien die Not zu wachsen. Sie war darüber sehr betrübt, bis sie ihr frühverstorbenes Töchterchen als Engel belehrte, dass Armut und Not nicht beseitigt werden könnten, sie seien aber zum Läutern und gegenseitigen Helfen und Erbarmen da. Daher seien alle selig, die den Leidenden helfen und sich für sie einsetzen. Das zeichnete tatsächlich die rumänische Königin aus.

In den Märchen werden die erzieherischen und moralischen Anliegen der Dichterin vermittelt. Die Herausgeberin nennt die Vermittlung von Werten wie Pflichtgefühl, Fleiß, Hilfe und Selbsthilfe, Arbeit, Fürsorge und Nächstenliebe, Wertschätzung anderer, insbesondere behinderter bzw. körperlich benachteiligter Menschen, Mutterliebe, Behandlung unehelicher Kinder, Kritik des Neides u.a. Dazu hat die Dichterin allerlei Geschichten erfunden. Es sind zum Teil anspruchsvolle Texte, die man aber mit Genuss liest. Und man sollte sie, wenn ein gedruckter Text vorhanden ist, nicht erzählen, sondern wegen der bezaubernden und einfühlsamen Sprache vorlesen.

Michael Kroner

Schlagwörter: Märchen, Hohenzollern, Königin, Rumänien

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